10.12.2019 Ausgabe: 7/19

Räumungsverfügung im Eilverfahren auch im Gewerbe

(Kammergericht, Beschluss vom 9.5.2019, Az. 8 W 28/19)

DAS THEMA

Wie bereits berichtet, wurde mit der Mietrechtsreform 2013 § 940a Abs. 2 ZPO neu eingeführt, der es erlaubt, eine einstweilige Räumungsverfügung gegen unbekannte Untermieter zu beantragen. Häufig stellt sich nämlich erst bei der Räumungsvollstreckung gegen den Hauptmieter heraus, dass dieser die Räume vertragswidrig an Untermieter überlassen hat, die dem Vermieter bis zum Räumungstermin unbekannt waren. Dies zieht in der Regel eine weitere Räumungsklage gegen die Untermieter nach sich, und häufig wurden während der Dauer dieses Verfahrens die Räume erneut vergeben, sodass der Hauptmieter die tatsächliche Räumung auf längere Zeit verhindern konnte. Das im Jahr 2013 eingeführte Eilverfahren wollte dies verhindern, indem es die Verfahrensdauer auf wenige Wochen verkürzte, sodass ein erneuter Wechsel der Untermieter rein zeitlich deutlich erschwert wurde. Zur Bekämpfung des Mietnomadentums wurde diese Vorschrift vom Gesetzgeber allerdings ausdrücklich nur für Wohnraummietverhältnisse eingeführt. Im Gewerberaummietrecht besteht weiterhin das gleiche Problem, das in der Praxis hauptsächlich bei kleinen Gaststätten virulent wird. In jüngster Zeit zeichnet sich deutlich eine Tendenz der Gerichte ab, das einstweilige Verfügungsverfahren auch bei gewerblichen Untermietern zuzulassen.

DER FALL
Der Entscheidung des Kammergerichts war ein Räumungsverfahren gegen den Hauptmieter vorausgegangen, in dem zunächst das zuständige Landgericht im Juli 2018 die Mieterin zur Räumung und Herausgabe der Büroräume nach fristloser Zahlungsverzugskündigung verurteilt hatte, und die eingelegte Berufung mit Beschluss des gleichen Senats des Kammergerichts zurückgewiesen worden war. Bei der Räumungsvollstreckung stellte sich heraus, dass eine Teilfläche des Büros von etwa ein Viertel als Wohnung untervermietet war, was dem Vermieter bis dahin nicht bekannt war. Der Vermieter erhob daher Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Räumung und Herausgabe gegen die Untermieter, die das zuständige Landgericht allerdings zunächst zurückwies, weil § 940a Abs. 2 ZPO auf andere als Wohnraummietverhältnisse weder direkt noch analog anwendbar sei.

Das Kammergericht gab dem Landgericht zwar insoweit recht, als der Wortlaut dieser Vorschrift seine direkte Anwendung auf Gewerbemietverhältnisse ausschließt und auch die Entstehungsgeschichte und Gesetzesbegründung eine analoge Anwendung nicht zulassen. Aus der Gesetzesbegründung ist klar zu erkennen, dass der Gesetzgeber die Vorschrift nicht auf Gewerberaummietverhältnisse ausdehnen wollte.

Ob eine einstweilige Verfügung zulässig und begründet ist, entscheidet sich jedoch nicht nur nach der Spezialvorschrift des § 940a ZPO. Vielmehr ist die allgemeine Vorschrift des § 940 ZPO auf ihre Voraussetzungen, nämlich Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund, zu prüfen; diese muss der Antragsteller ausreichend glaubhaft machen.

Der Verfügungsanspruch ist in solchen Fällen der Räumungsanspruch aus Eigentum nach § 985 BGB. Ein Untermietvertrag gibt den Untermietern kein Recht zum Besitz gegenüber dem Eigentümer. Der bei der Räumung vorgelegte Untermietvertrag zeigt (nur) das Nutzungsrecht der Untermieter gegen den bereits zur Räumung verurteilten Hauptmieter.

Problematisch ist allerdings der Verfügungsgrund. Die Regelung in einer einstweiligen Verfügung muss notwendig sein, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dies gilt gerade auch, wenn mit der einstweiligen Verfügung die vorläufige Befriedigung des Gläubigers (hier durch Räumung und Herausgabe) angestrebt wird. Dies wurde bisher bei Räumungsverfügungen von den Gerichten gerade nicht angenommen. Vorreiter der Rechtsprechungsänderung war insofern das OLG München im Dezember 2017, das erstmals die gesetzgeberische Wertung aus dem Wohnraummietrecht, § 940a ZPO, auch für die allgemeine einstweilige Verfügung im Gewerbemietrecht betrachtete. Das Kammergericht entscheidet nun – unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung – ebenso wie das OLG München: Die gesetzgeberische Wertung, die sich in § 940a ZPO ausdrückt, kann auch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens nach § 940 ZPO angewendet werden. § 940a ZPO sieht gerade für die besonders schutzwürdige Wohnraumnutzung einen typisierten Verfügungsgrund vor. Diese Wertung muss auch im Gewerbemietrecht anwendbar sein.

Schließlich hat das Gericht eine Abwägung der schutzwürdigen Interessen der Parteien vorzunehmen. Hier spricht für die Antragstellerin und Vermieterin, dass sie bereits einen vollstreckbaren Titel auf Räumung und Herausgabe gegen die Mieterin hatte und außer Stande war, im gleichen Verfahren auch gegen den Untermieter vorzugehen, da dieser nicht bekannt war. Auch hat die Vermieterin seit über eineinhalb Jahren keine Miete mehr erhalten. Hieraus ergibt sich eine besondere Dringlichkeit. Obwohl die Untermieter die Büroräume (zweckwidrig) zum Wohnen nutzten, und deshalb ihre Interessen ebenfalls schwer wogen, überwog daher das Interesse der Antragsteller, und der einstweiligen Räumungsverfügung wurde stattgegeben.


Verwalter­strategie
Während eines Räumungsverfahrens gegen einen Hauptmieter sind sämtliche Informationen auszuwerten, ob nicht Hinweise auf einen noch unbekannten Untermieter gegeben werden. Nur wenn der Untermieter tatsächlich unbekannt war, steht die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung offen! Anderenfalls muss die Klage im Hauptsacheverfahren erweitert werden. Stellt sich die unberechtigte Untervermietung allerdings erst nach Abschluss des Hauptverfahrens während der Räumungsvollstreckung heraus, dürfte der Vermieter nun nach den Entscheidungen des OLG München und des Kammergerichts gute Chancen haben, bundesweit mit einer entsprechenden einstweiligen Verfügung durchzudringen, indem er sich auch im Gewerbemietrecht auf die gesetzgeberischen Wertungen des § 940a ZPO beruft. Zu beachten ist allerdings, dass die einstweilige Verfügung immer noch ein Eilverfahren darstellt und daher sehr kurzfristig nach Bekanntwerden der unzulässigen Untervermietung, maximal vier Wochen, eingereicht werden muss.


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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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