10.12.2019 Ausgabe: 7/19

Pflicht des Verwalters zur Umsetzung von Beschlüssen

(BGH, Urteil vom 15.2.2019, Az. V ZR 71/18)

DAS THEMA
Wird der Verwalter von der Eigentümerversammlung per Beschluss zu einer Handlung aufgefordert, ist er gesetzlich dazu verpflichtet, diesen Beschluss umzusetzen. Kommt er dieser Umsetzungspflicht nicht nach, können die Wohnungseigentümer einzeln, aber auch als Gemeinschaft, den Verwalter in bestimmten Fällen gerichtlich zur Umsetzung des Beschlusses zwingen.

In vorliegendem Fall sollte der Verwalter aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümergemeinschaft seine Vorgängerin im Auftrag der Eigentümergemeinschaft auf Neuerstellung der fehlerhaften Abrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2009 bis 2012 verklagen. Diesen Beschluss setzte der Verwalter erst nach Verurteilung durch das Amtsgericht um, verlangte anschließend jedoch Klageabweisung und weigerte sich, der Erledigterklärung zuzustimmen und damit die Begründetheit der Klage anzuerkennen.


DER FALL
Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, der Beklagte ist deren Verwalter. Am 14. Dezember 2015 wurde in der Eigentümerversammlung beschlossen, dass der Beklagte im Auftrag der Eigentümergemeinschaft Klage gegen die frühere Verwalterin mit dem Ziel erheben soll, die fehlerhaften Abrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2009 bis 2012 neu zu erstellen. Diesem Beschluss kam der Beklagte aber nicht nach – trotz einer Aufforderung der Kläger mit anwaltlichem Schrei­ben vom 21. Mai 2016.

Die Kläger reichten daraufhin Klage ein und verlangten darin die Verurteilung des Beklagten, den Beschluss durchzusetzen und mit von ihm auszuwählenden Anwälten im Namen der Eigentümergemeinschaft Klage gegen die frühere Verwalterin zu erheben, mit dem Ziel der Erstellung der Einzel- und Jahresabrechnungen 2009 bis 2012.

Einen Tag vor Klageeinreichung jedoch, am 21. Juli 2016, beschlossen die übrigen Miteigentümer in der Eigentümerversammlung, dass der Beklagte die frühere Verwalterin unter Fristsetzung aufzufordern hat, die Abrechnungen für die Wirtschaftsjahre 2009 bis 2012 neu zu erstellen, und dass er gleichzeitig anzukündigen hat, andernfalls werde eine kostenpflichtige Ersatzvornahme erfolgen. Zudem wurde der Beschluss vom 14. Dezember 2015 aufgehoben. Dieser Aufhebungsbeschluss vom 21. Juli 2016 wurde auf die anschließende Anfechtungsklage der Kläger mit Urteil vom 9. Januar 2017 für ungültig erklärt.

Das Amtsgericht hat der gegen den Beklagten gerichteten Klage stattgegeben. Auf Veranlassung des Beklagten mit Schriftsatz vom 20. April 2017 wurde daraufhin gegen die frühere Verwalterin mit dem Ziel der Neuerstellung der Abrechnungen Klage erhoben.

Die Kläger haben den Rechtsstreit daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dieser Erledigungserklärung widersprach der Beklagte jedoch mit dem Ziel, die Abweisung der Klage zu erreichen. Das Landgericht wies die Berufung mit der Feststellung zurück, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Kläger beantragten, wollte der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen. Der BGH wies die Revision jedoch ab mit folgender Begründung:

Jeder Wohnungseigentümer kann vom Verwalter verlangen, dass er seine gesetzliche Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG erfüllt. Der Anspruch auf Erstellung einer Jahresabrechnung ist also ein Individualanspruch, der grundsätzlich von jedem einzelnen Eigentümer selbstständig gegenüber dem Verwalter gerichtlich geltend gemacht werden kann. Vorliegend hat die Eigentümergemeinschaft diesen Anspruch rechtmäßig an sich gezogen. In diesem Fall wirkt der Individualanspruch des Eigentümers auf Abrechnungserstellung auf diese Weise fort, dass nun ein gesamt-individueller Anspruch gegen den Verwalter auf Umsetzung des Beschlusses besteht. Dieser Anspruch kann auch im Klageweg durchgesetzt werden (vgl. BGH, V. Zivilsenat, Urteil vom 8.7.2018, Az. V ZR 125/17).

Dementsprechend waren die Kläger berechtigt, den Beklagten auf Umsetzung des Beschlusses vom 14. Dezember 2015 gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage steht auch die Tatsache nicht entgegen, dass der Beschluss vom 14. Dezember 2015 durch den Beschluss der Wohnungseigentümer vom 21. Juli 2016 aufgehoben worden ist und der Aufhebungsbeschluss erst mit Rechtskraft des Urteils im Beschlussanfechtungsverfahren für ungültig erklärt wurde.

Eine Beschlussanfechtungsklage entfaltet im Prozessrecht keine aufschiebende Wirkung. Das bedeutet, dass ein Beschluss solange gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG gültig ist, solange er nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist (BGH, V. Zivilsenat, Urteil vom 4.4.2014, Az. V ZR 167/13). So liegt der Fall hier: Zwar wurde der streitgegenständliche Beschluss in der Eigentümerversammlung vom 21. Juli 2016 aufgehoben, doch erst mit Urteil vom 9. Januar 2017 für ungültig erklärt, sodass er zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 22. Juli 2016 gültig war. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte nicht verpflichtet, im Namen der Kläger seine Vorgängerin auf Neuerstellung der Jahresabrechnungen zu verklagen. Die Pflicht zur Umsetzung des streitgegenständlichen Beschlusses vom Dezember 2015 lebte erst wieder mit dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils vom 9. Januar 2017, mit dem der ihn abändernde Beschluss vom 21. Juli 2016 für ungültig erklärt wurde, wieder auf.

Dieser Pflicht kam der Beklagte durch Klageerhebung am 20. April 2017 nach, sodass hierdurch das erledigende Ereignis eintrat und die Klage daher für erledigt zu erklären war. Eine Klageabweisung hingegen konnte der Beklagte nicht verlangen.

Verwalter­strategie
Dieser Fall wiederholt und verdeutlicht drei feste Prinzipien des Wohnungseigentumsrechts. Erstens: Jeder einzelne Wohnungseigentümer kann vom Verwalter verlangen, dass er seine gesetzliche Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG erfüllt. Zweitens: Gegen eine schlichte Nichterfüllung kann sich der Wohnungseigentümer dadurch wehren, dass er den Anspruch aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG gerichtlich durchsetzen kann. Und drittens: Von der Wohnungseigentümergemeinschaft gefasste Beschlüsse sind trotz anhängiger Beschlussanfechtungsklage so lange gültig, bis die Ungültigkeit rechtskräftig festgestellt wurde. Eine aufschiebende Wirkung entfaltet diese Klageart nicht. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, wie vorliegender Fall verdeutlicht: Wird in einem parallelen Beschlussanfechtungsverfahren ein Beschluss, mit dem ein anderer Beschluss aufgehoben wurde, für ungültig erklärt, lebt der ursprüngliche Beschluss und somit die ggf. damit verbundene Handlungsverpflichtung des ­Verwalters wieder auf.


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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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