13.04.2021 Ausgabe: 2/21

Mit Zuckerbrot & Peitsche - Bauliche Veränderungen sollen künftig einfacher umsetzbar sein – ja, aber …

Ein Hauptanliegen der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) war die Auflösung von Modernisierungsrückständen und -hürden. Ob dieses Ziel erreicht wird, ist fraglich, denn das Gesetz bedient sich dazu Zuckerbrot und Peitsche. Zuckerbrot: Bauliche Veränderungen nach § 20 WEG können mehrheitlich beschlossen werden (§ 20 Abs. 1 WEG), einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden (§ 20 Abs. 3 WEG) oder von einem Wohnungseigentümer verlangt werden (§ 20 Abs. 2 WEG). Nach § 20 Abs. 4 WEG gilt dies jedoch nur, solange die Wohnanlage nicht grundlegend umgestaltet wird oder ein Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt wird. Maßnahmen, die eine nur geringe Auswirkung auf den Charakter der Wohnanlage haben und zu keiner erheblichen Benachteiligung eines Wohnungseigentümers führen, können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden.

Der individuelle Anspruch
Darüber hinaus haben Wohnungseigentümer einen individuellen Anspruch gegenüber der Gemeinschaft auf Gestattung von baulichen Veränderungen, wenn diese einem der folgenden Zwecke dienen: dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG), dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG – E-Mobilität), dem Einbruchschutz (§ 20 Abs. 2 Nr. 3 WEG) oder dem Anschluss an ein Telekommunikationsnetz mit sehr hoher Kapazität (§ 20 Abs. 2 Nr. 4 WEG – Glasfaseranschluss).

Wohnungseigentümern steht dieser Anspruch jedoch nur hinsichtlich des „Ob“ und nicht des „Wie“ der baulichen Veränderung zu. Sie können im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung z. B. beschließen, ob die Gestattung einer baulichen Maßnahme mit oder ohne Auflagen erfolgt, die Vornahme durch den Bauwilligen erfolgt oder durch die Gemeinschaft, und die Kosten in der Abrechnung auf den Bauwilligen umgelegt werden, oder ob eine Sonderumlage durch den Bauwilligen zu leisten ist (vgl. § 20 Abs. 2 WEG).

Einem bauwilligen Wohnungseigentümer steht zudem ein Individualanspruch auf Gestattung einer Maßnahme zu (§ 20 Abs. 3 WEG), wenn die bauliche Veränderung niemanden beeinträchtigt oder sämtliche über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigten Wohnungseigentümer zustimmen. In diesem Fall muss der bauwillige Wohnungseigentümer die Kosten der Maßnahme alleine tragen (§§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 1 WEG).

Der Duldungsanspruch
Damit Baumaßnahmen mit baulichen Veränderungen auch gegenüber Mietern und anderen möglichen Fremdnutzern durchgesetzt werden können, besteht nach § 15 WEG in Verbindung mit den §§ 555a – 555d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein Duldungsanspruch gegen diese, sofern die Maßnahme rechtzeitig angekündigt wurde. Die Ankündigungspflicht obliegt dem Bauwilligen bzw. der Wohnungseigentümergemeinschaft und ist für letztere durch deren Verwaltung zu erfüllen. Für WEG-Verwaltungen bedeutet dies einen Mehraufwand, zumal sie sich auch mit mietrechtlichen Vorschriften auseinandersetzen müssen.

Mieter einer Eigentumswohnung haben bezüglich der in § 20 Abs. 2 WEG bezeichneten privilegierten Maßnahmen gemäß § 554 BGB einen Anspruch auf Erlaubnis der baulichen Veränderung gegen den vermietenden Eigentümer, wenn diesem die bauliche Veränderung auch unter Würdigung der Interessen des Mieters zugemutet werden kann. Diesen Anspruch hat der Wohnungseigentümer gegenüber der Eigentümergemeinschaft durchzusetzen, soweit es ihm möglich ist. Der vermietende Eigentümer kann und sollte sich vom Mieter im Zusammenhang mit der Vornahme der baulichen Veränderung eine besondere Sicherheit gewähren lassen (§ 554 Abs. 1 S. 3 BGB). So viel zum gesetzlichen Zuckerbrot.

