21.04.2017 Ausgabe: 3/2017

Schwer zu tragen

Die Verantwortlichkeiten für den Betrieb von Aufzugsanlagen – wie sind sie verteilt, und was gilt für die Gefährdungsbeurteilung?

Aufzugsanlagen sind i.d.R. überwachungsbedürftige Anlagen, die der Betreiber in ordnungsgemäßem Zustand zu halten hat. Er muss erforderliche Wartungsarbeiten durchführen, notwendige Instandsetzungen unverzüglich vornehmen und die den Umständen nach erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen treffen (1). Für einen Arbeitgeber ist dieser Verantwortungsbereich gesetzlich geregelt, so § 1 Abs. 1 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Hiernach gilt, dass die Verwendung eines Aufzugs nur dann zulässig ist, wenn sowohl die Beschäftigten als auch andere Personen im Gefahrenbereich des Aufzugs ausreichend geschützt sind. Um dies zu gewährleisten, bedarf es vorrangig einer Gefährdungsbeurteilung (§ 3 BetrSichV). Dass ein Arbeitgeber in seinem Gebäude der Verantwortliche ist, bedarf keiner großen Überlegungen. Weniger beachtet wird aber, dass diese arbeitgeberseitige Verantwortung auch dann gegeben ist, wenn er seine Arbeitsstätte in angemieteten Räumen hat, also die Aufzugsanlage nicht in seinem Eigentum steht.

Die Verantwortung des Verwenders

Verwender einer überwachungsbedürftigen Anlage i. S. der BetrSichV ist, wer die tatsächliche oder die rechtliche Möglichkeit hat, die notwendigen Entscheidungen in Hinblick auf die Sicherheit der Anlage zu treffen. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. So kann auch ein Pächter oder Mieter Verwender einer überwachungsbedürftigen Anlage sein. Das bedeutet, dass der „eingemietete Arbeitgeber“, dessen Beschäftigte die Aufzugsanlage im Mietobjekt nutzen, ebenfalls Adressat der Sicherheitsverpflichtung ist, also auch eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen hat.

Die Verantwortung des ­Instandhaltungspflichtigen

Aufzugsanlagen sind fachkundig instand zu halten. Dass ein Fachunternehmen die Sicherheit seiner Beschäftigten gewährleisten muss, ist selbstverständlich. Nach der Rechtsprechung haben aber neben den zyklischen Wartungsleistungen auch regelmäßige (wöchentliche) Sichtkontrollen zu erfolgen (3). Werden also eigene Beschäftigte für diese Tätigkeit herangezogen, sind entsprechende, tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilungen vorab arbeitgeberseitig zu erstellen.

Die Verantwortung des ­Verkehrssicherungspflichtigen

Verkehrssicherungspflichten fordern die Einhaltung der Sorgfaltspflichten, damit aus einer potenziellen Schadenquelle keine konkreten Schäden resultieren (4). Regelmäßig werden in Mietverträgen Verkehrssicherungspflichten auf den Mieter übertragen. Soweit ­also vertragliche Pflichtenübertragungen bzgl. der Sicherheit von Aufzugsanlagen gegeben sein sollten, müssen diese Pflichten auch rechtssicher erfüllt werden. Daneben sind insbesondere Verantwortlichkeiten ­daraus gegeben, dass einem Nutzerkreis Aufzüge zur Verfügung gestellt werden (z. B. Parkhausbetreiber). Hier greift nicht die Verantwortlichkeit aus Sicht des Arbeitsschutzes, sondern aus der Verkehrssicherungspflicht, Schadeneintritte für andere Personen zu verhindern.

Der Umfang der Verantwortung

Für die Funktionstauglichkeit von Aufzugsanlagen gilt einerseits, dass Technik sicher sein muss. Andererseits kann nicht ernstlich verlangt werden, dass sie jederzeit einhundertprozentig funktioniert. Darum sind die zustandsorientierte Aufmerksamkeit gegenüber der Anlage, ihre fachkundige Handhabung und die bestimmungsgemäße Nutzung der Technik Grundvoraussetzungen für den sicheren Betrieb. In der VDI-Richtlinie 3810 Blatt 6 werden die Anforderungen an Betrieb und Instandhaltung von Aufzügen beschrieben. Hierzu zählen u. a. die wiederkehrenden Prüfungen, die Sicherstellung der Notbefreiung, die Beaufsichtigung sowie die Instandhaltung.

