05.12.2016 Ausgabe: 8/2016

Mission impossible?

Scheitert die flächendeckende Umsetzung der Elektromobilität tatsächlich an fehlenden Ladestationen in Tiefgaragen von Mehr­familienhäusern?

Im vergangenen Jahr schmückte Dr.-Ing. Klaus-Dieter Clausnitzer seinen Vortrag beim 23. Deutschen Verwaltertag zum Thema Elektromobilität mit dem Zitat aus einer ZDF heute-Sendung: „Wer im Mehrfamilienhaus wohnt, hat gleich verloren.“ Ist die Nutzung von Elektrofahrzeugen für Bewohner von Wohnanlagen mit (Tief-) Garage also tatsächlich völlig ausgeschlossen? Handelt es sich um eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), ist die Situation in der Tat nicht ganz einfach.

Komplizierte Rechtslage

Zunächst einmal zur rechtlichen Komponente: Bei der Errichtung einer typischen „Ladesäule“ auf dem Grundstück einer WEG dürfte es sich in den meisten Fällen um eine (im Zweifel nachteilige) bauliche Veränderung handeln, für die eine Beschlussfassung vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung äußerst schwierig ist. Prof. Dr. Martin Häublein erläuterte in DDIVaktuell 3/15 bereits, dass es sich dabei – abhängig von eventuellen Regelungen in der Gemeinschaftsordnung und den Umständen des Einzelfalls – auch um eine Modernisierung nach § 22 Abs. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG) handeln könnte, was eine Beschlussfassung immerhin etwas erleichtert. Die komplizierte Rechtslage ist aber nur eines der Probleme, die im Zusammenhang mit Elektromobilität im Kontext einer Wohnanlage betrachtet werden müssen.

Ladesäule funktioniert nicht

Während es für die Abrechnung der Stromkosten inzwischen eine Reihe intelligenter Lösungen am Markt gibt, wird ein anderes Problem offenbar bisher kaum beachtet: Die klassische Ladesäule zur gemeinsamen Nutzung durch Bewohner auf dem Grundstück einer WEG wird in der Praxis kaum funktionieren. Denn während man sein Elektrofahrzeug an einer öffentlichen Ladesäule unterwegs kaum länger abstellen wird, als die Batterie zur Ladung benötigt, dürfte die Bereitschaft, in der heimischen Tiefgarage nach Ende der Ladezeit den Ladeplatz wieder frei zu machen, eher gering sein. Auch die Lust der Bewohner, etwa früh morgens um 3:00 Uhr aufzustehen, um nachzusehen, ob die Ladesäule inzwischen frei ist, um das eigene Vehikel aufzuladen, dürfte sich in Grenzen halten.

In der Praxis wird es also heißen: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wer die Stromzapfstelle als Erster erreicht, lädt, alle anderen schauen in die Röhre – und rufen am nächsten Tag beim Verwalter an, um sich zu beschweren. Dessen Bereitschaft, über weitere Beschlüsse zur Aufstellung von Ladesäulen nachzudenken, wird infolgedessen sehr schnell gegen Null tendieren. Bedenkt man weiter, dass für eine Beschlussfassung über Modernisierungsmaßnahmen entsprechend qualifizierte Mehrheiten benötigt werden, dürfte der Ausgang einer Abstimmung zu oben beschriebenem Szenario selbst bei sehr umweltbewussten und modern denkenden Eigentümern mit ziemlicher Sicherheit vorhersehbar sein.

Der Ansatz, gemeinschaftliche Ladesäulen auf WEG-Grundstücken zu installieren, erscheint daher wenig zielführend. Vielmehr muss die Ladeinfrastruktur innerhalb einer (Tief-) Garage so ausgelegt sein, dass alle Elektrofahrzeuge dann geladen werden können, wenn sie ohnehin in der Garage stehen – typischerweise in den Nachtstunden.

Die Wallbox – eine Alternative?

Nahe liegend ist es, Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge in den Garagen zu installieren. Eine übliche Wallbox zur Schnellladung von Fahrzeugen stellt, je nach Ausführung, eine Leistung zwischen 11 und 44 kW zur Verfügung. Die für solche dreiphasigen Drehstrom-Anschlüsse erforderlichen elektrischen Leitungen und Leitungsquerschnitte stehen allerdings in kaum einer Garage zur Verfügung. Viel problematischer aber ist der Umstand, dass die vom Energieversorger am Hausanschluss zur Verfügung gestellte Anschlussleistung in einer etwas größeren Anlage niemals ausreicht, um allen Bewohnern einen Anschluss zu ermöglichen: Bei einer Anschlussleistung von nur 11 kW je Wallbox können an einem üblichen Hausanschluss nicht viel mehr als vier (!) Fahrzeuge gleichzeitig geladen werden, ohne dass die Schutzschaltung anspricht. Hinzu kommt, dass bereits die Zuleitungen in Garagen, wo sie ursprünglich lediglich für die Beleuchtung dimensioniert wurden, deutlich zu geringe Querschnitte aufweisen. Es müssten also die Zuleitungen erneuert, neue Elektro-Unterverteilungen geschaffen und die entsprechende Leistung vom Energieversorger gewährleistet werden – mit den damit verbundenen Kosten für die WEG. Auch hier ist die Wahrscheinlichkeit eher gering, dass die erforderliche Mehrheit für einen Eigentümerbeschluss zu einer Maßnahme, die nur Wenigen Vorteile bringt, zustande kommt.

