05.07.2013 Ausgabe: 4/2013

Muslimisches Gemeindezentrum im Teileigentum

Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Anlage umfasste sechs Gebäude, darunter eine gewerbliche Einheit, die durch Grünflächen von den Wohnhäusern getrennt war und die bislang als Supermarkt genutzt wurde. Gestritten wurde über die Einrichtung eines muslimischen Gemeindezentrums in Räumlichkeiten im Erd- und Untergeschoss dieses Gebäudes, deren Unterlassung die Kläger begehren.

Die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum wurde nach Errichtung des Bauwerks vorgenommen. In der Teilungserklärung befindet sich daher vor der eigentlichen rechtlichen Aufteilung in Teil- und Wohneigentum eine Beschreibung des Gebäudes, in der auch das Ladengeschäft Erwähnung findet. In der Teilungserklärung wird aber nur für Lage und Ausmaß des Sondereigentums, jedoch nicht hinsichtlich der darin genannten Nutzungen, auf den Aufteilungsplan Bezug genommen. Im Aufteilungsplan sind in der als „Supermarkt Verkaufsraum 509,70 m2“ bezeichneten Einheit Nummer 501 Kühlmaschinen, Kassen und ähnliche Einrichtungen dargestellt, der Bereich ist braun umrandet. In den übrigen diese Teileigentumseinheit betreffenden Regelungen der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung wird die Einheit nur durch Bezugnahme auf den Aufteilungsplan und die Nummerierung 501 definiert. 

So ist in der Gemeinschaftsordnung dem jeweiligen Eigentümer der Teileigentumseinheit Nr. 501 die gewerbliche Nutzung stets gestattet, ohne dass es der Verwalterzustimmung bedarf. Auch rechtmäßige Nutzungsänderungen sind ohne Verwalterzustimmung möglich. Laut Bestandsverzeichnis im Grundbuch besteht Sondereigentum an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen im Erd- und Untergeschoss Nr. 501 (Supermarkt), im Plan braun umrandet.

Die Meinung des Gerichts:

Das OLG Frankfurt entschied im gleichen Sinne wie der BGH und wies die Unterlassungsklage ab, weil es die Nutzung als Gemeindezentrum weder durch die Gemeinschaftsordnung noch durch die Teilungserklärung für ausgeschlossen hält. Weder die Teilungserklärung noch die Gemeinschaftsordnung enthielten eine ausdrückliche Beschränkung des Gebrauchs auf die Nutzung als Supermarkt. Eine dahingehende Vereinbarung konnte auch im Wege der Auslegung nicht gefunden werden, weil die umstrittene Einheit in den Vereinbarungen nicht als Supermarkt, sondern unter Verweis auf den Aufteilungsplan, nur als Teileigentumseinheit Nr. 501 bezeichnet wurde.

Die Erwähnung eines Ladenlokals im Vorspann der Teilungserklärung war lediglich als Beschreibung des Baubestands zu werten. Auch die Bezugnahme auf den Aufteilungsplan konnte nicht im Sinne einer Vereinbarung über den Gebrauch der Teileigentumseinheit ausgelegt werden, weil ausdrücklich nur für Lage und Ausmaß auf den Aufteilungsplan verwiesen wurde und einzelne Bereiche über die dort vorhandene Farbgebung näher beschrieben wurden.

Die Beschreibungen im Aufteilungsplan sind damit, ebenso wie die zeichnerisch dargestellten Einrichtungsgegenstände, nicht verbindlich geworden. Auch das Bestandsverzeichnis, in dem die Einheit mit Nr. 501 (Supermarkt) bezeichnet wird, begründet die Annahme einer Gebrauchsregelung nicht. Die Auslegung der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung erfolgt ohne Rücksicht auf die Eintragung im Grundbuch, weil sie den Regelungen nur Verbindlichkeit verschaffen soll, ohne selbst Erklärungswert zu besitzen. Damit ist lediglich durch die Regelung über die Gestattung der gewerblichen Nutzung der Räume, beziehungsweise die Nutzungsänderung ohne Zustimmung des Verwalters, eine Gebrauchsregelung getroffen worden. Eine Beschränkung auf die Nutzung als Supermarkt oder Ladenlokal war damit nicht gegeben.