Gefährdungsbeurteilung als ­zentrale Pflicht

In vielen arbeitsschutzrechtlichen Verordnungen wird eine Gefährdungsbeurteilung als arbeitgeberseitige Basispflicht gefordert. „Der Arbeitgeber hat vor der Verwendung von Arbeitsmitteln die auftretenden Gefährdungen zu beurteilen (Gefährdungsbeurteilung), […].“ (§ 3 Abs. 1 BetrSichV). Das ist dem Arbeitgeber bekannt und soll hier nicht weiter vertieft werden.

Gefährdungsbeurteilung als Methode

Aus anderem Blickwinkel ist die Gefährdungsbeurteilung eine Methode, die sich an folgenden Punkten orientiert:

  • Risikoidentifikation
  • Risikoanalyse
  • Risikobewertung
  • Risikobehandlung

Was das aus Sicht der Rechtsprechung bedeutet, wird in dem Urteil des LG Detmold (5) anschaulich dargestellt: In einem auf Senioren ausgerichteten Kurheim verletzte sich eine betagte Dame durch einen Sturz, der im ­Zusammenhang mit der Nutzung eines ­Aufzugs stand. Durch das nicht bündige Erreichen einer Haltestelle kam es zu einem Versatz zwischen dem Fahrkorbboden und dem Stockwerksniveau, über den die Seniorin stürzte.

  • Risikoidentifikation: Technische Anlagen bedingen immer Risiken. Das Gericht ließ erkennen, dass höhere Sicherheitsmaßstäbe einzuhalten sind, wenn besondere Schutzbedürftigkeit gegeben ist.
  • Risikoanalyse: Halteungenauigkeiten einer Aufzugsanlage sind Stolperfallen.
  • Risikobewertung: Die Sturzgefahr ist so erheblich, dass Halteungenauigkeiten sofort behoben werden müssen.
  • Risikobehandlung: Die Einhaltung der fachkundigen Instandhaltung, die Erfüllung der gesetzlichen Prüfpflichten und die angemessene Sichtkontrolle reichen jedoch regelmäßig aus, die Betreiberpflichten zu erfüllen.

Da die Beklagte in vorliegendem Fall nachweisen konnte, dass sie die ihr obliegenden Pflichten umfänglich erfüllt hatte, wurde die Klage abgewiesen und der Klägerin mitgeteilt, dass auch sie und ganz besonders sie „die Augen hätte aufmachen müssen“.

Die Umsetzung in der ­Wohnungsverwaltung

Der Hausverwalter übernimmt insbesondere bei der WEG-Verwaltung die Sorge für die Instandhaltung und die Instandsetzung sowie die Verkehrssicherungspflichten der Wohnanlage gem. § 27 WEG (6). Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Instandhaltung dient dem Schutz der Eigentümer, der Mieter im Wohneigentum und der Personen, die das Objekt betreten, z. B. ­Postzusteller, ­Lieferanten, Besucher etc.

Bestandsanlagen unterliegen Alterungs- und Verschleißprozessen. Das rechtliche Risikoverständnis bezieht sich auf das Verhältnis zwischen der Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und dem Ausmaß des bei einem Schadeneintritt zu erwartenden Schadenumfangs: Wer nutzt den Aufzug? Wie oft wird der Aufzug genutzt? Welcher technische Stand muss erreicht werden/mindestens erhalten bleiben? Gibt es relevante Veränderungen, die eine Neubewertung des Risikos bedingen?

