10.03.2022 Ausgabe: 2/22

PRO - Sind Wohnungseigentümerversammlungen unter 2G rechtlich überhaupt zulässig?

PRO: Eigentümer würden nur aus einem allein in ihrer Person liegenden Grund von der Versammlung ausgeschlossen.

Seit einigen Wochen besteht in mehreren Bundesländern die verbindlich verordnete Vorgabe, dass auch an Eigentümerversammlungen nur vollständig Geimpfte oder Genesene – zum Teil sogar zusätzlich nur mit aktuellem negativem Test – teilnehmen dürfen; Ungeimpfte sind ausgeschlossen.

Die Verwalterverbände und auch andere Stimmen im Schrifttum sind, soweit ersichtlich, der Meinung, dass deshalb Eigentümerversammlungen nicht stattfinden dürfen, da eben nicht jedem Wohnungseigentümer die Möglichkeit einer persönlichen Teilnahme eingeräumt werde, was faktisch einer „Ausladung“ gleichkommt, mit der Folge, dass sämtliche dort gefassten Beschlüsse zumindest anfechtbar seien (vgl. etwa die Informationen des VDIV Deutschland, des VDIV Baden-Württemberg oder des VDIV Bayern, alle von Mitte November 2021).

Diese Auffassung orientiert sich offensichtlich an der Instanzrechtsprechung seit 2020 für die Fallgestaltungen, dass ein Verwalter die Eigentümer aufgefordert hat, nicht persönlich zur Eigentümerversammlung zu kommen, sondern vor allem weisungsgebundene Vollmachten zu erteilen. Dies zu einer Zeit, da die persönliche Teilnahme von Eigentümern nach den geltenden Corona-Verordnungen generell unzulässig war. Auf der Versammlung sollte lediglich der Verwalter persönlich anwesend sein. Die Gerichte haben diese Handhabung als unzulässigen Eingriff in den Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte eines Eigentümers, nämlich die persönliche Teilnahme an einer Versammlung, (durch „Ausladung“) gewertet und die dort gefassten Beschlüsse entweder als nichtig beurteilt, so etwa die Amtsgerichte (AG) München, 29.10.2020, Az. 483 C 8456/20; Bad Schwalbach, 26.10.2020, Az. 3 C 268/20; Lemgo, 24.8.2020, Az. 16 C 10/20; weniger streng und instruktiv das Landgericht Frankfurt am Main, 17.12.2020, Az. 2-13 S 108/20, oder aber zumindest als anfechtbar, so die AG Dortmund, 19.11.2020, Az. 514 C 88/20; Augsburg, 30.9.2021, Az. 31 C 2231/20 WEG; und Kaufbeuren, 9.9.2021, Az. 5 C 34/21. Die Übertragung dieser Erwägungen auf die jetzige Situation, die es jedem Miteigentümer ermöglicht, an der Versammlung persönlich teilzunehmen, wenn er die gesetzlichen Vorgaben erfüllt, überzeugt nicht. Aktuell können Wohnungseigentümer nur aus einem ausschließlich in ihrer Person liegenden Grund – der eigenverantwortlichen Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen – nicht selbst zur Eigentümerversammlung erscheinen. Die Situation ist mit anderen subjektiven Gründen vergleichbar, z. B. mit (ggf. hochansteckenden) Erkrankungen. Dass dies ein (nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vom 14.2.2020, Az. V ZR 159/19, Rn. 18, zudem noch „schwerwiegender“) Eingriff in die Kernrechte eines Eigentümers, nämlich sein Teilnahmerecht, sein soll, überzeugt nicht (so aktuell zu Recht auch das AG München, 6.12.2021, Az. 1293 C 19127/21 EVWEG). Die Situation lässt sich nicht damit vergleichen, dass Eigentümer (wie im Jahr 2020) überhaupt keine zulässige Möglichkeit haben, persönlich zu erscheinen. Vielmehr hat eine Abwägung der Interessen der vollständig Geimpften und Genesenen (sowie ggf. negativ Getesteten) einerseits und der Ungeimpften andererseits stattzufinden. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit eine Willensbildung der Eigentümer objektiv notwendig und unaufschiebbar ist. Ist dies der Fall, kann es nicht richtig sein, dass die Minderheit der Ungeimpften über die Mehrheit bestimmt. Selbstverständlich muss der Minderheit die Möglichkeit eingeräumt werden, weisungsgebundene Vollmachten an Geimpfte oder Genesene zu erteilen, sofern nicht ohnehin die Voraussetzungenfür eine virtuelle Teilnahme gem äß § 23 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gegeben sind. Schon zur eigenen Absicherung sollten Verwalter, natürlich unter Hinweis auf die bis zur höchstrichterlichen Klärung bestehenden Unsicherheiten, die vorstehenden Erwägungen bereits in die Einladung ausdrücklich aufnehmen.

Hannemann, Thomas

Der Rechtsanwalt ist in der Kanzlei ­Hannemann, Eckl & Moersch Rechts­anwälte PartG mbB, Karlsruhe, tätig.
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