21.06.2019 Ausgabe: 4/19

Privat oder öffentlich? Ist die Weiterleitung von Satellitensendesignalen lizenzpflichtig – kurz: Müssen Eigentümergemeinschaften zahlen?

Diskussionen über freies Internet, Upload-Filter und Urheberrecht bestimmen die Medien. Auch für Immobilienverwaltungen ist das Urheberrecht ein wiederkehrendes Thema: Regelmäßig erhalten sie Schreiben der VG Media, Gesellschaft zur Verwertung der Urheber- und Leistungsschutzrechte von Sendeunternehmen und Presseverlegern mbH.
Konkret geht es um die Frage, inwieweit der Empfang und die gleichzeitige Weiterleitung privater Satelliten-Hörfunk- und -Fernsehprogramme über die Gemeinschaftsantenne einer Wohnanlage lizenzpflichtig sind. Die Weiterleitung zu den Empfangsgeräten der einzelnen Wohnungseigentümer erfolgt in der Regel über ein Kabelnetz. Es handelt sich also um organisierten Privatempfang. Bejaht wurde die Lizenzpflichtigkeit in der Vergangenheit im Falle der Weiterleitung an Radiogeräte im Krankenhaus; verneint hingegen für Wartezimmer in Arztpraxen und auch für die Weiterleitung von Fernsehprogrammen innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG).
Dennoch hält die VG Media daran fest: Die Weiterleitung innerhalb einer WEG ist lizenzpflichtig, sobald mehr als vier Wohneinheiten vermietet sind. Zur Feststellung wird mit einem Fragebogen die Anzahl der Wohnungen und deren Nutzung sowie die Zahl der Bewohner insgesamt ermittelt. Warum Gemeinschaften, in denen mehr als vier Wohnungen vermietet werden, anders behandelt werden, bleibt unklar.

Wann besteht Lizenzpflichtigkeit?

Ausgehend von der sogenannten „Ramses-Entscheidung“ des BGH vom 17.9.2015 (I ZR 228/14) und der zwischenzeitlich ergangenen weiteren Rechtsprechung sind die Voraussetzungen für die Lizenzpflichtigkeit einer WEG zu definieren: Rechtlich relevant ist hier die Frage, ob es sich um eine sogenannte Kabelweitersendung gemäß § 20b Urhebergesetz (UrhG) und die Erfüllung des Merkmals „öffentliche Wiedergabe“ nach Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG sowie § 15 Abs. 2 und 3 UrhG handelt. Nur wenn die Weiterleitung öffentlich erfolgt, ist sie auch lizenzpflichtig.
Das Senderecht des Urhebers schließt das Recht zur Kabelweitersendung gemäß § 20b Abs. 1 S. 1 UrhG ein. Bei dem Recht zur Kabelweitersendung handelt es sich um einen besonderen Fall des Senderechts und damit um einen besonderen Fall der „öffentlichen Wiedergabe“. Eine Wiedergabe ist nach § 15 Abs. 3 S. 1 UrhG dann öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist (siehe auch BGH, Urteil vom 17.9.2015, I ZR 228/14, Rn. 29, ebenso: BGH, Urteil vom 11.1.2018 – I ZR 85/17, Rn. 21 ff.).

Die öffentliche Wiedergabe

Was genau unter „öffentlicher Wiedergabe“ zu verstehen ist, muss wiederum im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der EU-Richtlinien (Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG und Art. 8 der RL 2006/115/EG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH ermittelt werden. Es ist daher grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, im konkreten Fall anhand der vom EuGH aufgestellten Kriterien zu ermitteln, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt. In Deutschland erfolgte dies für den Fall der WEG mit der sogenannten „Ramses-Entscheidung“ (I ZR 228/14). In dem Verfahren ging es um die zeitgleiche Weiterleitung des Sendesignals einer Gemeinschaftsantenne über ein Kabelnetz in die einzelnen Wohnungen einer Eigentümergemeinschaft. Dass es sich um eine „Wiedergabe“ handelt, wurde vom BGH zwar bejaht. Das zweite Kriterium allerdings, das der „Öffentlichkeit“, wurde für die WEG „Ramses“ mit 343 Einheiten verneint.

