01.12.2015 Ausgabe: 8/2015

Neue Fenster!

Die Erneuerung von Fenstern und Lüftung steht auf Platz 3 der wichtigsten Sanierungsmaßnahmen. Was aber ist dabei zu bedenken?

Nichts leichter als das? „Besorgen Sie bitte bis zur nächsten Eigentümerversammlung drei Angebote, die Fenster sollen ausgetauscht werden.“ Nun ja, selbst wenn es sich nur um lediglich drei Fensterformate für die 36 Wohnungen des Objekts handelt: Um die mängelfreie Ausführung durch alle Gewerke zu gewährleisten, bedarf es umfassender Fachplanung, die alle Faktoren berücksichtigt:

  • Fenster: Anschluss an Fensterbank innen und außen
  • Fugen: fachgerechter Anschluss an die Fassade
  • Umgebung: Heizkörpernischen und Rollläden
  • Raumklima: hinreichende Belüftung aller Räume
  • Sonnenschutz: Lichteinfall und Wärmeentwicklung
  • Technische Anforderungen: EnEV, Brand- und Schallschutz
  • Nutzerverhalten: sachgemäßer Betrieb und Wartung
  • Instandhaltung: Maßnahmen für langfristigen Werterhalt
Die Grundlage vergleichbarer Angebote

Ohne ausreichende Kenntnisse des Bestandes und die Berücksichtigung aller wesentlichen Aspekte sind vergleichbare Angebote nicht zu erstellen. So wird auch der Verwalter nicht darlegen können, welches Angebot fachgerecht, ausreichend und auf dieser Grundlage das günstigste für die WEG ist. Erforderlich ist zunächst eine Bestandsaufnahme, die auch die bevorstehenden Veränderungen einbezieht.

Alte Fenster besitzen eine deutlich schlechtere Wärmedämmung. Der U-Wert, also der Wärmedurchgangskoeffizient, alter Fenster liegt bei 2,5 bis 3,5 – der neuer Fenster zwischen 0,7 und 1,2. Sie lassen damit wesentlich weniger Kälte in den Raum.

Für einen geringeren U-Wert muss man aber auch einen geringeren G-Wert in Kauf nehmen. Der G-Wert der Verglasung drückt aus, wie viel Licht und Strahlungswärme durchs Fenster in den Raum dringen kann. Bei Neuverglasungen beträgt er oft nur noch 0,4 bis 0,6 und liegt damit deutlich unter dem der Bestandsverglasung von 0,7 bis 0,8. Die deutlich geringere Sonneneinstrahlung ist an heißen Sommertagen eine angenehme Begleiterscheinung. Im Winter aber bescherten G-Werte über 0,7 den Räumen auch solare Wärme und senkten den Heizbedarf.

Ein sehr niedriger G-Wert bedeutet zudem häufig auch eine etwas andere Farbskala des Lichts, das durchs Glas in den Raum fällt: weniger warme Rot-Orange-Gelbanteile, dafür mehr Blau-und Grautöne. Die Wahrnehmung des Lichts und der Atmosphäre im Raum wird sich dadurch etwas verändern.

Die Einbausituation

Die folgenden Anschlussdetails um die Fenster herum sind planerisch zu berücksichtigen: Heizkörpernischen sind im Bestand meist nicht gut gedämmt, wo doch gerade an der wärmsten Stelle hinter der Heizung das Mauerwerk die geringste Stärke hat.

Ungedämmte Rollladen-Kästen lassen Zugluft in den Innenraum und werden so zu Kältebrücken. Es lohnt sich, zu fragen, welche Rollläden von den Bewohnern wirklich regelmäßig genutzt werden: Nur an sehr kalten Tagen, als Sichtschutz im EG und gelegentlich als Sonnenschutz? So lässt sich ableiten, wie mit diesem Bauteil zu verfahren ist. Die Entfernung oder Stilllegung erscheint häufig nur konsequent. Sicht- und Sonnenschutz können auch auf andere Weise erfolgen. Beim neuen Fenster wird ein Rollladen als zusätzliche Luftschicht gegen eindringende Kälte ohnehin nicht mehr gebraucht.

Alte Fenster sind meist nur mangelhaft an die Fensterlaibung angeschlossen: Kälte dringt zwischen Fensterrahmen und Mauerwerk von außen nach innen, Luftfeuchte aus dem warmen Raum durch die Fugen nach außen, durchfeuchtet den Fensteranschluss, kühlt im Bauteil nach außen aus – und fördert die Schimmelbildung.