Der Verordnungsgeber hat die BetrSichV um den „Arbeitgeber ohne Beschäftigte“ erweitert. „Arbeitgeber ist, […] wer ohne Arbeitgeber zu sein zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken eine überwachungsbedürftige Anlage verwendet“ (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 BetrSichV). Wirtschaftliche Unternehmungen ohne Beschäftigte werden dem „echten“ Arbeitgeber gleichgestellt, damit auch diese den Rechtspflichten der BetrSichV bzgl. überwachungsbedürftigen Anlagen zu entsprechen haben. Das bedeutet: Ein Unternehmen, das Geld mit der Vermietung von Wohnobjekten (mit Aufzug) an Privatpersonen verdient, hat ebenfalls die Sicherheitsanforderungen der BetrSichV einzuhalten („Unteilbarkeit der Sicherheit“) (7). Die Schutzpflicht erstreckt sich hierbei konsequent auch auf den Schutz anderer Personen (sog. Dritte). Diese Sicht der Rechtsverordnung ist einerseits rechtsdogmatisch stimmig, andererseits aber verwirrend, da es in § 3 Abs. 1 S. 3 BetrSichV heißt, dass diese „Arbeitgeber ohne Beschäftigte“ keine Gefährdungsbeurteilung im arbeitsschutzrechtlichen Sinne machen müssen. Dies wird erst dann verständlich, wenn zwischen einer Gefährdungsbeurteilung im juristischen, arbeitsschutzrechtlichen Wortsinn und einer Gefährdungsbeurteilung als Methodik unterschieden wird.

Die Aufzugsanlage im Arbeitsalltag befördert etwaig Gefahrstoffe oder wird hinsichtlich der Traglast grenzwertig belastet. Solche Nutzungen sind in Aufzugsanlagen in reinen Wohngebäuden nicht zu erwarten. Darum ist der dem Arbeitgeber gleichgestellte „Arbeitgeber ohne Beschäftigte“ davon befreit, auch für solche potenziellen Gefährdungen entsprechende Gefährdungsbeurteilungen vorzuhalten.

Das bedeutet aber nicht, dass eine Aufzugsanlage im reinen Wohnbereich ohne eine Beurteilung von Gefährdungspotenzialen rechtssicher betrieben werden darf. Es gilt, dass bei der zu vermutenden bestimmungsgemäßen Nutzung von Aufzugsanlagen in Wohngebäuden es als ausreichend zu erkennen ist, wenn der Vermieter sich wegen der Überschaubarkeit der möglichen Gefährdungen an den produktimmanenten Vorgaben des Herstellers, an den Betriebsanweisungen des Errichters und/oder an den Empfehlungen des Wartungsunternehmens orientiert (8).

Es handelt sich hierbei um eine „Gefährdungsbeurteilung light“, weil die aus den Nutzungsabläufen in einem Wohngebäude zu erwartenden Gefährdungspotenziale unterhalb der Besorgnisschwelle des Arbeitsrechts liegen. Grundlegend ist, dass der Eigentümer/Vermieter belegbar über eigenes technisches Wissen verfügt und dass die Nutzer in den bestimmungsgemäßen Betrieb der Aufzugsanlage eingewiesen wurden (9). Darauf muss auch der Verwalter hinwirken.

Zum Nachlesen
1 AMEV, Broschüre 110, Aufzug-Service 2010, Stand 9/2015, S. 6; 2 Amtliche Begründung zur BetrSichV zu § 1 Abs. 3 BetrSichV; 3 OLG München, Beschluss vom 25.8.2011, AZ 1U1798/11, Rdnr. 15; 4 Hardt in Damm/Hardt, Verkehrssicherungspflichten in der Immobilienwirtschaft, 3. Aufl., S. 22 f; 5 LG Detmold, Urteil vom 4.8.2014, AZ 1O228/13; 6 Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, 9. Aufl. 2011, S. 249; 7 Amtliche Begründung zur BetrSichV zu § 2 Abs. 3 BetrSichV; 8 Hardt in Damm/Hardt, Verkehrssicherungspflichten in der Immobilienwirtschaft, 3. Aufl., S. 46; 9 Hardt, a.a.O. S. 45ff


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Hardt, Hartmut

Rechtsanwalt VDI www.ra-hardt.de