14.04.2021 Ausgabe: 2/21

Schadenersatzpflicht des Untermieters bei Nichträumung

(BGH Urteil vom 11.12.2020 – Az. V ZR 26/20)

DAS THEMA
Ein Untermieter genießt deutlich weniger Schutz als der Mieter, gerade im Wohnraummietrecht. Räumt der Mieter nach Kündigung (und gegebenenfalls einem Räumungsprozess) nicht rechtzeitig, so muss er gemäß § 546a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Nutzungsentschädigung mindestens in Höhe der vertraglich vereinbarten Miete bezahlen, falls die ortsübliche (marktübliche) Miete darüber liegt, auch in dieser Höhe. Weitere Schäden muss der Mieter gemäß § 571 Abs. 2 BGB nicht ersetzen. Dies gilt gerade auch dann, wenn dem gekündigten Mieter im Räumungsprozess eine zivilprozessuale Räumungsfrist nach § 721 Zivilprozessordnung (ZPO) gewährt wird. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte nun zu entscheiden, ob diese Privilegierung auch für einen Untermieter gilt.

DER FALL
Im entschiedenen Fall spitzte sich die Frage nach dem Schadensersatz des Untermieters tatsächlich zu. Der Hauptvermieter hatte eine über 100 Quadratmeter (qm) große Wohnung an den Hauptmieter vermietet, und dieser hatte – jedenfalls mit vermutetem Einverständnis des Hauptvermieters – eine nur sieben qm große Kammer an einen Untermieter überlassen. Der Hauptmieter verstarb, und damit endete das Hauptmietverhältnis im November 2014. Am 29. Dezember 2014 forderte der Hauptvermieter den Untermieter zur Herausgabe der Wohnung auf. In einem Räumungsprozess wurde der Untermieter rechtskräftig verurteilt, und ihm wurde eine Räumungsfrist bis zum 30. September 2016 gewährt. Der Hauptvermieter verlangt nun Schadensersatz für den Zeitraum März bis September 2016, und zwar Nutzungsentschädigung in Höhe der ortsüblichen Miete für die gesamte Wohnung, nicht nur für die vom Untermieter genutzte Kammer. Der Hauptvermieter hatte unwidersprochen vorgetragen, dass die Wohnung aufgrund der fortgesetzten Nutzung durch den Untermieter nicht weiter vermietbar war.

Die Vorinstanzen und der BGH gaben dem klagenden Hauptvermieter Recht. Der Räumungsanspruch des Hauptvermieters gegen einen Untermieter stützt sich nicht auf das Mietrecht, da zwischen diesen Parteien kein direktes Vertragsverhältnis besteht, vielmehr handelt es sich um einen Anspruch aus dem Eigentumsrecht nach § 987 BGB. Zwar hat der Untermieter zunächst ein vom Hauptmieter abgeleitetes Besitzrecht, jedenfalls dann, wenn der Hauptvermieter, wie hier, die Erlaubnis zur Untervermietung erteilt hatte. Dieses Besitzrecht entfällt mit Beendigung des Hauptmietverhältnisses und einem Räumungsverlangen gegenüber dem Untermieter. Ab diesem Zeitpunkt ist der Untermieter bösgläubig und schuldet damit Schadensersatz aus § 990 BGB.

Streitig und bislang noch nicht entschieden war, ob § 571 BGB als mietrechtliche Vorschrift auch auf das sachenrechtlich zu beurteilende Verhältnis zwischen dem Hauptvermieter und dem Untermieter anwendbar ist. Diese Norm hätte den Schaden auf die Nutzungsentschädigung, also auf die ortsübliche Miete für die tatsächlich an den Untermieter überlassene und von diesem genutzte Fläche beschränkt, hier also auf die Miete für die winzige Kammer, nicht die Miete für die weit größere Rest-Wohnung. Schon aufgrund der systematischen Stellung im Mietrecht kann § 571 BGB unmittelbar nur im Verhältnis zwischen Hauptvermieter und Mieter angewendet werden, da sie das Bestehen eines beendeten Mietverhältnisses voraussetzt. Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift hat der BGH verneint. Jedenfalls könnte selbst die analoge Anwendung nicht dazu führen, dass sich die geschuldete Nutzungsentschädigung nur auf die untervermieteten Räume beschränkt; vielmehr wäre auch dann die Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung geschuldet. Hierzu arbeitet der BGH den Zweck der Mieterschutzvorschrift, § 571 BGB, heraus. Diese soll verhindern, dass der Mieter aus Sorge vor Schadensersatzansprüchen, die er vielleicht finanziell nicht stemmen kann, auf eine für ihn notwendige zivilprozessuale Räumungsfrist verzichtet, obwohl er hierauf angewiesen wäre. Ein Ausgleich mit dem Interesse des (Haupt-) Vermieters erfolgt im direkten Verhältnis zwischen den Mietparteien dadurch, dass der Mieter Nutzungsentschädigung für die gesamte Mietfläche schuldet, die er mit dem (beendeten) Mietvertrag angemietet hatte.

