01.09.2015 Ausgabe: 6/2015

Persönlich – dinglich?

„Hauptsache, ich bekomme mein Geld,“ möchte man sagen. Aber: ­Welche ­Folgen hat die höchstrichterliche ­Einordnung der Hausgeldansprüche für den ­Immobilienverwalter?

Der Bundesgerichtshof hat in einer vielbeachteten Grundsatzentscheidung am Freitag, den 13.9.2013 entgegen der bis dahin ganz herrschenden Meinung entschieden, dass nach seiner Auffassung wohnungseigentumsrechtlichen Hausgeldansprüchen kein dinglicher Charakter zukomme (BGHZ 198, 216 = NJW 2013, 3515 = ZfIR 2013, 806 = ZMR 2014, 80 = ZWE 2013, 466). Was bedeutet das für den WEG-Verwalter?

Von sog. dinglichen Ansprüchen ist dann die Rede, wenn nicht nur eine persönliche Rechtsbeziehung zwischen zwei Vertragspartnern wie z. B. beim Abschluss eines Kaufvertrages vorliegt, sondern der Anspruch sich auf ein dingliches Recht stützt. Besonderes Merkmal dinglicher Ansprüche ist die untrennbare Verknüpfung mit der Sache, die Wirkung gegenüber jedermann beanspruchen kann.

In Bezug auf eine Immobilie lässt sich die Unterscheidung wie folgt veranschaulichen: Wenn Sie als Eigentümer eines Einfamilienhauses eine Tageszeitung abonniert haben und für Sie ein Gärtner tätig ist, so handelt es sich um typische schuldrechtliche Verträge, die nur zwischen Ihnen und dem Verlag bzw. dem Gärtner Wirkung entfalten. Dass man diese Verträge möglicherweise nur deshalb abgeschlossen hat, weil man Eigentümer dieser Immobilie ist, spielt in dem Zusammenhang keine Rolle. Es ist nämlich ohne weiteres einsichtig, dass bei einem Wegzug mit einer damit verbundenen Veräußerung der Immobilie diese Rechtsbeziehungen keineswegs „automatisch“ dem Erwerber hinterlassen werden. Weder das Zeitungs-Abo noch der Gärtner „kleben“ also an der Immobilie in dem Sinne, dass ein Erwerber des Hauses kraft Gesetzes in diese vorher begründete Rechtsbeziehungen eintritt. Hierfür hätte es einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung wie z. B. für die dinglichen Rechte des BGB (u. a. Dienstbarkeiten und Grundpfandrechte) bedurft.

Für den Bereich des Wohnungseigentums hatte nun die ganz überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur eine solche gesetzliche Regelung in § 10 Abs. 1 ZVG gesehen. Der BGH verneinte dies jedoch unter Hinweis auf den allein verfahrensrechtlichen Charakter dieser Vorschrift.

Die praktischen Auswirkungen
Die Auswirkungen des Meinungsstreits zeigen sich für den Immobilienverwalter auch heute noch ganz konkret, obwohl der BGH inzwischen in einem wesentlichen Punkt (Auflassungsvormerkung) bereits „gegengesteuert“ hat. Exemplarisch soll die immense wirtschaftliche Tragweite der unterschiedlichen rechtlichen Einordnung für die Eigentümergemeinschaften aufgezeigt werden.

Beschränkte Ausnutzung des ­Vollstreckungsprivilegs

Seit der WEG-Novelle aus dem Jahr 2007 umfasst das Vollstreckungsprivileg der  Wohnungseigentümergemeinschaften in der 2. Rangklasse die laufenden und die rückständigen Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Jahren. Das Vorrecht einschließlich aller Nebenleistungen ist dabei begrenzt auf Beträge in Höhe von nicht mehr als 5 Prozent des festgesetzten Verkehrswertes.

Dieser Vorrechtsrahmen kann jedoch u. U. nicht (vollständig) ausgeschöpft werden, wenn ein Eigentumswechsel eintreten sollte. Nach Ansicht des BGH führt ein solcher Eigentumswechsel nämlich zu einem Untergang der Vollstreckungsmöglichkeiten in das Wohnungseigentum wegen der noch persönlich gegen den Voreigentümer gerichteten Hausgeldansprüche. Eine Umschreibung der Vollstreckungsklausel ist danach also nicht möglich. Es bedarf ggf. einer neuerlichen Titulierung der nach dem Eigentumswechsel neu entstehenden persönlichen Ansprüche gegen den Nachfolger im Eigentum. Der ursprüngliche Vorrechtsrahmen kann dabei aber wegen der vom BGH vorgenommenen persönlichen Zuordnung der Hausgeldansprüche nicht mehr erfasst werden; er ist für den Verband Wohnungseigentümergemeinschaft – jedenfalls für eine Zwangsvollstreckung in das Wohnungseigentum – verloren. Umgekehrt stößt eine Titulierung gegen den rechtsgeschäftlichen Erwerber ebenfalls an diese personale Schranke; hier können nur solche Ansprüche tituliert werden, die auch während der Zeit seiner Eigentümerstellung rückständig geworden sind.

