02.08.2021 Ausgabe: 4/21

Mietrecht - Schadenersatz aus Mietbesitz im Gegensatz zu Eigentum

(BGH, Urteil vom 9.12.2020 – Az. VIII ZR 238/18)

DAS THEMA
Eigentlich ging es in dem Rechtsstreit um vorgetäuschten Eigenbedarf und um mögliche Schadensersatzansprüche des Mieters hieraus. Der Bundesgerichtshof (BGH) äußerte sich jedoch nur beiläufig zu diesem Thema und ging stattdessen der Frage nach, wie sich der Besitz des Mieters und der des Eigentümers voneinander unterscheiden. Dies insbesondere, da der Mietbesitz trotz des grundrechtlich geschützten Besitzrechts und des ebenso verankerten Schutzes der eigenen Wohnung geringer wiegt als Eigentümerrechte. Gelegenheit hierzu bot folgender Fall:

DER FALL
Der beklagte Vermieter hatte das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs seiner Tochter gekündigt. Die Räumungsklage ging in die Berufungsinstanz. Währenddessen erwarb der Mieter eine Eigentumswohnung, und es wurde ein Räumungsvergleich geschlossen, wonach der Mieter die Wohnung zu einem bestimmten Zeitpunkt zu räumen hatte. Da die Eigentumswohnung verspätet fertiggestellt wurde, räumte der Mieter tatsächlich erst drei Monate später. Die Tochter, für die der Eigenbedarf erklärt worden war, zog dann nicht in die Wohnung ein. Nunmehr verklagte der Mieter den Vermieter auf Schadensersatz, weil der Vermieter zumindest versäumt habe, ihn darauf hinzuweisen, dass der Eigenbedarf schon vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen war, möglicherweise insgesamt nur vorgetäuscht gewesen sei. Geltend machte der Mieter vor allem die Maklerkosten für den Ankauf der Eigentumswohnung.

Der BGH wies die Klage des Mieters ab. Obwohl es auf die Frage nicht ankam, wies er in einem obiter dictum auf Folgendes hin: Der Vermieter ist zwar verpflichtet, dem Mieter den Wegfall des Eigenbedarfs mitzuteilen. Dies gilt jedoch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Entfällt der Eigenbedarf während eines anschließenden Räumungsverfahrens oder gar während einer vergleichsweise vereinbarten Räumungsfrist, ist der Vermieter zu dieser Mitteilung nicht mehr verpflichtet, und ein Schadensersatzanspruch kann deswegen nicht entstehen. Ein Räumungsvergleich führt in der Regel nur dazu, einen bestimmten Auszugszeitpunkt festzulegen. Er gestaltet das Mietverhältnis nicht so um, dass alle Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag rückwirkend und bis zum Ende der Räumungsfrist wieder aufleben. Dies wäre nur der Fall, wenn die Parteien dies im Vergleich ausdrücklich einvernehmlich vereinbaren und hierdurch die Rechtswirkungen der Kündigung rückgängig machen wollen.

Der BGH konnte die Frage nach dem Inhalt und den Rechtswirkungen des Räumungsvergleichs in dieser Entscheidung allerdings offen lassen, da er einen Schadensersatzanspruch des ehemaligen Mieters – hier die Maklerkosten für den Erwerb der Eigentumswohnung – jedenfalls nicht als gerechtfertigt ansah. Dieser Schaden ist zwar adäquat kausal, unterfällt jedoch nicht mehr dem Schutzzweck der – unterstellten – Vertragsverletzung des Vermieters. Die Maklerkosten für den Erwerb der Eigentumswohnung sind deshalb adäquat kausal, weil es nicht gänzlich ungewöhnlich ist, dass ein Mieter eine Wohnungskündigung zum Anlass nimmt, künftig in eine Eigentumswohnung anstatt wieder in einer Mietwohnung zu ziehen. Zum Erwerb darf er selbstverständlich auch einen Makler einschalten. Die Pflicht des Vermieters, dem Mieter rechtzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist mitzuteilen, dass der Kündigungsgrund entfallen ist, schützt allerdings den Mieter nicht vor den Kosten des beauftragten Maklers. Zweck dieser Informationspflicht ist die Bewahrung eines Mietverhältnisses, also der weitere Gebrauch der Mietsache als Mieter mit den daraus abgeleiteten Besitzrechten. Durch den Erwerb einer Eigentumswohnung hat der ehemalige Mieter jedoch nicht nur seinen Besitzverlust ausgeglichen, sondern bezüglich der neuen Wohnung nun auch eine Stellung als Eigentümer eingenommen, die deutlich von seiner bisherigen Stellung als Mieter zu unterscheiden ist. An ihr steht ihm nun eine uneingeschränkte und eigenverantwortliche Nutzungs- und Verfügungsbefugnis zu, die insbesondere nicht zeitlich begrenzt ist. Das Wohnen zur Miete verschafft dem Mieter jedoch nur ein abgeleitetes und vor allem zeitlich begrenztes Besitzrecht. Bei wertender Betrachtung fällt dieser Schaden daher nicht mehr unter den Schutzzweck der Informationspflicht des Vermieters, die dem Mieter den Gebrauch nur vorübergehend erhalten soll. Die Schadensersatzklage des Mieters wurde deshalb abgewiesen. Die Frage, ob der Eigenbedarf bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist oder erst während des Räumungsrechtsstreits entfallen war, musste der BGH folglich nicht mehr klären.

VERWALTERSTRATEGIE
Der klarstellende Hinweis des BGH auf seine früheren Entscheidungen, wonach die Pflicht des Vermieters zum Hinweis auf einen Wegfall des Eigenbedarfs nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gilt, schafft Klarheit und Rechtssicherheit bei Vermietern. Wenn der Eigenbedarf entfällt, während sich ein Räumungsrechtsstreit lange hinzieht, führt dies nicht zum Wegfall des vorher bestehenden Kündigungsgrundes und lässt ein dann belastetes Mietverhältnis nicht wieder aufleben. Die Entscheidung und Begründung zum Nichtbestehen des Schadensersatzanspruchs lässt sich nicht ohne Weiteres in die Praxis übersetzen. Sie lässt jedoch deutlich die Tendenz des BGH erkennen, den Eigentümerrechten wieder mehr Gewicht zu verschaffen, insbesondere der Hinweis, dass der Besitz des Mieters zeitlich begrenzt ist, zeigt, dass der BGH eher als die derzeit häufig noch sehr mieterfreundlich agierenden erstinstanzlichen Gerichte geneigt ist, Kündigungen stattzugeben.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.