01.06.2016 Ausgabe: 4/2016

Nebenkosten-Verteilungsschlüssel nach Ermessen des Vermieters

(BGH, Urteil vom 5.11.2014, Az.: VIII ZR 257/13)

DAS THEMA

Zur vorliegenden Entscheidung befasste sich der BGH mit einem sehr speziellen Thema, das bei Betriebskostenabrechnungen jedoch immer wieder zu erheblichen Streitigkeiten führen kann. Eine ordnungsgemäße Betriebskostenabrechnung muss eine Darstellung der auf das Objekt entfallenden Gesamtkosten (hierzu ganz neu BGH vom 20.1.2016, VIII ZR 93/15), den Umlageschlüssel, den auf den Mieter entfallenden Betrag und die vom Mieter geleisteten Vorauszahlungen enthalten. In der vorliegenden Entscheidung beschäftigte sich der BGH mit dem Thema Umlageschlüssel. Hierzu gibt der Gesetzgeber in § 556a BGB vor, dass die Betriebskosten nach dem Anteil der Wohnfläche umzulegen sind bzw. bei erfasstem Verbrauch nach den unterschiedlichen Verbräuchen. Dies gilt jedoch nur, wenn die Vertragsparteien nicht etwas anderes vereinbart haben, was der BGH in der nachfolgend zu besprechenden Entscheidung hervorhebt.

DER FALL

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien ausdrücklich vereinbart, dass die Vermieterin den „Umlageschlüssel nach billigem Ermessen festlegen sollte, und zwar mit der Abrechnung über die Betriebskosten der ersten Abrechnungsperiode“. Dies erfolgte durch die Betriebskostenabrechnung für das erste Mietjahr, in der die Vermieterin für die strittigen Kostenpositionen Kaltwasser, Abwasser und Müll die Betriebskosten nach der jeweiligen Anzahl der Personen im Haushalt abrechnete und einen entsprechenden Nachzahlungsbetrag verlangte. Die Mieterin verlangte eine Abrechnung nach dem Flächenmaßstab, die ein Guthaben ergeben hätte.
Der BGH stellt fest, dass der Vermieterin durch die vertragliche Vereinbarung ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen eingeräumt wurde und diese Vereinbarung auch wirksam war. Bei der Vorgabe des § 556a BGB handelt es sich nämlich nicht um einen verbindlichen, gesetzlichen Umlageschlüssel, sondern nur um einen Umlageschlüssel, der lückenfüllend herangezogen werden soll, falls die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Der Flächenschlüssel ist durch eine andere Vereinbarung in vollem Umfang abdingbar. Eine solche andere Vereinbarung kann nicht nur in der Vereinbarung eines konkreten anderen Umlageschlüssels erfolgen, beispielsweise durch die Festschreibung des Personenschlüssels statt Fläche, sondern gerade auch durch die Festlegung, dass eine Partei den Umlageschlüssel nach billigem Ermessen bestimmen kann. Diese Vereinbarung ist auch formularvertraglich wirksam, da sie den Mieter nicht benachteiligt, weil die einseitige Festlegung durch die Vermieterseite jedenfalls (nach billigem Ermessen) so erfolgen kann und deshalb von den Gerichten überprüfbar ist. Einen Streit über die Frage, ob der Abrechnungsmaßstab nun tatsächlich billigem Ermessen entspricht, nehmen die Parteien durch diese Vereinbarung sehenden Auges in Kauf.

Verwalter­strategie

Die Entscheidung kann die mietvertragliche Festlegung bei der Nebenkostenabrechnung durchaus erleichtern, insbesondere bei neu errichteten Gebäuden oder aber, wenn die Abrechnungsschlüssel auf Dauer umgestellt werden sollen. Da dies jedoch nur sukzessive bei Mieterwechsel möglich ist, kann eine solche Vereinbarung dem Vermieter erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten verschaffen. Insbesondere bei der Vermietung von Eigentumswohnungen ist die Verwendung dieser Klausel vorteilhaft: Der Vermieter kann dann für die erste Betriebskostenabrechnung auf den Abrechnungsschlüssel, der in der WEG-Abrechnung verwandt wird, zurückgreifen. Es ist jedoch genauestens zu beachten, dass sich die Festlegung nach billigem Ermessen nur und ausschließlich auf den Umlagemaßstab bezieht, weder auf die abrechenbaren Betriebskosten, noch auf die weiteren Voraussetzungen einer wirksamen Betriebskostenabrechnung. Lediglich bei der Vereinbarung des Umlagemaßstabs lässt das Gesetz dem Vermieter die entsprechenden Freiheiten. Weiter ist bei der Festlegung eines solchen vermieterseitigen Gestaltungsrechts auf die darüber hinausgehenden formalen Voraussetzungen zu achten: Es muss klargestellt werden, zu welchem Zeitpunkt und wie der Vermieter dieses Gestaltungsrecht ausübt, wie z. B. hier mit der ersten Nebenkostenabrechnung nach Mietbeginn. Darüber hinaus muss das Leistungsbestimmungsrecht des Vermieters immer „nach billigem Ermessen“ ausgestaltet sein. Ein freies Leistungsbestimmungsrecht, welches nicht gerichtlich kontrollierbar wäre, dürfte wohl gegen das Recht des Formularvertrags verstoßen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.