22.07.2022 Ausgabe: 5/22

Nicht nachmachen! - Die größten Fehler bei der Balkonsanierung, und wie man ohne sie späteren Ärger vermeidet.

Ein Balkon ist im Grunde lediglich eine erhöhte begehbare Plattform – für Nutzer hingegen meist deutlich mehr: erweitertes Wohnzimmer, zusätzlicher Stauraum, Ort der Entspannung. Wie auch immer Balkone genutzt werden, nüchtern und rein bautechnisch betrachtet, stellen sie exponierte und oft reparaturanfällige Bauteile dar. Vielfältige Konstruktionen gibt es: auskragend, von Kragträgern gehalten, aus Stahlbeton, Metall oder Holz konst­ruiert, mit Geländern in verschiedensten Formen und aus unterschiedlichen Mate­rialien, offen, verglast oder nachträglich vorgesetzt. Im Wohnungsbau besteht die Tragkonstruktion meist aus Stahlbeton, und das ist ein zwar sehr stabiler, aber auch sehr sensibler Baustoff. So steht in jedem Fall irgendwann die Balkonsanierung auf der Tagesordnung – verbunden mit vie­len Fallstricken. Widmen wir uns also den größten Fehlern, die man dabei machen kann, und wie man sie umgeht, um spä­teren Problemen möglichst vorzubeugen.


Fehler Nr. 1:
Wir brauchen keinen Ingenieur!

Als Inhaber eines Ingenieurbüros, das mitt­lerweile über 600 Balkon- und Fassadensa­nierungen durchgeführt hat, ist mir dieser Satz hinreichend bekannt. Meine Empfehlung: Sparen Sie sich den sachkun­digen Ingenieur zur Beurteilung des Zustandes einer Bal­konanlage nur, wenn ein Ingenieur bestä­tigt hat, dass Sie ohne sachkundigen Planer auskommen.

Einen guten Planer erkennt man u. a. daran, dass er nichts verkaufen muss! Schon aus Haftungs­gründen sollte man eine solche Ent­scheidung keines­falls allein treffen und nicht ohne sich vorher gegen die daraus resultieren­den Risiken zu ver­sichern. Oft wird leider übersehen, 


Fehler Nr. 2:
Eine Bauwerksuntersuchung ist rausgeschmissenes Geld!

Steht einmal fest, dass eine Balkonsani­erung wohl ansteht, ist es für den spä­teren Instandsetzungserfolg von größter Bedeutung, zuvor eine eingehende Untersuchung des Ist-Zustandes vorzu­nehmen. Nur sie gewährleistet, dass in der späteren Ausschreibung alle erforder­lichen Leistungen auch richtig dargestellt werden. Bei einer Stahlbetonkonstruktion gehört u. a. dies dazu:

  • Visuelle Aufnahme des Bestandes (Beläge, Geländer, Dämmungen, Anstriche, Konstruktion etc.)
  • Feststellung von Hohllagen im Bodenbelag
  • Messung der Karbonatisierungstiefe an den verschiedenen Bautei­len (Achtung: zerstörerisch!)
  • Messung der Betonüber­deckungen
  • Gitterschnittprüfungen zur Feststellung der Haftung des Altanstrichs
  • Sondierung des Bodenaufbaus, z. B. durch Bohrkernentnahme etc.
  • Ggf. Chloridprüfung (z. B. bei Lau­bengängen mit Salzstreuung oder „Raucherbalkonen“)
  • Untersuchung auf Schadstoffe (Asbest, PCB etc.)

Eine Fehleinschätzung kann katastrophale Folgen haben. Bestenfalls ist lediglich ein „Nachtrag“ bei der späteren Ausführung fällig. Schlimm aber wird es, wenn sich die Brüstung eines Balkons als tragender Über­zug herausstellt, der eben nicht einfach durch ein modernes Aluminiumgeländer ersetzt werden kann.

Der Umfang der Untersuchungen sollte darauf ausgerichtet werden, dass nach Vor­lage der Ergebnisse eine weitere Untersu­chung mit hoher Wahrscheinlichkeit keine neuen wesentlich kostenrelevanten Infor­mationen und Erkenntnisse mehr zutage bringt. Lassen Sie sich hierzu im Vorfeld von einem erfahrenen Planer beraten.


Fehler Nr. 3:
Wir holen Angebote von Fachfirmen ein, die vorherige Planung ist zu teuer!

Mit den Ergebnissen der Bauwerksuntersu­chung wird nach den Vorgaben der Tech­nischen Regel – Instandhaltung (TR-IH) ein Plan der erforderlichen Sanierungs­maßnahmen erarbeitet und anschließend ein Leistungsverzeichnis (LV) erstellt. Das Leistungsverzeichnis ist die „Anleitung“ für den ausführenden Handwerker, wel­che Arbeiten mit welchen Materialien an welchen Bauteilen auszuführen sind. Ist das LV vollständig, praxisnah und übersichtlich ausgearbeitet, ist der Grundstein für eine erfolgreiche Balkonsanierung ohne Kos­tenüberschreitungen gelegt.

