10.12.2019 Ausgabe: 7/19

Radon, Gefahr aus dem Erdreich - Das radioaktive Gas dringt durch Hauswände in Gebäude – und muss wegen seiner ­gesundheitsgefährdenden Wirkung als Baumangel angesehen werden.

Radon ist ein natürlich im Erdboden vorkommendes, radioaktives Gas. Es liegt in Deutschland quasi überall, jedoch in unterschiedlichen Konzentrationen im Boden vor.  In Gebäude dringt Radon aufgrund potenzieller Undichtigkeiten des erdberührenden Bereichs der Gebäudehülle in bewohnte Bereiche ein und reichert sich aufgrund seiner hohen Dichte insbesondere in den unteren Geschossen an. Ausschlaggebend für das Auftreten höherer Radonkonzentrationen in Gebäuden sind neben der Konzentration im Erdreich und der Gasdichtigkeit des Gebäudes zum Untergrund die Druckdifferenz zwischen dem Innern des Gebäudes und dem Untergrund sowie die Luftwechselrate.

Gesundheitliche Gefahren und ­gesetzliche Grundlagen
Mit der Novelle des Strahlenschutzgesetzes 2018, basierend auf der EU-Richtlinie 2013/59/EURATOM, wurde der Schutz der Bevölkerung vor dem wegen seiner Radioaktivität gesundheitsgefährdenden natürlichen Gas und seiner Anreicherung in Gebäuden geregelt. Dabei wurde im Wesentlichen das Risiko von Lungenkrebserkrankungen durch Radonbelastung untersucht und zugrunde gelegt. Studien aus Japan, Kanada, der Schweiz und aus Dänemark zeigen aber darüber hinaus einen signifikanten Zusammenhang der Radonbelastung in Wohngebäuden mit anderen schweren Erkrankungen: Die Häufung von Leukämiefällen bei Neugeborenen wird mittlerweile auch auf der Website des Bundesamtes für Strahlenschutz (www.bfs.de) unter dem Punkt „Ionisierende Strahlung“ erwähnt und bestätigt. Auch eine Zunahme von Haut-Melanomen bei steigender Radonkonzentration kann festgestellt werden. Diese Aspekte wurden bisher bei der Festlegung der zulässigen Grenzwerte für die Bevölkerung nicht berücksichtigt.

Im deutschen Strahlenschutzgesetz wurde ein „Referenzwert“ von 300 Bq/m³ angegeben, welcher nach Studien der WHO zu einem Krebsrisiko von 1 : 500 führt. Diesen Wert als Grenzwert festzulegen, scheint eine erhöhte Gefährdung der Bevölkerung in Kauf zu nehmen. Alle behördlichen oder medizinischen Institutionen wie z. B. BfS und WHO, die das Sicherheitsrisiko beschreiben, empfehlen einen Grenzwert von 100 ­Bq/m³ als absolut höchste vertretbare Grenze. Aufgrund der im Strahlenschutzgesetz festgelegten maximalen Strahlendosis und auf Basis der aktuellen Bewertungsfaktoren der internationalen Strahlenschutzkommission IRCP müsste der Grenzwert sogar noch niedriger angesetzt werden.

In der Folge besteht so deutschlandweit bei rund 800 000 Gebäuden Handlungsbedarf, schon mit Blick auf den gesetzlich festgelegten Wert von 300 Bq/m³. Strebt man hingegen den von der WHO und dem BfS empfohlenen Wert von etwa 100 Bq/m³ an, dürften fast 1,8 Millionen Gebäude betroffen sein.

