10.03.2022 Ausgabe: 2/22

Nichts geht übers Original - Was bei der Digitalisierung von Verwaltungsunterlagen zu berücksichtigen ist.

Verwaltungsunterlagen gehören als Bestandteil des Verbandsvermögens der Eigentümergemeinschaft, der damit auch die Entscheidungskompetenz zusteht. Der Verwalter darf ohne Beschlussfassung nur Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung treffen, § 27 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Die bloße Digitalisierung ohne Vernichtung der Originale kann von untergeordneter Bedeutung sein, weil ein „Mehr“ geschaffen wird. Die Vernichtung der Originale ist aber nicht darunter zu fassen, denn der Begriff der Verwaltung impliziert eine bewahrende Tätigkeit, nicht eine irreversibel vernichtende. Verwalter sollten sich deshalb in keinem Falle anmaßen, ohne Beschlussfassung über eine Vernichtung zu entscheiden. Auch eine entsprechende – ohnehin meist überraschende – Ermächtigung im Verwaltervertrag wird dafür in der Regel keine belastbare Grundlage bieten.


Was Gesetze und Normen vorsehen
Das Gesetz enthält keine Regelung, wie Verwaltungsunterlagen aufzubewahren sind. Im Zweifel ist eine Form zu wählen, die dem Bewahrungs- und Erhaltungsinteresse angemessen Rechnung trägt. Das beinhaltet den Schutz vor unberechtigtem Zugriff Dritter, vor Manipulation und Beschädigung sowie die Möglichkeit der jederzeitigen Belegeinsicht und Herausgabe, denn das Verwalteramt kann jederzeit enden. Zudem wird der Verwalter entsprechende Datenschutzstandards gewährleisten müssen. Strebt der Verwalter dagegen, weil er nicht vorwiegend im eigenen Interesse eines papierlosen Büros, sondern auf Wunsch der Eigentümergemeinschaft tätig wird, eine Vergütung für den Aufwand an, bedarf es dazu einer Vereinbarung im Verwaltervertrag oder einer gesonderten Bewilligung durch den Vertragspartner des Verwalters, also einer Beschlussfassung.

Soll die Digitalisierung auch dem Zweck der Belegeinsicht gemäß § 18 Abs. 4 WEG bzw. bei vermietetem Sondereigentum für die Betriebskostenabrechnung dienen, sind Standards zu wählen, die weitestgehende Sicherheit bieten, dass der Scan auch vollständig und unverändert das Original abbildet. Gefordert wird hier die Einhaltung der Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) bzw. der Technischen Richtlinie 03138 Ersetzendes Scannen des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI TR-03138 (RESISCAN)) bzw. allgemein der Richtlinien des BSI1, d. h. insbesondere je nach Einzelfall und Zumutbarkeit:

■ ein internes Kontrollsystem für Zugriffsberechtigungen, Fehler in der Erfassung oder Verarbeitung, zum Schutz gegen nachträgliche Verfälschung, für geordnete Aufbewahrung (Auffndbarkeit), maschinelle Auswertbarkeit, den Ausschluss von Veränderungen bei der Konvertierung und die Dokumentation des Verfahrens,

■ eine Organisationsanweisung zur Person der Erfassungsberechtigten, wann und welche Schriftstücke zu erfassen sind, wann Farb-Scans erforderlich sind, wie die Qualitätskontrolle durchzuführen ist (Vollständigkeit, Lesbarkeit), wie Fehler zu protokollieren sind;

■ die jederzeitige Herstellung der Lesbarkeit.


Das Recht auf Belegeinsicht
Gerichtliche Entscheidungen betreffen weitgehend nur das Mietrecht, i. d. R. die Belegeinsicht. Grundsätzlich bezieht sich der Anspruch auf Einsicht auf das Original, sofern es noch existiert2. Über den Umfang noch vorhandener Originale muss der Einsicht Gewährende Auskunft erteilen3 . Die unterinstanzliche Rechtsprechung unterstützt also das papierlose Büro als technische Weiterentwicklung durchaus4 . Außerdem sei es faktisch unmöglich, jedem Mieter die Originaleinsicht bis zum Ablauf der Einwendungsfrist nach § 556 Abs. 3 BGB zu gewähren, wenn der Vermieter ein Großvermieter ist, so Lützenkirchen1 , der auch auf die Möglichkeit der eidesstattlichen Versicherung des Vermieters nach § 259 Abs. 2 BGB verweist, wenn Zweifel an der Richtigkeit der digitalisierten Dokumente bestehen, oder aber auf Vorlage einer beim Rechnungssteller einzuholenden Zweitschrift. Gerichte holen zuweilen Sachverständigengutachten über die Beweiskraft der digitalisierten Dokumente ein. Bestätigt der Gutachter die Fälschungssicherheit nach Prüfung der internen Abläufe, sodass eine Fälschung nahezu ausgeschlossen erscheint, werden die gescannten Dokumente als „originalgleich“ akzeptiert5 . Mieter müssten dann vortragen, weshalb der Scan mit dem Original nicht identisch sei6 . Dennoch wird empfohlen, die Originale bis zur Erfüllung der Ansprüche aufzubewahren7 , denn gerichtlich kann durchaus das Original als einziger Beleg akzeptiert werden, §§ 422, 440, 810 Zivilprozessordnung (ZPO). Dagegen beharrt der BGH weiterhin auf dem Anspruch des Mieters auf Originalbelegeinsicht8 . Nur im Ausnahmefall könne hiervon nach dem Grundsatz von Treu und Glauben abgewichen werden, wobei der Vermieter aber stets die Authentizität und Unverfälschtheit beweisen müsse.