Öffentlichkeit oder private Gruppe?

Der Tatbestand der Öffentlichkeit ist nur erfüllt, wenn es sich tatsächlich um eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und recht viele Personen handelt. Eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten“ ist dann gegeben, wenn sich die Wiedergabe an einen allgemeinen Personenkreis richtet, der nicht auf eine private Gruppe beschränkt ist (vgl. I ZR 228/14, Rn. 46; I ZR 85/17, Rn. 33 ff. m. w. N.).
Anders als bei Gästen eines Hotels oder einer Gaststätte findet der Empfang innerhalb einer WEG im „privaten und familiären Kreis“ statt. Entsprechend ist die Gruppe der Adressaten einer Signalweiterleitung begrenzt, selbst wenn es sich – wie im Ramses-Fall – um recht viele Personen handelt, jedoch nicht um eine „unbestimmte Anzahl potenzieller Adressaten“ wie z. B. in einer Gaststätte. Ausschlaggebend ist hier, dass die Wiedergabe auf „besondere Personen“ beschränkt ist, die einer „privaten Gruppe“ angehören (vgl. I ZR 228/14, Rn. 53 und 60).
Eine Beschränkung wird in diesem Zusammenhang bejaht, wenn es sich um einen begrenzten Personenkreis handelt. Im Falle der WEG entschied der BGH, dass die Empfänger „in ihrer Eigenschaft als Bewohner der Wohnanlage von anderen Personenkreisen abgegrenzt“ sind. Sie gehören zu einem abgrenzbaren Kreis „besonderer Personen“ (I ZR 228/14, Rn. 63 und OLG Dresden, Urteil vom 22.11.2016 – 14 U 530/16). Darüber hinaus spricht der BGH von der Eigenschaft des Bewohners in einer WEG: Ob der Bewohner nun Eigentümer oder tatsächlich nur Mieter ist, ist für das Merkmal einer „privaten Gruppe“ und der erforderlichen Begrenztheit nicht ausschlaggebend.
Im Vergleich hierzu verfügt eine Antennengemeinschaft nicht über eine entsprechend abgrenzungstaugliche Eigenschaft, denn die „[…] Begrenzung des Personenkreises darf sich – soll sie nicht leerlaufen – nicht in dem Anschluss an die Antenne und die Antennengemeinschaft erschöpfen“ (so verdeutlichend OLG Dresden, Urteil vom 22.11.2016 – 14 U 530/16). Anders ausgedrückt: Das Kriterium „Anschluss an die Antennengemeinschaft“ reicht nicht, um das Kriterium „begrenzter Personenkreis“ zu erfüllen. Das OLG Dresden bejahte im Falle der Antennengemeinschaft den Sachverhalt „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten“ und damit auch die Öffentlichkeit der Weiterleitung.

Keine Lizenzpflicht der WEG

Bei einer WEG kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass die Zahl der zu ihr gehörenden Wohnungen konstant bleibt und sich im Nachgang nicht verändert. Daraus lässt sich die für das Bestehen einer „privaten Gruppe“ erforderliche Begrenztheit ableiten. Somit ist im Falle der Signalweiterleitung innerhalb einer WEG nur eines der beiden Kriterien erfüllt, die nur gemeinsam den Sachverhalt „Öffentlichkeit“ ausmachen: unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und recht viele Personen. Wegen der Begrenztheit auf eine „private Gruppe“ richtet sich die Weiterleitung hier nicht an eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten – und insofern nicht an die Öffentlichkeit. „Im Ergebnis leiten die einzelnen Eigentümer die Sendungen nur an sich selbst weiter.“ (I ZR 228/14, Rn. 67). Eine Lizenzpflichtigkeit der WEG muss vor diesem Hintergrund, unbenommen zu prüfender Einzelfälle, ­regelmäßig ausscheiden.

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Beckers, Sabine

Die Kölner Rechtsanwältin ist Vorstandsreferentin des VNWI und Verfasserin der Ratgeber-Broschüre „Online-Impressum“.
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