13.10.2020 Ausgabe: 6/20

Pragmatismus siegt - Wer eine WEG übernimmt, muss oft kistenweise Unterlagen sichten. Bei der Digitalisierung kommt es auf eine gute Organisation an.

Als neue Verwaltung bestellt zu werden, ist für professionelle Immobilienverwalterinnen und -verwalter eine schöne Bestätigung. Doch der Blick auf die Unterlagen, die der Vorgänger übergibt, kann die Freude trüben. Petra Mohns von der GWS Grundstücks- und Wohnungswirtschafts-Service GmbH aus Bad Kreuznach hat hier schon einiges erlebt. Jedes Jahr gewinnt die Immobilienverwalterin und Sachverständige für Hausverwaltungsleistungen bestehende Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) hinzu. Die digitalen Services, die die GWS ihren Kunden bietet, kommen bei Interessenten gut an. Zumal diese oft anderes gewöhnt sind. „Wir bekommen bei einer Übernahme immer noch kistenweise Unterlagen in Papierform“, erzählt Petra Mohns.

Die Unterlagen gehören der WEG, der Verwalter sieht sie meist erst nach der Übernahme. „Vor der Bestellung können Sie nichts an die Gemeinschaft delegieren“, erklärt Mohns das Dilemma. „Manchmal fehlen Belege, manchmal wurde jede Notiz aufbewahrt. Der Alptraum sind ‚Loseblattsammlungen‘. “ In diesem Fall zeigt sie den Beiräten den Inhalt solcher Kartons und rechnet den Aufwand für die Erfassung nach Zeit ab.

WEG-Recht zielt auf Vollständigkeit ab
Doch worauf hat die WEG ein Anrecht? „Zunächst muss der Vorverwalter sämtliche Verwaltungsunterlagen im Original übergeben“, erklärt Rechtsanwalt Alexander C. Blankenstein, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. „Daneben sind jedoch auch die in elektronischer Form angelegten Unterlagen und Daten der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.“ Um sich für den Streitfall abzusichern, rät er Nachfolgeverwaltern: „Sie sollten sich durch Beschluss oder bereits im Verwaltervertrag von den Eigentümern ermächtigen lassen, damit sie den Herausgabeanspruch der Gemeinschaft geltend machen können.“

Doch das Recht auf elektronische Unterlagen wirkt zahnlos. Wurden Akten nie elektronisch erfasst, gibt es keinen Anspruch darauf. Zudem ist „elektronische Form“ ein weiter Begriff. Der Vorverwalter erfasst zum Beispiel eine Eigentümeradresse in zwei Excel-Feldern, der Nachfolger aber befüllt in seiner Branchensoftware eine Stammdatenmaske mit 20 Feldern. Ein Import auf Knopfdruck ist dann unmöglich. Alles muss herauskopiert oder abgetippt werden.

Manuelle Datenerfassung gut organisiert
Das Fehlen einer professionellen Software und selbstgestrickte Excel-Verwaltungen führen dazu, dass die GWS in neun von zehn Fällen die Objekte händisch anlegt. „Da passt nie etwas ins eigene System“, so Mohns Erfahrung. Doch sie hat einen Plan, welche Informationen sie braucht – und eine Checkliste. Die umfasst alle Informationen zum Objekt – von den Planunterlagen bis zur Teilungserklärung –, die Daten der Eigentümer und als dritten Bereich die Informationen für den Zahlungsverkehr. „Ob es eine Schließanlage gibt, wer die Dienstleister im Objekt sind und wer die Beiräte, solche Fakten braucht man in der täglichen Arbeit“, so Mohns. So früh wie möglich wird mit der Eingabe der Eckdaten begonnen, etwa anhand von Kopien der Eigentümer. „Im Schnitt kostet uns die Anlage eines Objekts mit 25 Einheiten heute maximal einen Arbeitstag. Dann sind aber auch alle vom Vorverwalter erhaltenen Unterlagen gesichtet, alles Wichtige wurde gescannt, im System abgelegt, und die Stammdaten wurden erfasst.“


Petra Mohns, Geschäftsführerin GWS Grundstücks- und Wohnungswirtschafts-Service GmbH, hat schon viel erlebt bei Mandatsübernahmen.

