03.12.2021 Ausgabe: 8/21

Tendenz steigend - Zu den Ursachen für den starken Anstieg der Energiepreise in Deutschland

Die Gas- und Strompreise in Deutschland tendieren zum Rekordhoch, Verbraucher müssen sich in diesem Winter auf deutlich höhere Kosten für Heizung und Warmwasser einstellen. Dabei sind wir ohnehin seit vielen Jahren Spitzenreiter in Europa, derzeit mit durchschnittlich 30 Cent pro Kilowattstunde (kWh). Steuern, Abgaben und Umlagen machen für Endverbraucher etwa die Hälfte des Strompreises aus, der sich seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt hat – auch wegen der EEG-Umlage zur Finanzierung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien. In die Debatte um sie wird mit der neuen Bundesregierung allerdings Bewegung kommen: Ihre Abschaffung steht in den Wahlprogrammen aller Parteien. Im kommenden Jahr wird sie bereits um mehr als 40 Prozent auf 3,7 Cent/kWh gesenkt, der niedrigste Stand seit zehn Jahren. Noch sind es 6,5 Cent/ kWh, etwa 21,4 Prozent des Strompreises.


Entwicklung auf den Märkten
Dass die Preise in diesem Jahr ungewöhnlich früh stiegen, liegt u. a. an der Entwicklung auf Europas Großhandelsmärkten. Seit vergangenem Herbst ist der Preis für Strom an der Energiebörse EEX stark gestiegen, weil auch die Verschmutzungsrechte im europäischen Emissionshandel einen Höchststand erreicht haben: Wurden sie an der Londoner Terminbörse im März 2020 noch mit unter 16 Euro pro Tonne gehandelt, sind es jetzt 50 Euro.

Noch stärker ist der Gaspreis gestiegen: die Einfuhrpreise für Erdgas allein von Januar bis Juli 2021 um 42 Prozent. Mehr als 30 regionale Gasanbieter kündigten für den Herbst Preiserhöhungen um durchschnittlich 12,6 Prozent an – Mehrkosten von 188 Euro jährlich für das Beheizen eines Einfamilienhauses.

Hauptursache für diese Entwicklung sind nur einerseits die Großhandelspreise. Andererseits ist es die CO2 -Bepreisung fossiler Brennstoffe, die zum Jahreswechsel von 25 auf 30 Euro je Tonne angehoben wurde und Gas um etwa 0,45 Cent/kWh verteuert hat. Bis 2026 soll die CO2 -Steuer auf 60 Euro steigen, etwa 15 Cent/Liter Benzin, 17 Cent/Liter Diesel. Die Energiekosten pro Haushalt werden so im Schnitt um 120 Euro/Jahr steigen, mit Ölheizung sogar um 288 Euro/Jahr.


Verknappung und Inflation
Europas Energiewirtschaft klagt seit Monaten über den Rückgang der russischen Gaslieferungen und sich leerende Speicher. Branchenbeobachter äußerten, die Verknappung ziele darauf ab, die Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nordstream 2 zu sichern. Inzwischen hat der russische Präsident zugesichert, die Speicher im November wieder aufzufüllen.

Vervielfacht haben sich die Energiepreise seit Jahresbeginn nicht nur in Deutschland, sondern weltweit, insbesondere in Europa, und einige große Volkswirtschaften beklagen starke Inflation – in Deutschland erstmals seit knapp 28 Jahren über vier Prozent. Die Energiepreise könnten dies in den kommenden Monaten noch verstärken. Das Dringlichkeitstreffen der EU-Energieminister am 26. Oktober in Luxemburg führte zu keiner Einigung auf ein gemeinsames Vorgehen. Zu unterschiedliche Positionen vertreten einerseits die nordeuropäischen Länder, die den nationalen Energiemärkten entgegenstehende Maßnahmen nicht unterstützen, andererseits die Südeuropäer mit der Forderung nach grundlegenden Änderungen des Großhandelsmarktes für Strom.

Einen ganzen Katalog möglicher Maßnahmen hatte die EU-Kommission vorgestellt, u. a. direkte Zahlungen, Steuererleichterungen und Subventionen für kleine Unternehmen. 19 EU-Staaten planen, die Energiepreise durch direkte Beihilfen für Familien und Firmen abzufedern. In Italien sollen Subventionen in Milliardenhöhe an Verbraucher und Unternehmen fließen. Frankreich stellt den 5,8 Millionen Haushalten im Land, die bereits Energiegutscheine erhalten, eine zusätzliche Einmalzahlung von 100 Euro in Aussicht


Ausblick
Die Bepreisung der Emissionen fossiler Energieträger ist essenziell für den Klimaschutz – die perspektivische Kostensteigerung politisch derzeit aber schwer zu vermitteln. Hohe Energiepreise nun allerdings zu subventionieren, untergräbt die beabsichtigte Lenkungswirkung zur Energieeinsparung. Vor diesem Hintergrund werden Immobilien mit guter Energiebilanz attraktiver, die Energiekosten auf dem Mietwohnungsmarkt zum Entscheidungskriterium. Stärker in den Fokus rücken sollten ökonomische Anreize für energieeffizientes Verhalten. Die Immobilienbranche hat wegen der großen Einsparpotenziale beim Energieverbrauch in Gebäuden eine Schlüsselfunktion in der deutschen Klimaschutz- und Energiepolitik.
 

Fuchs, Nadine

Referentin der Geschäftsführung des VDIV Deutschland