In der Praxis gibt es die Tendenz, sich dies aus Kostengründen zu sparen und statt­dessen gleich ein Angebot von einer „Fach­firma“ für die erforderlichen Leistungen einzuholen. Dazu folgende Frage: Hat eine kompetente Fachfirma mit Kenntnis der geltenden gesetzlichen Vorschriften wirk­lich die Zeit für eine detaillierte Planung, inklusive Ermittlung der Mengen, Bewer­tung von Untersuchungsergebnissen und exakter Vorgabe der Leistungen, nachdem sie sich zuvor über den gewünschten Soll-Zustand mit dem Auftraggeber abgestimmt hat und dann auch noch die Planungshaf­tung übernehmen soll? Falls es tatsächlich gelingt, auf diese Weise drei Angebote ein­zuholen, wird man sie kaum vergleichen können. Eindringlicher Appell: Bei Sanierungen, die unter die Vorgaben der TR-IH fallen (z. B. Stahlbetonkonstruktionen) ist die Erstellung eines Leistungs­verzeichnisses unerlässlich.


Fehler Nr. 4:
Der billigste Anbieter kriegt den Auftrag.

Zur Einholung von Vergleichs­angeboten wird das Leistungs­verzeichnis an mehrere Anbieter versandt. Anzuraten ist hierbei, in Abstimmung mit dem sachkun­digen Planer im Vorfeld geeig­nete Unternehmen auszuwählen, die über erforderliche Qualifi­kationen und entsprechende Referenzen verfügen. Die Her­ausforderung besteht darin, nur geeignete Unternehmen auf die Bieterliste zu setzen. Wenn alle dazu qualifiziert sind, die Arbei­ten fachgerecht auszuführen, ist es letztlich gleich, wer beauftragt wird. Vermeiden sollte man es, im Nachgang „den Billigsten“ zu suchen und die Ausschreibungsunterlagen an zig weitere Firmen zu versenden, ohne zuvor deren Qualifikation und Referenzen zu überprüfen.


Fehler Nr. 5:
Eine Bauleitung brauchen wir nicht!

Wesentlich für eine erfolgreiche Balkonsa­nierung ist die nach TR-IH vorgeschriebene Bauüberwachung. Ihr Aufgabenspektrum reicht von der Dokumentation der Arbei­ten über die Klärung von Details auf der Baustelle bis hin zur Beurteilung der Stand­sicherheit und Überwachung der ausge­führten Arbeiten, umfasst Aufmaßkontrolle und die Prüfung verwendeter Materia­lien sowie der Verarbeitungsbedingungen. Als Bindeglied zwischen der ausführenden Firma und dem Auftraggeber ist die Bau­überwachung dringend erforderlich.


Fehler Nr. 6:
Teilsanierung, das reicht schon!

Dazu zwei Beispiele: An gefliesten Balkon­böden soll oft nichts gemacht werden, weil sie ja „noch schön“ sind. Sofern aber keine Abdichtung unter den Fliesen vorhanden ist, müssen die Böden saniert werden. Auch bei auskragenden, frei bewitterten Balko­nen sollten im Zug einer Sanierung drin­gend die Estriche erneuert werden. Hier ist die obere Bewehrungslage für die Lastauf­nahme zuständig. Ist sie beschädigt, kann es zum Balkonabsturz kommen. Ohne das Entfernen des Estrichs können solche Schä­den nicht erkannt werden.


Fehler Nr. 7:
Inspektion ist überflüssig!

Nach einer erfolgreichen Balkonsanierung erfolgt die Abnahme, und das Objekt kann wieder genutzt werden. Oft wird dabei übersehen, dass kleine Ursachen große Wirkung zeigen können. Keine Frage, regelmäßige Inspektionsbegehun­gen sind auf Balkonen schwerlich möglich. So findet die erste Nachbegehung meist erst vor Ablauf der Gewährleistungsfrist statt. Sinnvoll ist es aber, die Inspektion auf Wiedervorlage zu setzen, etwa indem man in Abstimmung mit dem Planer eine reduzierte Variante mit stichprobenartiger Prüfung ausgewählter Balkone erarbei­tet – für die Zeit bis zur nächsten großen Begehung.


FAZIT
Die größten Fehler, die bei Balkonsanierungen gemacht werden, liegen tatsächlich im Bereich der Planung. Fehlerquel­len birgt zudem auch die Ausführung, bei­spielsweise die Verar­beitung der Materialien, wenn aus Messfehlern falsche Mischungsver­hältnisse entstehen, die später unmittelbar zu Mängeln führen kön­nen. Menschen machen nun einmal Fehler. Gute und aufeinander abge­stimmte Vorbereitung und Planung einer Maß­nahme bis hin zur Bau­überwachung kann die Fehlerquote signifikant reduzieren und zum Ziel einer gelungenen Bal­konsanierung führen. Regelmäßige Objekt­begehungen zu Inspek­tionszwecken lassen erneuten Sanierungs­bedarf in weite Ferne rücken.

Eger, Rainer

Dipl.-Ing. Rainer Eger plant und begleitet seit über 20 Jahren Maßnahmen der Beton- und Bauwerkinstandsetzung. Die praxisnahe Planung von Betonsanierungen ist sein persönliches Anliegen. www.eger-ing.de