20.01.2023 Ausgabe: 1/23

Nicht angreifbar machen!

Wie man die Anfechtbarkeit von Jahresabrechnungen auf Basis der Rechtsgrundlage seit 1. Dezember 2020 umgeht.

Mit Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes (WEMoG) hat sich u.a. die Grundlage des Beschlussgegenstands der Jahresabrechnung geändert. Die Eigentümer beschließen seither nicht mehr in Gänze über das zugrunde liegende Zahlen- bzw. Rechenwerk, bestehend aus Jahresgesamtabrechnung und den daraus resultierenden Einzelabrechnungen eines Kalenderjahres, sondern nur noch über die Ergebnisse der Einzelabrechnungen als solches (= Abrechnungsspitze).

Die Abrechnungsspitze je Sondereigentumseinheit ergibt sich durch die Gegenüberstellung der tatsächlich entstandenen Ausgaben und Einnahmen eines Kalenderjahres mit den Soll- Werten des rechtsgültigen Wirtschaftsplans. D. h. anhand der erstellten Jahresabrechnung kann zugleich erkannt werden, ob die prognostizierten Ausgaben und Einnahmen aus dem zuvor beschlossenen Wirtschaftsplan tatsächlich eingetreten bzw. geflossen sind. In der Praxis ergibt sich hier regelmäßig eine Differenz zwischen prognostizierten Werten und den tatsächlichen (geflossenen) Werten.

Ausschließlich die Abrechnungsspitze (im Ergebnis als Nachschuss oder als Anpassung des beschlossenen Vorschusses) je Sondereigentumseinheit ist Gegenstand der Beschlussfassung – auf Grundlage der Jahresabrechnung nach § 28 Abs. 2 S. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG).

Die Anfechtung einer Jahresabrechnung

Wird von Wohnungseigentümern eine Anfechtung der Jahresabrechnung in Betracht gezogen, so bezieht sie sich nur noch auf den Beschlussgegenstand (= Abrechnungsspitze). Das bedeutet,
dass im Gegensatz zu § 28 Abs. 3 a. F. WEG die Jahresabrechnung nicht mehr als „Rechenwerk“ pauschal anfechtbar ist.

Nach § 18 Abs. 1 WEG obliegt die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Zu berücksichtigen ist dabei, dass Adressat für Klagen gegen die Abrechnungsspitze der Jahresabrechnung somit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ist und nicht die bestellte WEG-Verwaltung.

Anfechtungsmöglichkeiten bei materiellem Mangel

In Jahresabrechnungen können Fehler auftreten. Wenn diese sich auf die Höhe der Abrechnungsspitzen, also auf die Ergebnisse der Einzelabrechnungen auswirken, kann der Beschluss angefochten werden. D. h. der Beschlussgegenstand – mit falscher Berechnung der Einzelergebnisse – kann aufgrund materiellen Mangels angefochten werden. Dies kann sich insoweit ergeben, wenn z. B. falsche Verteilerschlüssel angewandt oder in der Vergangenheit beschlossene Änderungen zu Verteilerschlüsseln nicht berücksichtigt wurden.

Aber: Ist der Beschlussgegenstand in der Höhe nicht fehlerhaft, wurden allerdings Fehler in der Darstellung (im Rechenwerk) gemacht (z. B. Kostenpositionen zusammengefasst), besteht keine Anfechtungsgrundlage. Allerdings haben die Sondereigentümer die Möglichkeit, von der WEG-Verwaltung eine Korrektur zu fordern.

Obgleich eine Anfechtung sich auf den Beschlussgegenstand bezieht, also auf die Höhe der Abrechnungsspitze je Sondereigentumseinheit, kann sich darüber hinaus dennoch ein formeller Mangel ergeben, wenn sich erhebliche Versäumnisse bzw. Fehler im Rechenwerk, der Grundlage der Berechnung der Abrechnungsspitze, zeigen.

