07.03.2013 Ausgabe: 2/2013

Schlagfertigkeit im Streit

Mieter und selbst nutzende Eigentümer können ganz furchtbar Staub aufwirbeln: Der Fernseher des Nachbarn ist zu laut, Kinder schreien, der Müll stinkt, die Putzfrau hat das Treppenhaus nicht richtig gefegt, die Wege sind zugeparkt, es riecht nach Katze, die Hecke ist zu hoch, der Waschraum ständig belegt und der Rasenmäher macht auch Geräusche. Die Beschwerde gehört zum Zusammenwohnen wie der Fernsehturm zu Berlin.

Früher oder später landen Beschwerden von Hausbewohnern bei ihnen – bei der Hausverwaltung. Und wenn die Betroffenen erst einmal genügend Staub aufgewirbelt haben, können auch sie nichts mehr sehen: Wer ist im Recht? War der Lärm wirklich so belastend? Hat der Nachbar überhaupt eine Katze? Und wem gehört das Auto da auf dem Gehweg? Zu allem Überfluss stehen vor ihnen teils wütende und sehr entschlossene Menschen, die keinen Fingerbreit von ihrem vermeintlichen Recht abrücken wollen. Oft haben Sie das Gefühl, dass selbst schlichte Sachargumente am Beschwerdeführer abprallen. Nach einem solchen Gespräch fühlen Sie sich erschöpft und ärgern sich, dass Sie im geeigneten Augenblick nicht die richtigen Worte gefunden haben.

So geht es uns allen. Wir alle wünschen uns, schlagfertig zu sein und Streitgesprächen ruhig und gelassen entgegenzutreten. Doch wie sagte der Schriftsteller Mark Twain einmal so schön: Schlagfertigkeit ist das, worauf man erst vierundzwanzig Stunden später kommt. Woran liegt das?

Drohungen, Killerphrasen, Nebenkriegsschauplätze

In Streitgesprächen werden wir unmerklich manipuliert. Es gibt eine Fülle subtiler Techniken, die auf den ersten Blick normal erscheinen: Dazu gehören die Manipulation von Gefühlen, die „Argumentation“ mit falschen Fakten, Gerüchte über Dritte oder sanfte Dominanzgebärden. Sobald Emotionen hochschlagen, greifen manche Menschen ihre Glaubwürdigkeit an oder versuchen, ihre Kompetenz zu erschüttern. Permanentes Unterbrechen gehört genauso ins Waffenarsenal des Streitführers wie Drohungen, Killerphrasen oder das Aufmachen von Nebenkriegsschauplätzen.

Stellen sie sich vor, sie möchten einige Sanierungsarbeiten in einer Wohnung vornehmen lassen und der Mieter wirft ihnen folgenden Satz entgegen: „Totaler Blödsinn, ihr sogenanntes Sanierungskonzept. Sie wollen doch nur die Miete erhöhen!“ Sie selbst reagieren wahrscheinlich mit erstaunter Betroffenheit. Der Grund ist, dass in diesem Satz vieles enthalten ist, was nicht ausgesprochen wird. Im Grunde genommen werden sie als Mensch verurteilt: Sie werden als unaufrichtig hingestellt und ihre Motive als boshaft gebrandmarkt. Der Angriff zielt auf sie als Person.

Sachliche Schlagfertigkeit, die sie durch ihre Sachkompetenz sicher auf ihrer Seite wissen, hilft Ihnen jetzt nicht weiter. Hier müssen Sie sich als Mensch verteidigen. Erst dann können Sie den Blick des Mieters langsam wieder auf das eigentliche Thema lenken: Dringend notwendige Reparaturen in seiner Wohnung.

Die Energie des Angreifers für sich nutzen

Diese Technik der rhetorischen Selbstverteidigung nennt man emotionale Schlagfertigkeit. Die Kraft dieser Technik wird oft unterschätzt. Doch letztendlich ist sie es, die uns Ruhe und Gelassenheit auch in schwierigen Gesprächssituationen ausstrahlen lässt. Wie bei asiatischen Kampfsportarten üben sie, die Energie des Angreifers für sich zu nutzen. Vor allem bei emotionalen Angriffen vermeiden sie, ihre Kräfte unmittelbar gegen die Kraft des anderen zu setzen. Stattdessen springen gedanklich zur Seite und lassen den Angriff ins Leere laufen. Sie kanalisieren verbale Gewalt.

In der Praxis könnten sie den Mieter zum Beispiel folgendes fragen: „Das höre ich zum ersten Mal, Herr/Frau … . Wie genau kommen sie zu dieser Einschätzung?“ Sie könnten auch antworten: „Da muss ich Sie enttäuschen, Herr/Frau … . Es geht uns nicht um die Mieterhöhungen. Für eine Sanierung sprechen drei Gründe: …“ Ziel ist, den emotionalen Angriff abzuwehren und das Gespräch auf die Sach­ebene zurückzulenken, ohne den Konflikt weiter eskalieren zu lassen. 

Ganz bei sich selbst bleiben in Konfliktgesprächen

Nicht immer ist das möglich. Auch wenn Sie ruhig und selbstbewusst bleiben, die Gefühle Ihres Gesprächspartners liegen nicht immer in ihren Händen. Wenn nichts mehr hilft, droht die Wucht seiner negativen Gefühle sie wie in einem Strudel mitzureißen. Damit die Situation nicht über ihre Kräfte geht, müssen sie lernen, ihre eigene aufschäumende Empörung wieder zu besänftigen. In der Fachsprache nennt man diese Übungen „Emotionsregulation“.

All diese Techniken sind erlernbar: die Emotionsregulation, schlagfertige und dennoch freundliche Antworten und der Umgang mit Killerphrasen, Drohungen und Dominanzgebärden. Dabei sollen sie sich nicht verbiegen oder zu Schauspielern werden. Sondern sie sollen ganz bei sich selbst bleiben und den Konfliktgesprächen, die sie führen, eine sachlich bestimmte und selbstbewusste Note geben.

Der DDIV veranstaltet am 29. Oktober 2013 das Seminar „Wie führe ich Konfliktgespräch“. Darin erlernen die Teilnehmer Fähigkeiten und Techniken, um in Streitgesprächen mit den richtigen Argumenten schlagfertig und selbstbewusst auftreten zu können.

Foto: © ollyy  / Shutterstock.com


Harre, Dr. Angela

Dr. Angela Harre ist als Selbständige im Reputationsmanagement tätig. In den Jahren 2010 und 2011 arbeitete sie in der politischen Lobbyarbeit für eine große anglo-amerikanische PR-Agentur in Berlin. Zuvor war sie langjährige Universitätsdozentin und Pressesprecherin eines internationalen Forschungsprojekts. Während ihrer Promotion war sie als Journalistin für verschiedene deutsche Fachzeitschriften tätig. www.cerialia.de