Was kann beschlossen werden?
Die Digitalisierung gewinnt, auch durch Einführung von Eigentümerportalen, sogenannten Cloud-Lösungen usw., an Praxisrelevanz und kann durch Mehrheitsbeschluss etabliert werden. Zu beschließen ist dabei über das Wie, also über die zu wahrenden Standards, die Art und Weise sowie die Kostenumlage. Für den Zwang zur Nutzung von Portalen etc. gibt es aber keine Beschlusskompetenz9 .

Unklar ist die Rechtslage in Bezug auf die Vernichtung digitalisierter Dokumente, die grundsätzlich nur nach Beschlussfassung erfolgen darf. Ein Vernichtungsbeschluss wird nur dann ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen, wenn er mindestens folgende Einschränkungen berücksichtigt: Die Vernichtung von Dokumenten muss datenschutzgerecht, also sicher erfolgen. Sie in den Papierkorb zu werfen, ist keine Option. Zu wählen ist eine dokumentierte, dem Zugriff Dritter auf Dauer entzogene Vernichtung. Außerdem sollten folgende Unterlagen niemals vernichtet werden:

■ Versammlungsprotokolle, weil sie als Privaturkunde für alle Zukunft den vollen Beweis erbringen, dass die darin enthaltenen Erklärungen tatsächlich so von den Ausstellern abgegeben worden sind, § 416 ZPO, § 24 Abs. 6 WEG10. Die enthaltenen Beschlüsse wirken zeitlich unbefristet auch für jeden Rechtsnachfolger.

■ Baupläne (mit Originalstempel)

■ Vereinbarungen der Eigentümer (Teilungserklärung, Gemeinschaftsordnung, Nachträge) in Schrift- oder notarieller Form Laufende Verträge, insbesondere wenn diese eine bestimmte Form wahren müssen (langfristige Mietverträge), sind im Original für die Dauer des Vertrages bis zur vollständigen Abwicklung (ohne zu befürchtende Regressforderungen) aufzubewahren und erst dann zu vernichten.

Vollstreckbare Titel, z. B. Zahlungsurteile, werden für eine Zwangsvollstreckung zwingend im Original benötigt. Nach erfolgreicher Beitreibung ist der Schuldtitel ohnehin zu entwerten und im Original an den Schuldner auszuhändigen. Die Beschlusssammlung bedarf keiner Mindestform und wird ohnehin meist digital geführt.


Die Aufbewahrungsfristen
Im Übrigen wird zumeist auf steuerliche Regelungen in § 147 Abgabenordnung (AO) oder kaufmännische Regelungen in § 257 Handelsgesetzbuch (HGB) verwiesen11 . Demnach wäre Korrespondenz für sechs Jahre aufzuheben12 , für Wirtschaftspläne und Jahresabrechnungen gelten dagegen zehn Jahre13 . Letzteres ist schon deshalb zweifelhaft, weil Pläne und Abrechnungen ohnehin digital erstellt und nur für die Übersendung ausgedruckt werden. Kürzere Aufbewahrungsfristen sind vereinbarungsfähig, längere können auch beschlossen werden14 . Nach anderer Ansicht15 sind die handels- und abgabenrechtlichen Bestimmungen nicht einmal sinngemäß anzuwenden, weil die Eigentümergemeinschaft eben kein Unternehmer sei und die Unternehmereigenschaft des Verwalters irrelevant. Die Rechnungsbelege benötige ein einzelner Eigentümer, dessen Abrechnungssaldo bestandskräftig beschlossen ist, nicht, weil der Beleg für das Finanzamt die Abrechnung selbst sei. Indessen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 17.12.2020, Az. C-449/19, bekanntlich entschieden, dass die Eigentümergemeinschaft der Umsatzsteuerpflicht und damit auch unternehmerischen Pflichten unterliegt.
 

 

1 vgl. Lützenkirchen NZM 2018, 266; 2 vgl. Jennißen WEG, 7. Auflage 2021,
§ 18 Rn. 149; a. A. LG Berlin, Az. 63 S 192/17 und LG Freiburg, Az. 3
S 348/10; 3 LG Hamburg, Az. 418 HKO 117; 4 s. a. BeckOK Miet-
recht, Stand 1.11.2021, § 556 Rn. 1514 m. w. N., LG Berlin, Az. 63 S
192/17; 5 LG Hamburg, Az. 311 S 123/02; 6 OLG Düsseldorf,
Az. 10 U 29/125; 7 vgl. BeckOK a.a.O. Rn. 1550; 8 BGH, Urteil
vom 15.12.2021, Az. VIII ZR 66/20; 9 vgl. Dötsch/Schultzky/
Zschieschack, WEG-Recht 2021, D. Rn. 27; 10 vgl. Röll, Hand-
buch für Wohnungseigentümer und Verwalter, 2018, VIII. Rn.
820; 11 AG Königstein i. Ts., Az. 3 UR II 29/99; 12 vgl. AG Reck-
linghausen, Az. 11 II 17/91; AG München, Az. UR II 424/89; 13 AG
Seegeberg, Az. 17 C 186/10; 14 vgl. Hügel/ Elzer a.a.O., Rn. 141; OLG
München, Beschluss vom 20.3.2008, Az. 34 Wx 46/07; 15 Greiner ZMR 2018, 131
 

Walther, Noreen

Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist in der Chemnitzer Kanzlei Strunz, Alter insbesondere in den Bereichen Wohnungseigentumsrecht sowie Wohnungs- und Gewerberaummietrecht tätig. www.strunz-alter.de