Der Radonmaßnahmenplan
Im Nachgang zum Strahlenschutzgesetz publizierte das Bundesumweltministerium (BMU) im März 2019 einen Radonmaßnahmenplan. Er regelt für die nähere Zukunft detailliert, welche Schritte einzuleiten sind, um die Gefährdung der Bevölkerung zu reduzieren. Hierzu gehören Maßnahmen zur Information der Bevölkerung, die Identifizierung besonderer Risikogebiete und die Festlegung einheitlicher Messverfahren. Des Weiteren werden auch Maßnahmen zur Verhinderung des Eindringens von Radon in Neubauten beschrieben sowie das Bestreben, Verfahren zur Reduzierung der Radonkonzentration in der Luft im Gebäudebestand zu erarbeiten. Für effektive Sanierungsverfahren ist eine gezielte finanzielle Förderung vorgesehen. All dies gilt übrigens auch für Arbeitsstätten und die dort befindlichen Arbeitsplätze. In Bezug auf die Einhaltung der genau geregelten Maximalkonzentrationen haben hier Arbeitgeber sowie Gebäudeeigentümer eine Fürsorgepflicht, so wie dies auch für andere Schadstoffe am Arbeitsplatz gilt.

Haftungsrisiken
Im Strahlenschutzgesetz wird lediglich die Haftung für die nach Inkrafttreten der EURATOM-Richtlinie errichteten Gebäude geregelt, d. h. nach dem 5.12.2013. § 121 Abs. 1 S. 1 Strahlenschutzgesetz trifft dazu für die Errichtung von Neubauten sowie den Umbau von Bestandsimmobilien klare Aussagen.  Verantwortung und Haftung liegen beim Errichter und dem Betreiber einer Immobilie. Anzumerken ist jedoch, dass selbst im Bauplanungsrecht (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 Baugesetzbuch) die „Pflicht der Gemeinden, die künftige Wohnbevölkerung vor Gesundheitsgefahren zu schützen“ noch erheblich nachzubessern ist, da bislang nicht geklärt ist, welche Radonkonzentration im Bauuntergrund zu einer erhöhten Konzentration des Gases in der Raumluft führt. In einem Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 6.11.2013, Az. 8 C 10607/13, wird die Kennzeichnung in Bebauungsplänen geregelt.

Die Rechtsprechung hat sich zu Haftungsrisiken bei Radon in Bestandsgebäuden noch nicht hinreichend geäußert. Aus einigen Veröffentlichungen und Fachvorträgen geht jedoch hervor, dass eine erhöhte Radonkonzentration auch in Bestandsgebäuden einen Mangel darstellt, da von ihr eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit ausgeht. Zu beachten ist hierzu das BGH-Urteil vom 27.3.2009, Az. V ZR 30/08: „Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn die ernsthafte Gefahr besteht, dass Stoffe mit einem erheblichen gesundheitsgefährdenden Potenzial im Rahmen der üblichen Nutzung der Sache auftreten.“ Zudem entschied das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 4.8.1998, Az. 1 BvR1711/94: „Die rechtliche Beurteilung von Gesundheitsrisiken kann sich auch nachträglich ändern, wenn eine neue wissenschaftliche Risikobeurteilung zur Änderung von solchen Grenzwerten führt. 'Selbstverständlich' müssen Mietwohnungen ohne Gesundheitsgefahren nutzbar sein.“ Entscheidend ist hier also nicht das Strahlenschutzgesetz, sondern das Vorliegen eines Sachmangels i. S. d. § 536 BGB. Inwiefern eine Gebäudeversicherung mit Elementarschaden- oder Allgefahrenschutz dieses „natürliche“ Risiko mit abdeckt, wäre zu prüfen.

Handlungsempfehlungen
Grundsätzlich kann eine erhöhte Radonkonzentration in jedem bestehenden Gebäude auftreten. Um Haftungsrisiken auszuschließen, sollten entsprechende Messungen veranlasst werden. Zertifizierte Messstellen und sogenannte Radonfachpersonen sind auf der Internetseite des BfS aufgeführt.

Im Falle einer Radonbelastung oberhalb des Referenzwertes (bei nach 2013 errichteten Gebäuden über 100 Bq/m³) entsteht nun Handlungsbedarf. Auch im Bestand ist eine Radonsanierung  sehr kosteneffizient und zugleich quasi prozesssicher möglich, womit Radonkonzentrationen von unter 100 Bq/m³
erreicht werden können.


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Zinken, Dipl.-ing. Richard

Einen Vortrag zum Thema hält der bei der Corroventa Entfeuchtung GmbH Tätige im Rahmen des 13. Sächsischen Radontags am 14./15.11.2019 an der HTW Dresden.
www.corroventa.de