Das OLG sah zwar die Nutzung als Gemeindezentrum als Nutzungsänderung an, hielt diese aber für rechtmäßig. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit, die von der Beeinträchtigung der anderen Eigentümer durch die neue Nutzung abhing, war nämlich eine typisierende Betrachtung vorzunehmen. Daher waren nicht die von der gewerblichen Nutzung als Supermarkt ausgehenden Beeinträchtigungen mit den vom Gemeindezentrum ausgehenden Beeinträchtigungen zu vergleichen. Entscheidend waren die von einer nach der Beschaffenheit der Anlage allgemein zulässigen gewerblichen Nutzung zu erwartenden Beeinträchtigungen.

Nachdem in den Räumen allgemein nicht nur ein Supermarkt betrieben werden konnte, sondern auch Gaststätte, Fitnessstudio, Bildungseinrichtung, Kindertagesstätte oder ein kleiner Handwerksbetrieb denkbar waren, konnte der Nutzungsänderung, welche die nicht gewerbliche Nutzung als muslimisches Gemeindezentrum darstellte, nicht deren fehlende Rechtmäßigkeit entgegen gehalten werden. Dazu war nämlich nur auf die nach WEG-Recht von den anderen zu duldenden Beeinträchtigungen abzustellen, die von der Nutzung als Gemeindezentrum ausgeht. Diese unterscheiden sich hinsichtlich der Öffnungszeiten und des Publikumsverkehrs nicht wesentlich von denen der allgemein zulässigen gewerblichen Nutzungen. Die bisher vom Supermarkt ausgehenden Beeinträchtigungen waren für den Vergleich nicht heranzuziehen.

Dokumentation: OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 1.11.2012 – 20 W 12/08, Entscheidungsabdruck in NZM Heft 5 vom 4.3.2013.

Ratschlag für den Verwalter:

In dieser sensiblen Angelegenheit hat das OLG Frankfurt am Main ganz auf der Linie des BGH dargelegt, dass Bezeichnungen im Aufteilungsplan regelmäßig keine Beschränkungen hinsichtlich des Gebrauchs einzelner Teil- oder Wohneigentumseinheiten begründen. Darüber hinaus geht aus der ausführlichen Entscheidung auch hervor, dass ein langjährig in derselben Art erfolgter Gebrauch keine Beschränkungen für die Möglichkeiten des künftigen Gebrauchs begründet. Seine Rechtmäßigkeit entscheidet sich allein nach den Vereinbarungen in Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung. Daher ist auch die Rechtmäßigkeit einer nach der Gemeinschaftsordnung zulässigen Nutzungsänderung nicht konkret anhand der bisherigen Nutzung, sondern abstrakt aufgrund der allgemein möglichen Nutzung zu beurteilen.

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Ostermann, Linda

Dr. Susanne Schießer ist ­Rechtsanwältin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Immobilien im Bestand, Immobilientransaktionen und Grundstücksrecht, Bauträgerrecht, Architekten- und Ingenieurrecht und dem Projektsteuerungsrecht. Sie hält regelmäßig Fachvorträge und veröffentlicht in der Fach- und Wirtschaftspresse. Seit 2009 ist sie Salary Partner in der Kanzlei „Sibeth ­Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“. www.sibeth.com

Linda Ostermann ist Rechtsassessorin mit den Tätigkeitsschwerpunkten Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht. Sie studierte in Regensburg und Paris. Seit Abschluss des Referendariats beim OLG Nürnberg arbeitet sie für die Kanzlei „Sibeth Partnerschaft“.