07.09.2022 Ausgabe: 6/22

Möglicher und unmöglicher Schallschutz

Bei der Installation von Aufzuganlagen zahlt sich gute Planung aus

Werden Aufzug und Gebäude nicht fachge­recht aufeinander abgestimmt geplant und ausgeführt, können die Anlagen in benach­barten Räumen unangenehme Geräusche verursachen. Leidtragende sind vor allem die Wohnungs­nutzer. Betroffen sind aber auch Haus- und Immobi­lienverwaltungen: Sie sehen sich einerseits unzufriedenen Eigentümern und Nutzern gegenüber und können ande­rerseits Fehler aus der Planungs- und Rohbauphase nur mit großem Aufwand beheben. Ähnlich verhält es sich mit Aufzugnachrüstungen. Umso bedauerlicher ist es, dass noch immer Aufzüge unmittelbar neben schutzbedürf­tigen Räumen geplant werden – also Schlafzimmer und andere Räume, in denen Nachtruhe gehalten werden kann.

Nicht mehr als ein Blätterrauschen

Den Schallschutz bei Aufzügen regelt in Deutschland die DIN-Norm 8989. Sie bestimmt die Voraussetzungen, die Aufzughersteller und die anderen Gewerke erfüllen müssen, damit die Mindestvorgaben der DIN 4109 für den Schallschutz im Hochbau eingehalten werden kön­nen. Demzufolge darf der durch den Aufzugbetrieb verursachte Schall den Maximalwert von 35 dB(A) in Wohnräumen und 30 dB(A) in schutzbedürftigen Räumen nicht übersteigen. Letzteres entspricht leisem Blätterrauschen.

Grenzen der Machbarkeit

Die 30 dB(A) entspre­chen der Vorgabe der ersten von drei Schall-schutzstufen (SSt), für die die DIN 8989 auf die VDI-Richtlinie 4100 Bezug nimmt. Über diesen Mindestschutz hinaus gehen die Schallschutz-stufen II und III mit maximal 27 bzw. 24 dB(A) in den nächst­gelegenen schutzbedürftigen Räumen, weshalb diese Stufen explizit vertraglich vereinbart werden müssen. Immerhin re­duziert Stufe III den subjektiv wahrnehmbaren Lärm gegen­über Stufe I um 75 Prozent.

Der Haken: der enorme Aufwand. Aufzughersteller müs­sen die Schalldruckpegel ihrer Anlagen deutlich absenken, während Baufirmen die Wände, Decken und Böden rund um den Aufzug sehr massiv auslegen müssen. So können bei der Schachtwand Werte von 740 kg/qm (!) erreicht oder überschritten werden. Das ist kein Wohnungsbau mehr, son­dern mittelalterliches Festungswesen.

Dabei berücksichtigt DIN 8989 nur die technischen Aufzug­geräusche, die durch Türbewegungen, Beschleunigungs- und Bremsvorgänge entstehen. Nicht berücksichtigt werden laute Geräusche von Fahrgästen: Gespräche, Musik, Schläge gegen die Kabinenwand. Und die sind in anliegenden schutzbedürf­tigen Räumen durchaus vernehmbar. Kabine und Schacht dienen als Resonanzkörper. Ein Grund mehr, schutzbedürftige Räume nicht direkt am Aufzugschacht zu platzieren.

Wo die Norm nicht gilt

Der hohe Aufwand für guten Schallschutz lässt erahnen, war­um der Geltungsbereich der DIN 8989 auf bestimmte Szena-rien begrenzt wurde. So fallen Aufzüge aus der Norm heraus, die vier Meter pro Sekunde oder mehr erreichen oder mehr als 2.500 kg Last befördern. Auch für Aufzuggruppen, bei denen mehrere Anlagen einen Schacht teilen, gilt die Norm nicht. Alle drei Szenarien sind im Wohnungsbau eher selten. 

