20.07.2016 Ausgabe: 5/2016

„Nachzügler“ ist nicht an die Abnahme des Gemeinschaftseigentums gebunden

(BGH, Urteil vom 25.2.2016, Az.: VII ZR 49/15)

DAS THEMA

Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums sorgt immer wieder für Zündstoff zwischen dem verkaufenden Bauträger und der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft. Grundsätzlich richtet sich die Mängelgewährleistung bei noch zu errichtenden Wohnungen nach dem Werkvertragsrecht. Dieses begünstigt den Erwerber insoweit, als es eine längere (fünfjährige) Verjährungsfrist vorsieht, die außerdem erst mit der Abnahme beginnt. Es ist umstritten, ab welchem Zeitpunkt nach Errichtung sich die Verjährung von Mängelansprüchen nur noch nach dem Kaufvertragsrecht richtet. Diesen Streit hatte der BGH hier allerdings nicht zu entscheiden. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die zukünftigen Wohnungseigentümer zu unterschiedlichen Fertigstellungszeitpunkten erwerben. Manche Kaufverträge werden auch erst einige Jahre nach der Fertigstellung und Abnahme des Gemeinschaftseigentums geschlossen. Umstritten war schon immer, ob die Verträge dieser sogenannten „Nachzügler“, die erst nach der Errichtung und dem Erstbezug erwerben, dem Werkvertragsrecht oder dem Kaufvertragsrecht unterliegen. Umstritten war insbesondere auch, inwieweit solche „Nachzügler“ an eine Abnahme gebunden sind, die in der Regel stattgefunden hat, lange bevor sie selbst erworben haben und daher keine Möglichkeit hatten, die Mängelfreiheit zu prüfen. Der BGH hatte nun Gelegenheit, insbesondere letztere Frage zu entscheiden.

DER FALL

Im entschiedenen Fall hatte Ende des Jahres 2004 ein Abnahmetermin zwischen der beklagten Bauträgerin und der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft, vertreten durch einige Eigentümer sowie die Verwalterin, stattgefunden; bei diesem Abnahmetermin wurde allerdings die Tiefgaragenzufahrt ausdrücklich nicht abgenommen. Erst zwei Jahre später, Ende 2006, fanden sich Erwerber für die Penthouse-Wohnung, die noch erhebliche Sonderwünsche hatten, welche die Beklagte nachträglich einbauen ließ. Sodann wurde über die Mängel verhandelt, die die Bauträgerin jedoch trotz mehrerer Versuche nicht nachbessern konnte. Die Ersterwerber traten schließlich ihre Rechte an die hiesige Klägerin ab. Im Mängelprozess hat die beklagte Bauträgerin insbesondere die Einrede der Verjährung erhoben. Im Kaufvertrag war formularvertraglich eine Klausel vereinbart worden, wonach „die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums bereits erfolgt ist“. Der BGH hat nun entschieden, dass eine solche Klausel, die den Erwerber an eine Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums bindet, an welcher er nicht teilnehmen konnte, jedenfalls in Verbraucherverträgen formularvertraglich nach § 309 Nr. 8b ff. BGB unwirksam ist. Dieses Klauselverbot untersagt eine Verkürzung der Verjährungsfrist. Durch die Rückverlagerung des Beginns der Verjährung auf eine vor Kaufvertragsschluss durchgeführte Abnahme wird die Dauer der Verjährungsfrist verkürzt. Dies gilt jedenfalls im Werkvertragsrecht. Das Werkvertragsrecht war im vorliegenden Fall anwendbar, da die Bauträgerin noch umfangreiche Sonderwünsche an der Penthouse-Wohnung, dem von den Rechtsvorgängern der Klägerin erworbenen Sondereigentum, umgesetzt hatte. Der BGH weist allerdings in einem Nebensatz darauf hin, dass er die bisherige Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts auch nach der Schuldrechtsreform wohl aufrechterhalten will.

Die formelle Unwirksamkeit dieser Klausel zu Lasten des Bauträgers gilt auch im vorliegenden Fall, obwohl eine Abnahme des  Gemeinschaftseigentums tatsächlich gar nicht stattgefunden hatte, sondern wegen Mängeln der Tiefgaragenzufahrt abgelehnt wurde. Die Unwirksamkeit nach AGB-Recht trifft nämlich immer nur den Verwender der Klausel. Der Klauselverwender kann sich hier nicht zu seinem Vorteil auf die tatsächlich fehlende Abnahme berufen. Er hat durch die Verwendung dieser Klausel den Eindruck erweckt, dass das Gemeinschaftseigentum bereits abgenommen worden sei, und muss sich nun daran festhalten lassen, alles andere wäre wider Treu und Glauben. Die Einrede der Verjährung greift daher nicht mit der Folge, dass dank der Nachzügler die Gemeinschaft noch Mängelbeseitigungsansprüche auch am Gemeinschaftseigentum durchsetzen kann.

Verwalter­strategie

Dem Verwalter, der die Abnahme bereits mit der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft durchführt, führt dieses Urteil erneut vor Augen, wie wichtig die Abnahme insbesondere des Gemeinschaftseigentums ist und welche entscheidenden Rechtsfolgen diese hat. Droht die Verjährung von Mängelansprüchen, so ist der Verwalter gut beraten, mögliche „Nachzügler“ mit ins Boot zu holen und gemeinsam mit ihnen deren Verträge daraufhin zu prüfen (prüfen zu lassen), ob diese Nachzügler und damit auch die Gemeinschaft verlängerte Mängelgewährleistungsfristen haben.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.