Eigentümergemeinschaften müssen sich also u. U. mit einer Verkürzung des im Gesetz genannten Vorrechtsrahmens bei der Durchsetzung ihrer Hausgeldansprüche in das Wohnungseigentum zufrieden geben.

Vereitelung der ­Zwangsversteigerung

Vor diesem Hintergrund muss eine Wohnungseigentümergemeinschaft bemüht sein, möglichst schnell die Beschlagnahme des Wohnungseigentums durch Anordnung der Zwangsversteigerung zu bewirken. Nur auf diese Weise kann sie als Gläubigerin von dem gesetzlich geregelten Veräußerungsverbot profitieren. Bis zur notwendigen Titulierung ihrer Ansprüche ist die Wohnungseigentümergemeinschaft allerdings nicht gegen eine Veräußerung des Wohnungseigentums geschützt. Insbesondere Eigentumsübertragungen im „Dunstkreis“ des Hausgeldschuldners werden damit zu einem „Hase-Igel-Wettlauf“ führen, der unter Zeit- und Kostengesichtspunkten für den Verband de facto eine Zwangsversteigerung unmöglich machen kann. Auch ist vorstellbar, dass insbesondere Grundpfandrechtsgläubiger eine „rechtzeitige“ Übertragung des Eigentums sicherlich nicht ungern sehen. Im Veräußerungsfall blieben nämlich ihre auf dem Wohnungseigentum des Schuldners eingetragenen Grundpfandrechte als dingliche Rechte grundsätzlich bestehen. Ein lediglich persönlich wirkendes Vorrecht geht dagegen unter, so dass der 5-prozentige Vorrechtsbereich erst wieder aufgefüllt werden müsste. Auf diese Weise ließe sich zunächst der Erlösanteil der nachrangig Berechtigten steigern. In diesem Zusammenhang wird bereits von einer „Enthaftungsstrategie“ gesprochen.

Gefährdung bei Anmeldung

In der Praxis ist des Öfteren zu beobachten, dass auf eine Titulierung aus Kostengründen verzichtet wird und rückständige Hausgeldansprüche lediglich von der Gemeinschaft in einem von dritter Seite veranlassten Versteigerungsverfahren angemeldet werden. Nach der Rechtsprechung des BGH muss allerdings jede Anmeldung im Vorrang der Rangklasse 2 ihre – personenbezogene – Wirkung verlieren, wenn im Grundbuch ein Eigentumswechsel vollzogen wird und das Versteigerungsverfahren vom betreibenden Gläubiger gegen den neuen Eigentümer fortgesetzt wird. Für einen WEG-Verwalter kann sich hier eine große Haftungsgefahr auftun.

Keine Durchsetzung von Hausgeldansprüchen bei werdender WEG

Erwerber von Wohnungseigentum bilden unter bestimmten Voraussetzungen bereits im Anlaufstadium, noch vor Entstehen der eigentlichen Wohnungseigentümergemeinschaft eine sog. werdende Gemeinschaft, auf die die Vorschriften des WEG entsprechend anzuwenden sind. Als Erwerber sind sie dann u. a. verpflichtet, entsprechend § 16 Abs. 2 WEG die Kosten und Lasten des künftigen gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen. Der im Grundbuch noch als Eigentümer eingetragene Veräußerer haftet nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nicht zusätzlich (gesamtschuldnerisch) für die Lasten der Wohnung, wenn der Erwerber als werdender Wohnungseigentümer anzusehen ist.

Bei dieser Konstellation musste selbst der BGH im vorgenannten Urteil einräumen, dass nach derzeitiger Rechtslage Hausgeldansprüche nicht in das Wohnungseigentum vollstreckt werden können. Eine dingliche Haftung mit dem diese Ansprüche erst verursachenden Wohnungseigentum wird abgelehnt, eine persönliche besteht jedoch nur hinsichtlich des Erwerbers. Ausschließlich gegen diesen können daher auch Titulierung und Zwangsvollstreckung (in dessen Vermögen) erfolgen. Der Erwerber ist jedoch noch nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen; die Wohnung gehört ihm bürgerlich-rechtlich noch nicht.

Auch eine Zwangsverwaltung scheidet nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in diesem Stadium aus. Der noch als Eigentümer im Grundbuch verlautbarte Bauträger ist nicht tatsächlicher Besitzer der Wohnung, der Erwerber wiederum noch nicht sachenrechtlicher Eigentümer. Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn die Eigentümergemeinschaft versuchen sollte, ihre Ansprüche über die Eintragung einer Zwangshypothek abzusichern.

Der WEG sind damit sämtliche Möglichkeiten der Immobiliarzwangsvollstreckung in das vom werdenden Eigentümer angeschaffte Wohnungseigentum verschlossen. Die Rechtsprechung des V. Zivilsenats des BGH hat damit zu einem Vollstreckungsnotstand geführt. Angesichts der mitunter langen Dauer bis zum Entstehen der endgültigen Eigentümergemeinschaft kann sich hier sehr schnell ein (längerfristiger) Liquiditätsengpass auftun.

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Schneider, Prof. Wolfgang

Der Inhaber der Professur für Bürgerliches Recht mit dem Schwerpunkt Liegenschaftsrecht lehrt im Fachbereich Rechtspflege der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin.