14.12.2020 Ausgabe: 7/20

Schonfristzahlung schliesst Härtegründe aus

(BGH, Urteil vom 1.7.2020 – Az. VIII ZR 323/18)

DAS THEMA
Bereits mit Urteil vom 19. September 2018, veröffentlicht in DDIVaktuell 2/19, hat der Bundesgerichtshof (BGH) zur Schonfristzahlung und der Rechtswirkung dieser Schonfristzahlung auf die außerordentliche Kündigung entschieden, mit erheblichen praktischen Konsequenzen. Die Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ermöglicht es dem Mieter, bei einer außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Rückstände innerhalb bestimmter Fristen zu begleichen (oder von einer öffentlichen Stelle, insbesondere dem Jobcenter, übernehmen zu lassen) und damit die außerordentliche Kündigung, untechnisch gesprochen: unwirksam zu machen. Entgegen der bisher überwiegenden Auffassung in der Literatur setzt diese Schonfristzahlung nach dem BGH-Urteil vom September 2018 nicht ein neues Mietverhältnis in Kraft, sondern nimmt der außerordentlichen Kündigung rückwirkend die Gestaltungswirkung, sodass die außerordentliche Kündigung das Mietverhältnis nicht beendet, sondern das bisherige Mietverhältnis unbeendet lässt. Der BGH hat in dieser Entscheidung auch klargestellt, dass eine gleichzeitig ausgesprochene ordentliche fristgerechte Kündigung das Mietverhältnis aber nach Ablauf der Kündigungsfrist beendet.

Gegen eine ordentliche Kündigung kann der Mieter allerdings Härtegründe nach §§ 574, 574a BGB vorbringen. Dieser Einwand steht dem Mieter jedoch nach § 574 Abs. 1 S. 3 BGB nicht zu, wenn die ordentliche Kündigung auf Gründen beruht, die den Vermieter auch zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigen würden. Der BGH hatte nun zu entscheiden, ob eine Schonfristzahlung dazu führt, dass der Mieter gegen die ordentliche Kündigung auch wieder Härtegründe einwenden kann.

DER FALL
Auch hier ging es um einen Standard-Sachverhalt: Die Beklagte zu 1) war in den Mietvertrag ihres vor Langem verstorbenen Ehemanns eingetreten und war alleinige Mieterin. Sie hatte später ihren Lebensgefährten in die Wohnung aufgenommen und lebte dort mit zwei gemeinsamen minderjährigen Kindern. Der Vermieter hatte das Mietverhältnis zunächst wegen Rückständen von zwei Monaten fristlos und außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt und im Laufe der ersten Instanz wegen weiterer Zahlungsrückstände erneut die ordentliche und außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Doch die Schonfristzahlung wurde fristgerecht vom Jobcenter geleistet. Gegenüber dem Räumungsanspruch aus der ordentlichen Kündigung berief sich die beklagte Mieterin auf Härtegründe, insbesondere die langjährige Verbundenheit mit dem Wohnviertel, den fehlenden Ersatzwohnraum und die bei beiden Kindern bestehenden Entwicklungsauffälligkeiten.

Der Fall wies eine prozessuale Besonderheit auf, die hier jedoch nur kurz gestreift werden soll: Die Berufungsinstanz hatte zunächst ein Teilurteil gegen die Mieterin erlassen und für dieses ausdrücklich die Revision zugelassen; das Verfahren gegen ihren Lebensgefährten wurde zunächst einmal ruhend gestellt. Schon dieses Teilurteil ist nach Ansicht des BGH unzulässig, ein Teil-Räumungsurteil kann immer zu divergierenden Entscheidungen zwischen den beiden Mietern/Nutzern führen, da keine Bindung an die Entscheidung gegenüber dem einen Mieter im Verfahren gegenüber dem anderen Mieter besteht. So könnte der Lebensgefährte divergierende Härtegründe, zum Beispiel in seiner Person, geltend machen, ebenso könnte der Vermieter gegenüber dem Lebensgefährten, der nicht Mieter ist, anders argumentieren.

In der Revisionsinstanz war unstreitig, dass Zahlungsverzug in einer Höhe vorlag, der beide ausgesprochenen Kündigungen rechtfertigte, und zwar sowohl als fristlose außerordentliche wie auch als ordentliche Kündigung. Die Berufungsinstanz hatte auch richtig angenommen, dass durch die Schonfristzahlung die außerordentliche fristlose Kündigung unwirksam wird und die ordentliche Kündigung hiervon nicht berührt wird. Es war daher zu prüfen, ob Härtefallgründe überhaupt geltend gemacht werden können, oder ob diese gemäß § 574 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen sind, weil die ordentliche Kündigung auf Gründen beruhte, die den Vermieter auch zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigten. Die Berufungsinstanz hatte argumentiert, dass dieser Ausschluss von Härtefallgründen teleologisch reduziert werden müsse und jedenfalls dann nicht gelten könne, wenn eine wirksame Schonfristzahlung die außerordentliche Kündigung wirkungslos gemacht habe.

Dieser Ansicht erteilte der BGH eine Absage. Der Wortlaut des Gesetzes ist klar: Für den Ausschluss von Härtefallgründen genügt es, dass im Zeitpunkt der ordentlichen Kündigung auch ein Grund zur fristlosen Kündigung vorliegt. Es ist nicht einmal notwendig, dass die außerordentliche fristlose Kündigung auch ausgesprochen wird. Zweck des Gesetzes ist es, den Vermieter vor einer Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz schwerer Vertragsverstöße des Mieters zu bewahren. Dieser schwere Verstoß durch Zahlungsverzug wird – entsprechend des Vorgängerurteils vom Herbst 2018 – nicht durch die Schonfristzahlung beseitigt. Diese beseitigt lediglich rückwirkend die Wirkung der außerordentlichen Kündigung. Sie lässt den Grund für die außerordentliche Kündigung aber nicht entfallen. Eine teleologische Reduktion der Ausschlussvorschrift ist insoweit nicht möglich. Der BGH entnimmt den Gesetzesbegründungen sowohl zum Ausschluss der Härtefallgründe wie auch zur Schonfristzahlung, dass hier keine planwidrige Lücke besteht. Nachdem gravierende Störungen des Vertragsverhältnisses in der Vergangenheit eingetreten waren, ist die Berufung auf einen Härtefall nicht möglich. Die Schonfristzahlung beseitigt nur die Wirkung der Kündigung, nicht aber die einmal aufgetretenen gravierenden Vertragsstörungen.

Verwalter­strategie
Auch dieses Urteil zeigt nochmals deutlich, wie wichtig es ist, neben der außerordentlichen fristlosen Kündigung bei Zahlungsverzug auch hilfsweise die ordentliche Kündigung auszusprechen, auch wenn diese erst nach Ablauf der Kündigungsfrist wirkt. Das vorliegende BGH-Urteil wendet die im Vorgängerurteil entwickelten Rechtsgrundsätze zur Gestaltungswirkung der Schonfristzahlung konsequent an. Eine Berufung auf einen Härtefall und die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit ist daher nicht möglich. Lediglich im Rahmen der prozessualen Räumung nach Ergehen eines Räumungsurteils könnte noch befristeter Räumungsschutz gewährt werden.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.