Anfechtung wegen formellen Mangels

Fehlen in der Jahresabrechnung beispielsweise Angaben zum Ersteller, dem Erstellungsdatum und dem Abrechnungszeitraum, zum abzurechnenden Bezugsobjekt oder die Darstellung der gesamten Bewirtschaftungskosten für die Wohnungseigentumsanlage, ist dies ein formeller Mangel. Auch eine fehlende Stellungnahme zur Jahresabrechnung des Verwaltungsbeirates oder eine fehlende Vorlage der Jahresabrechnung zur Beschlussfassung gilt als formeller Mangel.

Anfechtungsgründe vermeiden

Nachdem die Jahresabrechnung als Rechenwerk nicht mehr im Fokus von Anfechtungen steht, müssen jedoch weiterhin grundsätzliche Anforderungen an die Jahresabrechnung erfüllt werden. Korrekt umgesetzt, können Anfechtungsgründe vermieden bzw. reduziert werden. 

Die Jahresabrechnung hat die Einnahmen und Ausgaben aus der Abrechnungsperiode zu enthalten, § Abs. 2 S. 2 WEG (Einnahmen-/Ausgabenrechnung). Die Geldflüsse bis zum Ende der Abrechnungsperiode sind darzustellen (Abflussprinzip). Abgrenzungen sind unzulässig, die einzige Ausnahme bildet die Darstellung der zu integrierenden Einzelergebnisse der Heizkostenabrechnung nach der Heizkostenverordnung. Hier gilt das bei Störungen im unterirdischen Ver-
und Entsorgungsnetz des Altbaubestandes sowie in Kellergrundleitungen Leistungsprinzip, d. h. zwingend sind hier die Kosten des im Abrechnungszeitraum verbrauchten Brennstoffs aufzunehmen, so das bedeutende Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 1.2.2012, Az. VIII ZR 156/11. Des Weiteren sind die Regelungen aus § 16 Abs. 1 und 2 WEG zu Nutzungen und Kosten zu beachten.

Gesamtabrechnung und Vermögensbericht

Bei der Rechenschaftspflicht ist die Vorschrift aus § 259 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und das BGH-Urteil vom 25.9.2020, Az. V ZR 80/19, zu beachten. Eigentümern muss es demnach möglich sein, die Abrechnung auf Schlüssigkeit zu überprüfen. Stimmt die Addition der Salden von Anfangs- und Endbestand der gemeinschaftlichen Konten mit dem Saldo der Gesamteinnahmen und -ausgaben laut Jahresabrechnung überein, so ist die Jahresabrechnung schlüssig und plausibel. Die Zusendung der Jahresabrechnung an die Wohnungseigentümer ist vor der Beschlussfassung vorzunehmen, damit eine Prüfung der Abrechnung durch die Wohnungseigentümer und den Verwaltungsbeirat gewährleistet ist.

Es entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn der Vermögensbericht als Teil der Jahresabrechnung erstellt und mit dieser den Wohnungseigentümern übermittelt wird. Der Vermögensbericht besteht aus Angaben zum Stand der gebildeten Rücklagen (= Ist-Bestand zum Stichtag) und zum wesentlichen Gemeinschaftsvermögen (inkl. Kontostände, Forderungen, Verbindlichkeiten und Vermögenswerte der Gemeinschaft zum Stichtag). Der Vermögensbericht obliegt nicht der Beschlussfassung.

Fazit

Die Reduzierung des Beschlussgegenstandes auf die Abrechnungsspitze schließt Auseinandersetzungen über die Jahresrechnung aus, bei denen es nicht um das Endergebnis (Abrechnungsspitze), sondern um die Gesamtabrechnung und deren Darstellung geht. Der BGH hat mit Urteil vom 26.2.2021, Az. V ZR 290/19, ausgeführt, dass der Verwalter „[…] diese Jahresabrechnung den Wohnungseigentümern zur Vorbereitung der Beschlussfassung vorzulegen hat […]“.  Es empfiehlt sich daher, die Jahresabrechnung und den Vermögensbericht mit der gebotenen Fachkunde und Sorgfalt zu erstellen, damit auch nach erfolgter Schlüssigkeitsprüfung durch Beirat und Wohnungseigentümer keine Anfechtungsgründe auftreten können.

 

Elge, Walburga