12.01.2021 Ausgabe: 8/20

Richtig damit umgehen - Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung und Abwahl des Verwalters aus nicht wichtigem Grund nach neuem WEG

Was wurde in den letzten Monaten im Zuge der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) nicht alles öffentlich geäußert. Von der „Allmacht des Verwalters“ und der „Entmachtung der Eigentümer“ war die Rede. Insbesondere nach Vorlage des Regierungsentwurfes Ende März 2020 und im weiteren parlamentarischen Verfahren ist der teils unsachliche Ton einzelner Medien und Verbraucherschutzverbände schärfer geworden. Der Druck auf die Regierungskoalition nahm zu. In der Folge kam es jedoch nicht mehr zu strukturellen Eingriffen, sondern nur zur Modifikation einzelner Punkte. Erstaunlich war, dass diejenigen, welche die lauteste Kritik übten, das beschlossene Gesetz dann überaus begrüßten. Neben der Beschränkung der Vertretungsmacht des Verwalters bei Grundstückskauf- oder Darlehensverträgen (§ 9b Abs. 1 WEG) gehörten dazu die Möglichkeit der jederzeitigen Abberufung des Verwalters (§ 26 Abs. 3) und Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung von untergeordneter Bedeutung (§ 27 Abs. 1), die für Beifall auf dieser Seite sorgten. Doch was steckt wirklich hinter den neuen Regelungen? Und vor allem:

Wie sollten Verwalter damit umgehen?
Mir ist kein Verwalter bekannt, der in der Vergangenheit ohne WEG-Beschluss Grundstückskauf- oder Darlehensverträge schloss. Diese „Beschränkung“ im neuen WEG ist daher allenfalls Kosmetik und kann schmunzelnd vernachlässigt werden. Doch wie sieht es bei Maßnahmen von „untergeordneter Bedeutung“ aus, „die nicht zu erheblichen Verpflichtungen führen“ und zu deren Wahrnehmung gegenüber der Gemeinschaft der Verwalter berechtigt und verpflichtet ist? Im Gesetzentwurf stand noch: Der „Verwalter ist berechtigt und verpflichtet, die Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung zu treffen, über die eine Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer nicht geboten ist“. Spätestens an dieser Formulierung (wie auch bei der unbeschränkten Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis § 9b Abs. 1) wurde die Diskussion ruppig. Die letztlich im Bundestag verabschiedete Formulierung paraphrasiert allerdings nur die ursprüngliche Regelung. In der Praxis bedeutet es dennoch einen Paradigmenwechsel. Der Verwalter entscheidet in der laufenden Verwaltung und hat allein abzuwägen, ab welchem Punkt es zu erheblichen Verpflichtungen kommen kann. Dies hängt ganz wesentlich von der Größe der jeweiligen Gemeinschaft ab: je größer die Anlage, desto höher die Eigenverantwortlichkeit des Verwalters. Zwar steigt die Verantwortung des Verwalters, aber im Ergebnis zeigen sich wohl nur geringe Unterschiede zum alten § 27 WEG. Zukunftsgerichtet aufgestellte Verwaltungen können durch den neuen § 27 Abs. 2 aber auch profitieren. Durch Erweitern oder Beschränken von Rechten und Pflichten des Verwalters per Beschluss der Eigentümer wird es möglich, sich vom Wettbewerb abzuheben. Künftig kann der Verwalter nämlich nur noch die Abrechnung oder einen breiteren Leistungskatalog übernehmen. Der Grad der Spezialisierung wird zunehmen, was dem Berufsbild zugute kommen wird.

Und die jederzeitige Abberufung durch Mehrheitsbeschluss?
Es gibt wenige Verwalter, die an dieser Regelung zwei Dinge kritisieren: 1. haben sie keine Planungssicherheit, und 2. sinkt bei einem Verkauf nunmehr der Preis, weil die Gefahr der jederzeitigen Abberufung für den Käufer droht.
Ja, das Risiko einer vorfristigen Beendigung des Vertrages ist womöglich partiell gestiegen. Und: Nein, die Verkaufspreise werden langfristig nicht fallen. Niemand glaubt ernsthaft, dass der Gesetzgeber bei einer Reform zugunsten des Verbraucherschutzes einkalkuliert, wie Verkaufspreise eines Tages aussehen. Gerade in diesem Punkt ging es um „Chancengleichheit“, hatte doch der Verwalter mitunter die Möglichkeit, sein Amt vorfristig niederzulegen. Es mag zwar kein Trost sein, noch bis zu sechs Monate nach Abberufung seine Vergütung zu erhalten, aber mal ehrlich: Wer möchte für eine Gemeinschaft tätig sein, die Mehrheitlich gegen einen ist? Und ergänzend sei angeführt: Wovor sollte ich mich ängstigen, wenn ich einen guten Job mache? Allerdings habe ich auch schon von einzelnen Verwaltern gehört, dass sie sich jetzt besonders gut mit dem Beirat stellen müssten, damit ihnen das nicht passiere. Hand aufs Herz: Wenn mir was an einer WEG liegt, habe ich so oder so ein gutes Verhältnis zum Beirat, schließlich organisiert er oft die Mehrheitsbeschlüsse.

In § 26 Abs. 3 WEG liegen vielmehr auch neue Vergütungschancen. Preisen Sie bei Neubestellungen das Risiko künftig ein! Überlegen Sie, ob es nicht an der Zeit ist, sich von missliebigen, streitsüchtigen und problembehafteten Eigentümergemeinschaften zu trennen! Zukünftig kann sich ein professioneller Verwalter mehr denn je aussuchen, welche Gemeinschaft er ins Portfolio nimmt. Dies gilt auch dann, wenn dem Vor-Verwalter aus nichtigem Grund außerordentlich gekündigt wurde. Glauben Sie mir, dass spricht sich ruckzuck herum. Gemeinschaften werden so ganz schnell begreifen, dass sich eine Abwahl des Verwalters als Bumerang erweisen kann: Wer um Regen bittet, muss auch den Schlamm verkraften.

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Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland