29.07.2024 Ausgabe: 5/24

Mietrecht: Fehlt die Zeckentfremdungsgenehmigung zum Zeitpunkt der Kündigung, steht dies der Wirksamkeit der Kündigung nicht zwangsläufig entgegen.

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(BGH, Urteil vom 10.4.2024 - Az. VIII ZR 286/22)

Das Thema

Ob zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung beim Mieter eine erforderliche öffentlich-rechtliche Genehmigung bereits erteilt sein muss, hat bislang maßgeblich im Bereich der Verwertungskündigungen und damit im Anwendungsbereich des § 573 Abs. 2 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu kontroversen Diskussionen in der Literatur und sich diametral widersprechenden Entscheidungen in der Instanzsrecht-sprechung geführt. Mit zunehmender Bedeutung von Zweckentfremdungsgenehmigungen stellt sich die Frage, ob die ausstehende Genehmigung der Zweckentfremdung die Kündigung rechtsmissbräuchlich erscheinen lässt, nun auch bei Kündigungserklärungen nach § 573 Abs. 1 BGB.

Der Fall

Die Beklagten sind Mieter einer Dreizimmerwohnung in Berlin. Der Kläger erwarb im Jahr 2018 das Eigentum an dem Mietobjekt und kündigte mit Schreiben vom 24. Januar 2021 unter Berufung auf § 573 Abs. 1 BGB das Mietverhältnis mit den Beklagten ordentlich. Die Kündigung begründete der Kläger u. a. damit, dass er das Mietobjekt zukünftig sowohl für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt („Betriebsbedarf“) als auch als Wohnsitz nutzen wolle, nachdem das Mietverhältnis über die bisherigen Kanzlei- und Wohnräume ende.

Das Bezirksamt Charlottenburg teilte am 11. Februar 2021 mit, dass eine „Vorabanzeige“ des Klägers über die beabsichtigte teilgewerbliche Nutzung der Wohnung vorliege. Die von dem Bezirksamt zusätzlich angeforderten Unterlagen übermittelte der Kläger am 15. Februar 2021, am 26. August 2021 teilte das Bezirksamt dem Kläger mit, dass die Genehmigung der beantragten gewerblichen Zweckentfremdung der Wohnung beabsichtigt sei.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts in Anspruch und kündigt – höchstvorsorglich – in der Klageschrift erneut unter Berufung auf § 573 Abs. 1 BGB.

Die ersten beiden Instanzen haben das Begehren des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu­gelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe – nun mit Erfolg – weiter. Denn Voraussetzung der Wirksamkeit der Kündigungen ist nicht, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungen bei den Beklagten bereits eine Zweckentfremdungsgenehmigung des zuständigen Bezirksamts erteilt war.

Insbesondere im tatbestandlichen Bereich der Ver­wertungskündigungen nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist es umstritten, ob das Vorliegen einer nach den jeweiligen öffentlich-rechtlichen Landesvorschriften erforderliche Zweck-entfremdungsgenehmigung (spätestens) im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung beim Mieter für deren Wirksamkeit zu fordern ist. Die im Bereich der Verwertungs­kündigung aufgeworfene Frage stellt sich ebenso im Bereich des Kündigungsgrundes des § 573 Abs. 1 BGB. Diese bislang höchst­richterlich noch nicht entschiedene Frage bedarf jedoch auch im konkreten Fall keiner Entscheidung: So ist das zuständige Bezirksamt bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der durch den Kläger zuerst erklärten Kündigungserklärung aufgrund seiner „Vorabanzeige“ mit der Prüfung des Sachverhalts befasst gewesen. Weiter hat das Bezirksamt mit Schreiben vom 26. August 2021 und damit in zeitlicher Hinsicht zumindest vor der zweiten Kündigungserklärung, die mit der Klageschrift erfolgt ist, angekündigt, die angezeigte Mischnutzung der Mieträume zu genehmigen. Ein berechtigtes Interesse des Klägers im Sinne von § 573 Abs. 1 S. 1 BGB kann aufgrund der Umstände nicht verneint werden. Auch wenn im Zeitpunkt der Kündigungs­erklärungen eine Zweckentfremdungsgenehmigung (noch) nicht erteilt gewesen ist, zeigt sein Verhalten – insbesondere die Vorabanzeige – die Ernsthaftigkeit seines Nutzungswunsches und die Tatsache, dass das zuständige Bezirksamt bereits die beabsichtigte Genehmigung mitgeteilt hat, dieser Wunsch nicht wegen einer Unzulässigkeit der beabsichtigten Teilnutzung zu (frei-)beruflichen Zwecken rechtsmissbräuchlich ist.


VERWALTERSTRATEGIE

Die Frage, ob zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungs­erklärung beim Mieter die Zweckentfremdungsgenehmigung bereits vorliegen muss, wird nicht nur im Rahmen der Ver­wertungskündigung, sondern auch im Rahmen von Kündigungen nach § 573 Abs. 1 BGB aufgeworfen. Eine höchstrichterliche Klärung steht bislang noch aus; die Instanzrechtsprechung ist nicht einheitlich, was zu einer unsicheren Rechtslage führt. So führt beispielsweise das Landgericht (LG) Hamburg in seinem Urteil vom 12. Februar 2021, Az. 307 S 16/20 – so wohl auch die Tendenz des BGH – aus, dass als Voraussetzung der Wirksamkeit einer Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB die Ernsthaftigkeit und die Umsetzbarkeit der beabsichtigten Nutzung, nicht hingegen notwendigerweise das Vorliegen einer Zweckentfremdungs-genehmigung ist. Vermietern und damit auch Mietverwaltern ist daher zu raten, schnellstmöglich das Genehmigungsverfahren einzuleiten. Ein solches sollte spätestens parallel zur Kündigung eingeleitet und vorrangig betrieben werden, insbesondere behördliche Rückfragen sollten daher zeitnah und vollständig beantwortet werden.

Bordt, Franziska

Rechtsanwältin; Unternehmensrecht
Kanzlei Bub Memminger & Partner, München
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