Hier kommt die Peitsche
Die umfassende Beschlusskompetenz über bauliche Veränderungen hat der Gesetzgeber über die umfangreiche Kostenregelung in § 21 WEG eingeschränkt, welche Verwaltungen künftig wohl einen größeren Aufwand bei der Vorbereitung und Durchführung von Eigentümerversammlungen bescheren wird. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 WEG hat zunächst der bauwillige Wohnungseigentümer die Kosten der Maßnahme sowie auch die Folgekosten zu tragen. Im Gegenzug stehen die Nutzungen an dem Ergebnis der Maßnahme ihm allein zu (§ 21 Abs. 1 S. 2 WEG). § 21 WEG geht § 16 WEG, insbesondere Abs. 3, vor.

Die Kosten einer baulichen Veränderung sind nach § 21 Abs. 2 WEG nur dann von sämtlichen Eigentümern zu tragen, wenn diese durch die Gemeinschaft durchgeführt wird und mit mehr als zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen und der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen wurde und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist oder die Kosten der Maßnahme sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes amortisieren.

Die Kostenverteilung
Im Übrigen gilt nach § 21 Abs. 3 WEG, dass die Kosten baulicher Veränderungen nur von den Wohnungseigentümern zu tragen sind, welche der Maßnahme zugestimmt haben. Ein nicht zur Nutzung berechtigter Eigentümer hat einen Anspruch auf Gestattung der Mitbenutzung, wenn er einen angemessenen Ausgleich leistet (§ 21 Abs. 4 WEG).

Die Regelungen in § 21 Abs. 1 – 5 WEG werden dazu führen, dass Verwaltungen in Bezug auf die Folgekosten von Baumaßnahmen künftig mit sehr vielen Kosten- und Nutzerkreisen sowie unterschiedlichen Kostenverteilungsschlüsseln hantieren müssen. Dieser Aufwand lässt sich am einfachsten vermeiden, wenn die Maßnahme mit einer doppelt qualifizierten Mehrheit beschlossen wird und nicht mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 WEG), die Kostentragung und -verteilung innerhalb der jeweiligen Betriebsgemeinschaft geregelt wird und die Kosten nicht über die Gemeinschaft abgerechnet werden oder nach § 21 Abs. 5 WEG eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschlossen wird. Schließlich können Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 5 WEG für jede Maßnahme einer baulichen Veränderung eine abweichende Verteilung der Kosten und Nutzungen beschließen, solange dadurch keinem Wohnungseigentümer Kosten auferlegt werden, die er nach den Regelungen in § 21 Abs. 1 – 4 WEG nicht zu tragen hat.

Für Verwaltungen wird es sich in der täglichen Praxis empfehlen, Maßnahmen möglichst durch doppelt qualifizierte Mehrheit beschließen und durch die Gemeinschaft vornehmen zu lassen oder durch eine transparente Beschlussfassung nach § 21 Abs. 5 WEG die Kostenverteilung möglichst einfach zu regeln.


BESCHLUSSBEISPIELE
§ 21 WEG eröffnet die folgenden drei Möglichkeiten:

Die Kosten inklusive der Folgekosten der am [Datum] zum Tagesordnungspunkt X beschlossenen [Maßnahme]

1. sind von den Eigentümern des Wohnungseigentums mit der Nummer Y gemäß Teilungserklärung vom [Datum] allein zu tragen.

2. sind von den Eigentümern des Wohnungseigentums mit der Nummer X, der Nummer Y und der Nummer Z gemäß Teilungserklärung vom [Datum] nach Miteigentumsanteilen/nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 WEG/nach Maßgabe des in § xy der Teilungserklärung festgelegten Kostenverteilungsschlüssel zu tragen.

3. sind von allen Wohnungseigentümern nach Maßgabe des § 16 Abs. 2 WEG zu tragen.


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Scheidweiler, Markus

Fachanwalt für Miet- und ­Wohnungseigentumsrecht
www.kanzlei-scheidweiler.de