Das veränderte Raumklima

Mit dem einfachen Austausch, 1 : 1 alt gegen neu, ist es in der Regel nicht getan. Die höhere Wärmedämmung, der geringere Luftaustausch und die geänderten Anschluss-Details werden das Raumklima deutlich verändern. Wer dies nicht berücksichtigt, handelt sich Ärger durch Schimmel und Folgekosten ein.

Da neue Fenster im „alten“ Gebäude fast keinen Luftaustausch mehr zulassen, müsste man theoretisch alle zwei Stunden lüften – auch nachts.

Da neue Fenster wesentlich wärmere und luftdichtere Bauteile darstellen, steigt die Luftfeuchte innen deutlich, womit für die kältesten Teile des Raumes eine deutlich höhere Schimmelgefahr besteht, weil Feuchtigkeit sich an ihnen niederschlägt: an Fussbodenecken über kalten Kellern, an Raumecken zum Treppenhaus, Speicher oder schlecht isolierten Außenwänden, aber auch hinter großen Möbelstücken bei wandseitig geringer Luftzirkulation.

Eine hinreichende Lüftung muss also nach dem Fensteraustausch auch ohne Zutun der Bewohner gewährleistet sein. Sie ist für die Planung wesentlich. Die bestehende Entlüftung innenliegender Küchen und Bäder, die nach DIN 18017-3 zu planen und instand zu halten ist, reicht hierfür nicht aus. Nach den anerkannten Regeln der Technik muss für die gesamte Wohnung ein Luftaustausch von mindestens 0,5 h-1 Raumvolumen pro Stunde gegeben sein. Nach dem Einbau neuer Fenster beträgt er üblicherweise 0,2 h-1 bis 0,3 h-1.

Da standardisierte Herstellerangaben für den Nachweis einer ausreichenden Lüftung keine Aussagekraft haben, sind folgende Aspekte in der Planung zu berücksichtigen:

Größe und Lage der Wohnung: kann über Eck gelüftet werden, nur einseitig oder dreiseitig?
Höhe des Gebäudes: Wohnungen in über 15 m Höhe haben eine bessere Windströmung.
Art und Ausführung des Gebäudes: Bietet die Gebäudehülle den erforderlichen Feuchteschutz?

Welche Lüftung ist im Bestand nachrüstbar?

Außenluftdurchlässe (ALDs): Die Fenster werden bewusst erst abgedichtet und anschließend mit einem ALD im Fensterrahmen, der Laibung oder in der Brüstung versehen, um den erforderlichen Luftaustausch zu ermöglichen. Wichtig hierbei:

ALDs sind für alle Fenster gleich und nicht automatisch ausreichend, was einen rechnerischen Nachweis für jede Wohnung erfordert.
ALDs müssen zugänglich, also nicht hinter festen Heizkörpern, und dicht gegen Schlagregen sein.
Manuell verstellbare ALDs müssen verschließbar sein.
ALDs sind mit einem feinmaschigen Gitter gegen Insekten zu versehen.

ALDs sind eine geringere Investition als eine dezentrale Lüftung, erfordern aber sachgerechte Nutzung und Pflege. Da sie keine Wärmerückgewinnung ermöglichen, sind sie energetisch kein Gewinn, sondern lediglich ein Ausgleich für die alten undichten Fenster.

Dezentrale Raumlüftungsanlagen: Sie werden pro Wohneinheit nachgerüstet, was ohne Leitungsführung zu den einzelnen Wohnungen im Bestand wesentlich einfacher ist als eine zentrale Lösung. Auch Brand- und Schallschutzvorgaben sind so leichter zu erfüllen. Wesentlicher Vorteil aber ist die Wärmerückgewinnung (WRG), weil die Zuluft von der Abluft vorgewärmt wird, was 80 Prozent der Wärme im Haus hält. Zudem können die Anlagen gesteuert werden, sodass sie nur in Betrieb gehen, wenn die Raumluftqualität von den programmierten Werten für Feuchte, CO2, Temperatur abweicht. Das erspart das Öffnen der Fenster, verringert die Heizkosten deutlich und entlastet die Bewohner. Fachgerecht dimensioniert und programmiert werden sie in der Außenwand mit ein bis zwei Bohrungen für Zu- und Abluft sowie Elektroanschluss installiert – mit überschaubarem Aufwand und kurzer Amortisationszeit für die Investition.

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Huss, Andrea

Die Architektin ist Sachverständige für die Energieeinsparverordnung. Ihr Ingenieur-Büro Archi. Net Ingenieur Service hat sich auf die wirtschaftliche Sanierung von Gebäudehülle und Haustechnik für Wohnen, Gewerbe und öffentliche Bauten spezialisiert.
www.archi-net.info