21.04.2016 Ausgabe: 3/2016

Rechtsprechungsänderung des BGH zu Nebenkostenabrechnung in Mehrhausanlagen

(BGH, Urteil vom 20.1.2016, Az.: VIII ZR 93/15)

DAS THEMA

Bei der Abrechnung von Nebenkosten muss der Vermieter sowohl die formelle als auch die materielle Richtigkeit dieser Abrechnung beachten. Während er Korrekturen hinsichtlich der materiellen Abrechnung auch noch in einem möglichen Prozess nachschieben kann, macht die Nichteinhaltung der formellen Abrechnungsvoraussetzungen die Nebenkostenabrechnung unwirksam. Dies ist für den Wohnraumvermieter im Hinblick auf die Frist des § 556 Abs. 1 BGB, die eine Abrechnung binnen zwölf Monaten nach Abrechnungszeitraum fordert, besonders riskant, da eine formell unrichtige Abrechnung diese Frist nicht einhält. Wird die Abrechnung knapp vor Ablauf des Abrechnungszeitraums verschickt, so hat der Vermieter in der Regel keine Möglichkeit mehr, nachzubessern, und er verliert für dieses Jahr zumindest die Nebenkosten aus den formell fehlerhaften Positionen.
Der BGH hat in den letzten Jahren mehrere Urteile gesprochen, mit denen er die formellen Voraussetzungen einer Nebenkostenabrechnung gesenkt und dem Vermieter damit die Abrechnung erleichtert hat. Bisher waren für die formelle Richtigkeit der Nebenkostenabrechnungen vier Voraussetzungen einzuhalten:
> die Zusammenstellung der Gesamtkosten,
> die Angabe und, soweit erforderlich, Erläuterung der zugrunde gelegten Verteilerschlüssel,
> die Berechnung des Anteils des Mieters und
> der Abzug der geleisteten Vorauszahlungen.

Mit diesem neuen Urteil verzichtet der BGH nunmehr auf die erste dieser vier Voraussetzungen: Die Gesamtkosten müssen nicht mehr angegeben werden.

DER FALL

Im vorliegenden Fall hatte – insoweit eine typische Fallgestaltung – der Vermieter eines großen, aus mehreren Häusern bestehenden Wohnkomplexes bei den Nebenkosten für Wasser, Abwasser und Müllabfuhr nicht die Anteile der anderen Häuser in der Nebenkostenabrechnung dargestellt. Er hatte lediglich den für die einzelnen Gebäude errechneten Gesamtbetrag angegeben, der dann auf die Mieter der einzelnen Gebäude umgelegt wurde. Dieser Gesamtbetrag für die einzelnen Gebäude entsprach nicht den Abrechnungen der jeweiligen Versorgungsträger, welche naturgemäß den Gesamtbetrag für alle Gebäude auswiesen. Der Rechenschritt, mit dem die Aufteilung zwischen dem von den  Versorgungsträgern in Rechnung gestellten Gesamtbetrag für alle Gebäude und dem in der Nebenkostenabrechnung aufgenommenen Gesamtbetrag für das eine Gebäude errechnet wurde, war aus der Nebenkostenabrechnung selbst nicht zu erkennen, sehr wohl aber bei Belegeinsicht nachvollziehbar. Der BGH entschied nun, dass die Angabe dieser „bereinigten“ Gesamtkosten nicht mehr die Unwirksamkeit der Nebenkostenabrechnung aus formellen Gründen zur Folge hat. Es genügt, wenn der Vermieter als Gesamtkosten bei der jeweiligen Betriebskostenart die Summe der Kosten angibt, die auf die jeweilige Abrechnungseinheit (Wirtschaftseinheit, im entschiedenen Fall die einzelnen Gebäude) umgelegt wird. Der BGH begründet diese Änderung seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung damit, dass die Angabe der Gesamtkosten bisher nur in einigen Sonderfällen verlangt worden sei, insbesondere in solchen Fällen, in denen sich eine Aufschlüsselung auf die einzelnen Wirtschaftseinheiten nicht aus den Abrechnungen der Versorgungsträger ergebe oder, falls in einer Position sowohl umlegbare Betriebskosten als auch nicht umlegbare Betriebskosten zusammengefasst sind. Gängiges Beispiel hierfür ist der Hausmeister, der auch mit Verwaltungstätigkeiten betraut ist, welche nicht umlagefähig sind. Aus dieser Rechtsprechung wurde bisher abgeleitet, dass die Gesamtkosten in jedem Fall anzugeben sind. Der BGH erklärt nun, dass die Tendenz seiner bisherigen Rechtsprechung, mit der er in den letzten Jahren bereits mehrfach die formellen Anforderungen an die Betriebskostenabrechnung zurückgeschraubt habe, fortentwickelt wird. Diese Tendenz lässt sich übrigens nicht nur im Betriebskostenabrechnungsrecht, sondern insbesondere auch bei der Durchsetzung von Mieterhöhungen beobachten. Zunächst wägt der BGH hierzu die Interessen der Vertragsparteien ab: Aus Sicht des Vermieters darf die Jahresabrechnung nicht überfrachtet werden und der Verwaltungsaufwand muss sich in vertretbaren Grenzen halten. Der Mieter kann ebenfalls ein Interesse an einer möglichst übersichtlichen Abrechnung haben. Er kann eine Zusammenstellung der unterschiedlichen Kostenarten erwarten, weiter die Angabe des Umlageschlüssels und die Errechnung der Beträge, welche im Abrechnungszeitraum auf ihn entfallen. Da ihm Belegeinsichtsrecht zusteht, kann der Mieter mit diesen Informationen überprüfen, ob die Nebenkostenabrechnung ihre Richtigkeit hat. Umgekehrt ist die Angabe der Gesamtkosten für den Mieter sowieso nicht aus der Abrechnung prüfbar. Ihre Richtigkeit kann in jedem Fall erst durch die Belegeinsicht ermittelt werden. Damit bezieht sich die Frage, ob der Gesamtbetrag zutreffend errechnet ist, auf die materielle Richtigkeit der Nebenkostenabrechnung, nicht auf die formellen Voraussetzungen. Hinsichtlich der materiellen Richtigkeit bleibt der Mieter auf die Belegeinsicht verwiesen.

Verwalter­strategie

Verwaltungen gerade von Mehrhausanlagen stehen bei der Nebenkostenabrechnung häufig im Spannungsfeld zwischen den drei Parametern Vollständigkeit, Übersichtlichkeit (insbesondere auch für den Mieter) und EDV-technische Umsetzung. Der BGH hat mit diesem Urteil die Anforderungen an die Vollständigkeit bei Mehrhausanlagen deutlich gesenkt. Außerdem gibt er auch weitere wichtige Leitlinien an die Hand: Kriterien, die der Mieter aus der Betriebskostenabrechnung selbst sowieso nicht nachprüfen könnte, sondern für deren Kontrolle er zwingend Einsicht in die Abrechnungsunterlagen nehmen muss, sollen zukünftig nicht mehr der formellen Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung unterfallen und damit auch nicht die Verfristung der Abrechnung rechtfertigen können. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die eher mieterfreundlichen unteren Instanzen der Gerichte diese Rechtsprechung für andere als die vom BGH entschiedenen Voraussetzungen wohl nur sehr zögerlich umsetzen werden. Es dürfte also geraten sein, die Nebenkostenabrechnungen auch und gerade für Mehrhausanlagen trotzdem noch so vollständig und genau wie möglich vorzunehmen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.