Datenimport: Rat einholen beim Softwarehersteller
Die Chancen, dass ein Datenimport der neuen Verwaltung Arbeit abnimmt, steigen, wenn der Vorgänger eine Hausverwaltungs-Software genutzt hat. „Bevor man als Nachfolger also aufwändig nach einer Lösung sucht, sollte man bei seinem ERP-Hersteller nachfragen, welche Möglichkeiten und Angebote es für die Datenübernahme gibt“, rät Pia Westerwalbesloh, Business Development Managerin bei Haufe. Unproblematisch ist die Datenmigration, wenn beide Verwaltungen die gleiche Software nutzen. „Unsere Programme bieten Funktionen, um komplette Objekte zu extrahieren bzw. einzulesen.“ Hier kann der Hersteller unterstützen, um etwa Dubletten zu vermeiden. Komplizierter wird es, wenn es sich um zwei verschiedene Systeme handelt. Dann müssen Datenbankspezialisten Skripte schreiben. „Unsere Migrations-Teams, die Erfahrung mit den marktüblichen Systemen haben, können oft den Großteil der Daten automatisiert migrieren“, erklärt Westerwalbesloh.

Auch Petra Mohns hatte den Fall „Fremdsoftware“ schon. Doch es zeigte sich, dass lediglich die Adressdaten vernünftig hätten importiert werden können. Die Berater von Haufe rieten ab. Der Aufwand für die technische Unterstützung hätte den der händischen Anlage überstiegen; gelohnt hätte sich das erst ab einer Größenordnung von mindestens 50 verwalteten Einheiten. Ob eine technische Migration sinnvoll ist, hängt aber nicht nur an den Kosten. „Auch schlecht gepflegte Daten können zur Hürde werden“, weiß Pia Westerwalbesloh.


Pia Westerwalbesloh, Business Development Managerin bei der Haufe Group, empfiehlt technischen Support nur, wenn er sich lohnt.

Daten für die Vorjahresabrechnung: Am besten von der Bank
Verwalterwechsel bieten Zündstoff für Streitigkeiten. Meistens geht es um die Unterlagen oder darum, wer die Jahresabrechnung zu erstellen hat, der neu bestellte Verwalter oder sein Vorgänger. „Hier hat eine BGH-Entscheidung aus dem Jahr 2018 für erhebliche Unsicherheit gesorgt“, sagt Rechtsanwalt Blankenstein. „Zwar hat der BGH klargestellt, dass die Abrechnungspflicht spätestens am 1. Januar entsteht, allerdings gerade die Frage offengelassen, ob diese ggf. bereits am 31. Dezember entsteht und somit im Fall des Ausscheidens zum Jahreswechsel noch der Vorverwalter im Boot wäre.“

Petra Mohns geht den pragmatischen Weg und bietet neuen Kunden proaktiv die Erstellung der Vorjahresabrechnung an. „Alles andere verursacht nur Frust“, meint sie. Die Daten fordert sie von den Banken an, sobald sie dazu ermächtigt ist. Sie werden dann im ERP-System eingelesen, und die Mitarbeiter können die Zahlungsflüsse verbuchen. Das ist weniger aufwändig, als es klingt. „Wenn eine Buchung das dritte Mal im gleichen Aufbau erfolgt, dann erkennt unsere Software automatisch den Rest“, erklärt Mohns. Ein Vorgehen, das für Sicherheit sorgt. „Wir können guten Gewissens sagen: Was wir hier verarbeitet haben, entspricht tatsächlich den Kontobewegungen.“ Im Mai 2020 wurde die Beteiligung der Sparkasse Rhein-Nahe an der GWS besiegelt, die einen großen Immobilienbestand mitgebracht hat. Was die Datenübernahme betrifft, macht sich Petra Mohns keine Illusionen: „Ich fürchte, da sind wieder jede Menge Papierakten zu sichten und Daten per Hand einzugeben.“ Ihre Checkliste kommt also wieder zum Einsatz.


Alexander C. Blankenstein, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, rät dazu, sich zur Durchsetzung  des Herausgabeanspruchs ermächtigen zu lassen.

5 Erfolgsfaktoren: So gelingt die Objektintegration nach Verwalterwechsel.

  • Lassen Sie sich ermächtigen, die WEG-Unterlagen notfalls gerichtlich herausverlangen zu können.
  • Klären Sie mit Ihrem Software­hersteller Möglichkeiten der ­Datenmigration.
  • Planen Sie, welche Informationen und Unterlagen Sie digital ­benötigen, scannen Sie nur aktuelle Unterlagen ein.
  • Arbeiten Sie vor, sobald der Vertrag unter Dach und Fach ist. Erbitten Sie Kopien wichtiger Unterlagen von den Eigentümern.
  • Legitimieren Sie sich bei der Bank der WEG, und fordern Sie die ­Kontoumsätze des Vorjahres als Datensatz an.

Kunow, Dr. Ilonka

freie Redakteurin, Gauting