Warum kompliziert, wenn‘s auch einfach geht?

Den bisher verfolgten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie auf möglichst kurze Ladezeiten der Fahrzeugakkus abzielen. In der heimischen Garage ist dies allerdings eigentlich gar nicht nötig: In der Regel steht das Auto ja ohnehin die ganze Nacht dort. Ist dort also eine Zuleitung vorhanden, deren Ausführung und Querschnitt der Versorgung lediglich von Beleuchtung und einer Steckdose genügen, dann kann darüber auch jedes heute bekannte Elektrofahrzeug geladen werden.

Zwar wird sich die leere Batterie eines Tesla über Nacht nicht komplett laden lassen, für alle anderen derzeit bekannten Elektrofahrzeuge und Plug-In-Hybride aber ist die typische Standzeit eines Fahrzeugs über Nacht mehr als ausreichend – und auch der Strombedarf, der sich bei halbwegs geschickter Aufteilung der Anschlüsse auf die ­einzelnen Phasen eines Stromnetzes ergibt, sollte durch einen üblichen Hausanschluss gedeckt werden können, zumindest bei der mittelfristig zu erwartenden Quote an Elektrofahrzeugen.

In vielen Tiefgaragen haben sich einzelne Stellplatzeigentümer in der Vergangenheit die Genehmigung eingeholt, sich Elektro-Anschlüsse z. B. für Garagentorantriebe zu installieren. Deren Stromverbrauch wird über Zwischenzähler gemessen und – mühsam – abgerechnet. Nach Jahren stellt man nun häufig fest, dass die einst lediglich für Beleuchtung ausgelegten vorhandenen elektrischen Leitungen inzwischen hoffnungslos überfordert sind. Da oft auch die Beleuchtung selbst mittlerweile in die Jahre gekommen und schadhaft ist, würde es sich bei einer Rundum-Erneuerung der Elektro-Installation inklusive Beleuchtung mit zeitgemäßer Lichtsteuerung sowie einer Elektro-Unterverteilung mit Zuleitungen zu jedem Stellplatz einschließlich Zählern, Leitungs- und Fehlerstromschutz möglicherweise nur noch um eine modernisierende Instandsetzung handeln.

Selbst wenn es eine Modernisierung wäre, erscheint das Zustandekommen der erforderlichen Beschlussmehrheit nicht unwahrscheinlich, wenn die Maßnahme dazu führt, dass jeder Stellplatz über Licht, Steckdosen und die Möglichkeit des Einbaus eines elektrischen Torantriebs verfügt.

Den Strom einfach selber machen?

Denkbar, sinnvoll und auch erwünscht wäre die Versorgung der Ladeeinrichtungen mit Strom aus einem von der WEG betriebenen Blockheizkraftwerk, so das Ergebnispapier des „Schaufenster Elektromobilität“ zu rechtlichen Rahmenbedingungen für Ladeinfrastruktur im Neubau und Bestand. Der durch den Verkauf des produzierten Stroms zu erzielende Erlös dürfte für die Mehrheit der Eigentümer von Interesse sein, was die für eine Beschlussfassung notwendigen Mehrheiten wahrscheinlicher macht. Leider werden derzeit solche Modelle allerdings von steuerlichen Vorschriften behindert.

Fazit

Auch in WEG lassen sich – etwas guter Wille vorausgesetzt – Lösungen finden, um die Elektromobilität zumindest im Rahmen der mittelfristig zu erwartenden Bedürfnisse zu fördern. Soll Elektromobilität für Bewohner größerer Wohnanlagen auch langfristig attraktiv werden, ist der Gesetzgeber gefordert, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Verwalter und Wohnungseigentümer notwendige Maßnahmen ohne Rechtsunsicherheiten und Steuerhürden umsetzen können.

Foto: © Blaz Kure / Shutterstock.com


Bock, Gottfried

Der Geschäftsführer der Hausverwaltung Bock GmbH, Metzingen, ist Vorstandsmitglied des VDIV Baden Württemberg und DDIV Immobilienverwalter des Jahres 2013.