20.07.2015 Ausgabe: 5/2015

Schranken einer Öffnungsklausel (Belastungsverbot)

Was war passiert: Eine Wohnanlage bestand aus sechs Einheiten, auf die jeweils 1/6 Miteigentumsanteil entfiel. Den beiden Erdgeschoss-Einheiten war das Sondernutzungsrecht an den ihre Einheiten umgebenden Gartenflächen zugeordnet. Zu den Instandhaltungspflichten bezüglich der Gartenflächen war in der Teilungserklärung keine Regelung enthalten. Die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oblag gem. § 6 Nr. 1 der Teilungserklärung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Es gab jedoch eine allgemeine Öffnungsklausel in § 4 der Teilungserklärung, wonach deren Änderung mit einer qualifizierten 2/3-Mehrheit möglich sein sollte. Die Wohnungseigentümer beschlossen mit 4:2 Stimmen, dass hinsichtlich der Sondernutzungsflächen der Erdgeschosswohnungen die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung in Gestalt von Gartenpflege- und Reinigungsarbeiten den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten obliegen sollten und diese auch die dadurch entstehenden Kosten tragen sollten. Diesen Beschluss griff eine der beiden Eigentümerinnen einer Erdgeschosswohnung mit der Anfechtungsklage an.

Die Meinung des Gerichts: Der BGH erklärte den Beschluss in letzter Instanz für unwirksam. Er hält den Beschluss zwar inhaltlich für ausreichend bestimmt und auch in formeller Hinsicht für wirksam, es scheitert jedoch an der materiellen Wirksamkeit. Nach den Ausführungen des BGH sind insbesondere zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Diese können sich einerseits aus den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 134, 138, 242 BGB und aus den zum Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts zählenden Vorschriften ergeben (wozu u. a. unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören). Was nicht einmal durch eine Vereinbarung geregelt werden kann, entzieht sich erst recht einer Regelung durch Beschluss. Andererseits ist eine derartige Öffnungsklausel aber auch durch Individualrechte begrenzt, die zwar nicht entzogen werden können, auf die die nachteilig betroffenen Wohnungseigentümer aber ihrerseits verzichten können. Ein Beschluss, der in solche Rechte eingreift, ist solange schwebend unwirksam, bis der durch den Beschluss ungünstig betroffene Wohnungseigentümer zustimmt. Wenn die Zustimmung jedoch verweigert wird, tritt die endgültige Unwirksamkeit des Beschlusses ein. Diese Folge ergibt sich aus dem Belastungsverbot, das jeden Wohnungseigentümer davor schützt, dass ihm neue Leistungspflichten auferlegt werden. Den Wohnungseigentümern dürfen im Nachhinein keine Leistungspflichten aufgebürdet werden, die über das Gesetz und über die bereits vorhandenen Bestimmungen in der Teilungserklärung hinausgehen. Auch wenn es regelmäßig üblich ist, einem Sondernutzungsberechtigten auch die Pflicht zur Instandhaltung dieser Fläche auf eigene Kosten aufzuerlegen, kann dies – wenn in der Teilungserklärung oder durch Vereinbarung keine solche Regelung getroffen wurde – im Nachhinein nur noch mit Zustimmung des Betroffenen erfolgen. Nachdem im hier zu entscheidenden Fall die betroffene Wohnungseigentümerin gegen den Beschluss geklagt hatte, hat sie ihre Zustimmung ausdrücklich und endgültig verweigert. Der Beschluss war daher wegen eines Verstoßes gegen das Belastungsverbot für unwirksam zu erklären.

Dokumentation: BGH, Urteil vom 10.10.2014 – V ZR 315/13 = ZWE 2015, 131.

Ratschlag für den Verwalter: Auch wenn in der Teilungserklärung einer WEG eine sogenannte „Öffnungsklausel“ enthalten ist, die Änderungen der Gemeinschaftsordnung erlaubt, sind Beschlussfassungen hierüber dennoch nicht unbeschränkt möglich. Insbesondere ist das Belastungsverbot zu beachten, wonach den Wohnungseigentümern nachträglich keine Leistungspflichten auferlegt werden können, die weder im Gesetz noch in der Teilungserklärung vorgesehen sind. Jedenfalls kann eine solche Beschlussfassung nur mit Zustimmung der betroffenen Wohnungseigentümer erfolgen. Anderenfalls ist der Beschluss schwebend unwirksam. Denkbar ist es jedoch, eine Kostenverteilung etwa hinsichtlich der Kosten für die Gartenpflege gem. § 16 Abs. 3 WEG abweichend von der allgemeinen Kostentragungsregelung des § 16 Abs. 2 WEG zu beschließen.

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Ottlo, Claudia

Die Rechtsanwältin ist in der Kanzlei „Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“ schwerpunktmäßig auf den Gebieten Miet- und WEG-Recht tätig.
www.sibeth.com