22.01.2018 Ausgabe: 1/2018

Nutzung einer Teileigentumseinheit als Flüchtlingsunterkunft

(BGH, Urteil vom 27.10.2017 – V ZR 193/16)

DAS THEMA

Nicht immer ist eindeutig, ob die beabsichtigte Nutzung einer Miteigentumseinheit als Wohnnutzung einzustufen ist oder nicht. Bereits entschieden hat der BGH, dass auch die Vermietung an wechselnde Feriengäste als „Wohnnutzung“ zu qualifizieren ist, die damit in einem als „Wohnungseigentumseinheit“ bezeichneten Sondereigentum zulässig sein muss (BGH, Urteil vom 12.11.2010 – V ZR 78/10). Dagegen soll grundsätzlich eine Nutzung als Heim oder heimähnliche Einrichtung keine „Wohnnutzung“ sein und deshalb in einer Teileigentumseinheit möglich sein. Problematisch sind insbesondere die Fälle in der Grauzone, bei denen nicht ganz klar ist, ob es sich tendenziell um eine eher heimartige Nutzung handelt oder um eine Nutzung, die zwar wechselnde Bewohner vorsieht, aber dennoch dem „klassischen Wohnen“ zuzuordnen ist. Mit dieser Entscheidung stellt der BGH recht klare Kriterien dafür auf, was eine Nutzung als „Heim“ kennzeichnen soll.

DER FALL

Die streitende Wohnungseigentümergemeinschaft besteht aus zwei Einheiten, von denen die Einheit der Klägerin (Nr. 2) als Arztpraxis betrieben wird, die andere (Nr. 1) beherbergte über viele Jahre ein Altenheim und steht seit dem Jahr 2003 leer. In der Teilungserklärung findet sich folgende Regelung:

„Herr XY teilt hiermit das Eigentum […] in der Weise in Miteigentumsanteile auf, dass mit jedem Miteigentumsanteil das Sondereigentum an bestimmten, nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen verbunden wird.“

Der Eigentümer der Einheit Nr. 1 beabsichtigt nunmehr, dort ein Arbeiterwohnheim einzurichten, alternativ eine Unterkunft für Asylbewerber oder Flüchtlinge. Die Klägerin erhob dagegen Unterlassungsklage mit dem Ziel, der Beklagten zu untersagen, im Teileigentum Nr. 1 eine Unterkunft für „Arbeiter, Asylbewerber, Flüchtlinge oder sonstige in den Raum München Zugezogene oder Gestrandete zu betreiben oder von Dritten betreiben zu lassen.“ Während die Klage in den ersten beiden Instanzen erfolgreich war, wies der BGH sie ab.

Er führte in seiner Entscheidung zunächst aus, dass sich die Grundtypen der Nutzungsbefugnis gem. § 1 WEG grundsätzlich (wenn in der Teilungserklärung nichts anderes vereinbart ist) ausschließen. In einer Wohnungseigentumseinheit soll jede Art der Wohnnutzung zulässig sein, während eine Teileigentumseinheit jedem Nutzungszweck dienen soll, der nicht dem Wohnen zuzuordnen ist. Den Begriff „Wohnen“ will der BGH weit verstehen, entscheidend ist jedenfalls, welche Nutzung in der Wohnung selbst stattfindet. Eine Nutzung als Heim ordnet das oberste Zivilgericht nicht mehr der Wohnnutzung zu. Ob eine Nutzung als Heim vorliegt, soll nach den vom BGH entwickelten Kriterien dadurch gekennzeichnet sein, dass die Unterkunft in einer für eine Vielzahl von Menschen bestimmten Einrichtung erfolgt, deren Bestand von den jeweiligen Bewohnern unabhängig ist und in der eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises tritt. Die Grenze einer Wohnnutzung ist dann überschritten, wenn die Nutzung nicht durch eine schlichte Unterkunft, sondern durch die von der Einrichtung vorgegebene Organisationsstruktur und durch Dienst- oder Pflegeleistungen oder durch Überwachung/Kontrolle geprägt wird.

Diese Kriterien sieht der BGH für die hier beabsichtigte Nutzung als Arbeiter- oder Flüchtlingsunterkunft als gegeben an, weil die Unterbringung nicht in separaten Wohnungen erfolgen soll, sondern in einer Gemeinschaftsunterkunft. Entscheidend ist dabei einerseits die bauliche Beschaffenheit der Teileigentumseinheit Nr. 1 (ehemaliges Altenheim), andererseits aber auch die Unterbringung in Mehrbettzimmern mit gemeinschaftlicher Nutzung von Küche und Sanitäranlagen und die Aufstellung von Verhaltensregeln etwa in Hinblick auf Ruhezeiten, Nutzung der Gemeinschaftsanlagen oder auch Schlichtung von Konflikten unter den Bewohnern.

VERWALTERSTRATEGIE

Der BGH hat mit dieser Entscheidung nunmehr relativ klare Kriterien aufgestellt, die bei einem Streit in der Eigentümergemeinschaft über die Zulässigkeit einer beabsichtigten Nutzung weiterhelfen können. Neben den gesetzlichen Regelungen sind aber stets auch die Vereinbarungen zu berücksichtigen, die in der Eigentümergemeinschaft gelten, etwa in der Teilungserklärung. Betont wird in dieser Entscheidung auch nochmals, dass die Nutzung als Ferienwohnung in einer Wohnungseigentumseinheit nach der gesetzlichen Regelung zulässig ist und dass umgekehrt jede „heimartige“ Nutzung nur in einer Teileigentumseinheit stattfinden kann.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.