Der BGH argumentiert nun, dass dieser Interessenausgleich entsprechend auch zwischen Hauptvermieter und Untermieter stattfinden muss, wenn die Vorschrift des § 571 BGB analog angewendet werden sollte. In diesem Fall wäre also der Untermieter verpflichtet, Nutzungsentschädigung für die gesamte Mietfläche zu zahlen, nicht nur für den an ihn untervermieteten Teil. Hierin liegt auch keine unangemessene Benachteiligung des Untermieters. Denn dieser befand sich nie in einem direkten mietvertraglichen Verhältnis mit dem Hauptvermieter, sondern konnte sein Besitzrecht immer nur vom Mieter ableiten. Eine Beschränkung der Rechte des Hauptvermieters bzw. dessen Benachteiligung ist daher nicht durch die vertragliche Ausgestaltung des Untermietverhältnisses, insbesondere durch dessen geringere Mietfläche, zu rechtfertigen. Vor allem kann sich aus der im Untermietverhältnis vereinbarten kleineren Mietfläche keine geringere Nutzungsentschädigung zulasten des Hauptvermieters ergeben.

VERWALTERSTRATEGIE
Der Fall mag mag noch exotisch erscheinen, doch angesichts nach wie vor knappen Wohnraums in begehrten Städten und vor allem einer sich rasant ändernden Arbeitswelt mit Remote Work, also Arbeit fern vom eigentlichen Arbeitsplatz, dürfte die Untervermietung immer beliebter werden. In der Regel haben Wohnungsmieter – jedenfalls gegen Zahlung eines angemessenen Untermietzuschlags – einen Anspruch auf die Zustimmung des Hauptvermieters zu einer teilweisen Überlassung einzelner Zimmer an einen Untermieter. Endet das Hauptmietverhältnis durch Kündigung einer der Parteien oder wie hier durch Tod des Mieters und Nichteintritt von im Haushalt lebenden Personen, so ist der Hauptvermieter auf einmal mit einem Untermieter konfrontiert, mit dem er seinerseits nie ein Vertragsverhältnis hatte. Der BGH deutet an, dass eine Räumungsaufforderung gegenüber dem Untermieter möglicherweise gar nicht notwendig ist, jedenfalls wenn diesem bekannt ist, (wie hier durch Tod des Hauptmieters, seines ehemaligen Mitbewohners) dass das Hauptmietverhältnis beendet ist. Trotzdem sollte dem Untermieter eine solche Räumungsaufforderung zugestellt werden, schon um den Beginn einer möglichen Schadensersatzpflicht zu konkretisieren. Hierbei kann der Untermieter auch gleich aufgefordert werden, nun die Miete/Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung zu zahlen, die ihm möglicherweise gar nicht bekannt ist. Während der Dauer des anschließenden Räumungsprozesses trägt der Hauptvermieter natürlich das Insolvenzrisiko des Untermieters, von dem er auch keine Kaution hat. Allerdings fällt zugunsten des Hauptvermieters ins Gewicht, dass die Nutzungsentschädigung sich nach der marktüblichen Miete bemisst, also weder ein örtlicher Mietspiegel noch die Beschränkungen durch die Mietpreisbremse berücksichtigt werden müssen, sondern Nutzungsentschädigung in Höhe der marktmäßig erzielbaren Miete verlangt werden kann, eine Differenz, die in manchen Großstädten durchaus signifikant ist.


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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.