Anders sieht es mit Aufzügen in Stahlgerüsten aus, die mit Glasplatten, Metallgittern und/oder Paneelen verkleidet sind. Diesen Gerüsten fehlt die Masse, um den Schalldruck des fahrenden Aufzugs abfangen und den Luftschall dämpfen zu können. Hier müssen andere technische Vorkehrungen getroffen werden, die nicht durch die Norm abgedeckt wer­den: Der Stahlschacht, der nachträglich im Treppenauge installiert wird, kann konsequent vom Gebäude schallent­koppelt werden, sodass Lasten und Kräfte in das Gebäude­fundament abgeleitet werden. Als problematisch kann sich hier der Luftschall erweisen.

Nachrüstung im Bestand

Der Aufzug mit Stahlgerüst im Treppenauge ist eine klassische Lösung für die Nachrüstung im Bestand, für die ganz gene­rell der Mindestschallschutz nach DIN 8989 nicht gilt. Der Grund: Schächte in Bestandsgebäuden sind oft weit entfernt von heutigen Vorgaben errichtet worden – so wie in einem neunstöckigen Haus aus der Nachkriegszeit in Gießen. Dort wurde der Schacht aus sechs Zentimeter starkem Bimsstein gemauert. Nachträgliche technische und bauliche Lösungen würden in diesem und anderen Fällen massive Eingriffe in die Bausubstanz und hohe Kosten nach sich ziehen.

Gleichwohl: DIN 8989 kann bei der Modernisierung von Be­standsgebäuden gute Dienste leisten. Sie ist eines von meh­reren Hilfsmitteln, um die zu erwartenden Schallemissionen zu prognostizieren, die nach Austausch einer Aufzuganlage und/oder nach größeren Eingriffen in die Bausubstanz ent­stehen. Ihre Anwendung ist nicht verpflichtend, aber zweck­dienlich. 

Sachverständige können so die Bausubstanz bewerten und damit z. B. die Differenz zwischen der vorgegebenen und der tatsächlichen Masse der Schachtwand feststellen. Das erlaubt Rückschlüsse auf die zu erwartende Schallbelastung in den umliegenden schutzbedürftigen Räumen, die durch Messungen vor Ort weiter präzisiert werden können. So lässt sich mit einem Kleinhammerwerk der Schallübertrag in be­nachbarte Räume exakt ermitteln.

Aus den Messergebnissen wiederum lassen sich in Abstim­mung mit dem Aufzughersteller diverse Maßnahmen zur Reduzierung des Schallübertrags ableiten: zum Beispiel durch eine schalltechnische Entkopplung des Antriebs, massereiche Führungsschienen etc., vor allem aber durch die Wahl speziel­ler Aufzugtypen, die Kräfte und Schwingungen ins Fundament des Gebäudes ableiten. Die Vorgaben der Norm werden so sicher nicht erreicht, doch immerhin gewisse Verbesserungen, die auf eine Reduktion von drei dB(A) und damit eine Halbie­rung der subjektiv wahrgenommenen Lautstärke hinauslaufen können.

Auch das Gebäude schwingt

Bislang kaum Beachtung finden Eigenschwingungen des Gebäudes. Wärmepumpen und Kompressoren können die Schachtwand selbst bei stehendem Aufzug zum Schwingen bringen. Fährt die Anlage, können die Schallgrenzwerte über­schritten werden – umso mehr, wenn externe Lärmquellen wie Lkw, Trambahnen und Schiffe dazukommen.

Fazit

Bauherren, Eigentümer und Verwalter, die beim Körperschall auf Nummer sicher gehen wollen, sollten durch frühe Ein­beziehung eines Schallexperten oder Bauphysikers dafür sorgen, dass die Eigenschwingungen des Schachtes so gering wie möglich ausfallen. Auf den Erfindungsreichtum der Auf­zugbauer zu setzen, greift leider zu kurz. Die Branche hat ihre Anlagen immer leiser werden lassen und die in die Schächte eingeleiteten Beschleunigungspegel kontinuierlich abgesenkt. Mehr wird in absehbarer Zeit nicht möglich sein.

 

 

Lipphardt, Thomas

Manager Technische Regelwerke bei KONE