07.09.2022 Ausgabe: 6/22

Theorie und Praxis der Digitalisierung

Der Verwalterwechsel als Achillesferse der Verwaltungs-Software.
Wie handhabt man die oft problematische Migration von Stammdaten?

Der Wechsel der Immobilienverwaltung gehört nicht unbedingt zu den alltäglichen, aber den­noch zu den üblichen Abläufen in Eigentümer­gemeinschaften. Während in Zeiten vor der digitalisierten Immobilienverwaltung Ordner und ganze Archive ihre Besitzer wechselten, sind die Abläufe durch die Einbindung digitaler Lösungen vielfach undurchsichti­ger geworden. Nanu?!

„Nicht die Digitalisierung der Prozesse selbst gestaltet die Übergabe im Falle eines Verwalterwechsels unübersichtlich, sondern weil eben verbreitet noch nicht genug digitalisiert wurde,“ erklärt Software-Expertin Stephanie Kreuzpaintner. Weil eben nicht alle Geschäftsdokumente komplett digitalisiert sind, existieren in vielen Verwaltungen noch immer analoge und digitale Dokumentensammlungen für die verwalteten Einheiten parallel.

Neben den wenigen Unterlagen, die noch in Papierform übergeben werden – üblicherweise ein Ordner pro Eigen­tümergemeinschaft mit den maßgeblichen Originaldo­kumenten wie Gründungsurkunde, Teilungserklärung, Beschlusssammlung und Ähnlichem – liegt die bei einem Verwalterwechsel bereitgestellte Dokumentensammlung zu den verwalteten Einheiten meist ausschließlich digital vor. Die parallel existierende „zweite Buchhaltung“ auf Papier verschwindet hingegen häufig ungesichtet im Papierkorb.

Software-Lösungen kompatibler gestalten

„Bei der Übernahme der vorhandenen digitalen Daten gibt es allerdings noch immer etliche technische Hürden, die es uns Verwaltern – selbst im Falle wohlgesonnener Vor­gänger – wahrlich nicht leicht machen, die nötigen Daten in unsere Systeme zu überführen,“ berichtet Immobilien­verwalter Stefan Buhl. Die noch immer mangelnde Kom­patibilität unterschiedlicher Software-Lösungen sei in der Praxis beispielsweise nach wie vor ein großes Problem: „Die Übertragbarkeit der Daten zwischen den unterschiedlichen Systemen muss besser werden,“ so Buhl. Das betreffe u. a. die Stammdaten, aber z. B. auch die Dokumentation der Kommunikation zwischen Eigentümergemeinschaft und Vorverwaltung. Um einen reibungslosen Übergang von einer auf die neue Verwaltung sicherzustellen, wäre auch eine Aufstellung der zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht erfüllten Aufgaben wünschenswert. Weil ausgereifte technische Lösungen fehlen, würden die Daten neuer Verwaltungsbestände häufig noch immer händisch im System angelegt, anstatt sie digital in die eigene Software-Lösung zu überspielen.

Die Vorteile sind noch nicht ausgereizt

Selbst die Software-Branche sieht diesbezüglich Hand­lungsbedarf: „Die Kooperation zwischen den verschie­denen Anbietern ist essenziell, um die Praxistauglichkeit bestehender Lösungen noch weiter zu steigern,“ stimmt Kreuzpaintner zu. Darum arbeiten wir Software-Unterneh­men – beispielsweise in der AG Digitalisierung des VDIV Deutschland – regelmäßig daran, die Vereinbarkeit unserer Produkte sukzessive zu verbessern.

Proaktiv vorgehen

Sebastian Niesen fragt relevante Daten per Checkliste vom Eigentümer ab. In der Praxis seines Unternehmens stellt er fest, dass es verschiedene „Klassen“ von Verwaltungsüber­nahmen gibt, die jeweils unterschiedliche Anforderungen stellen. Er unterscheidet bisher unverwaltete Liegenschaf­ten, einzelne oder weniger als fünf Liegenschaften eines Kunden, die von einem anderen Verwalter übernommen werden, und die Übernahmen des Gesamtbestandes eines kommerziellen Liegenschaftseigentümers bzw. eines Family Office. Für jede dieser Klassen hat sein Team „Onboarding-Checklisten“ entwickelt, die künftigen Kunden an die Hand gegeben werden – Aufstellungen, zu welchem Zeitpunkt vor Verwaltungsbeginn welche Informationen spätestens benötigt werden.

Die Crux mit der Datenqualität

Bestenfalls, so Niesen, erhält man vom Vorverwalter schon vor Beginn der Verwaltertätigkeit die Dokumen­tation der Nutzungseinheiten und Parameter wie Mieter, Mietpreise, Debitoren und Kreditoren der Liegenschaft in digitaler Form, als Excel-Dateien oder PDF-Reportings aus dessen ERP-System. „Daten, die wir von Neukunden erhalten, sind in der Regel qualitativ nicht sehr hochwer­tig,“ stellt Niesen fest. „Insbesondere die, die nicht täglich gebraucht werden, fehlen oft.“ Dazu gehören etwa die Anzahl der Räume und die technische Ausstattung von Liegenschaften. Auch Staffel- und Indexmietvereinba-rungen sind meist nicht hinterlegt.

Schon seit einigen Jahren vereinbart die Niesen Immobi­lien GmbH daher mit neuen Kunden, ausschließlich digi­talisierte Akten zu übernehmen – und stellt oft fest, dass sich trotz des Angebots, bei der Digitalisierung der Akten zu helfen, vorab kaum jemand darum kümmert. Wenn die Unterlagen dann bei Beginn der Verwaltung erst zum Scan-Dienstleister müssen, kostet das unnötig Zeit.

Pro & Contra automatisierter Datenimport

Nach den bisherigen Erfahrungen ist der Datentransfer über Schnittstellen bzw. Importfunktionen des ERP-Systems für Niesen kein gangbarer Weg, obwohl es ihn gäbe. „Beim automatisierten Import können wir die Datenqualität des Vorverwalters nicht so bequem prüfen und müssten ohne­hin viele Datensätze manuell bearbeiten,“ begründet er sein mitunter zeitaufwendiges Vorgehen.

Tatsächlich gibt es Daten, die bei jeder Übernahme einer Verwaltung verlorengehen: die nirgendwo nutzbar hin­terlegten und auch nicht weitergegebenen „Soft Facts“ zu Liegenschaften, Wissen, das man über Jahre der Betreuung erwirbt. Die meisten ERP- und CRM-Systeme bieten hierfür Funktionen an, die aber Niesen zufolge nur selten genutzt werden, und die in Aktenordnern versteckten Notizen könn­ten zwar Aufschluss geben, werden aber gar nicht gefunden, weil niemand sie dort vermutet.

Das Onboarding proaktiv gestalten

„Beim Onboarding einer neuen Liegenschaft gehen wir mehrfach proaktiv auf neue Kunden zu, erinnern an die Bearbeitung der Checkliste und weisen darauf hin, welche Unterlagen noch fehlen,“ beschreibt Niesen das Vorgehen seines Unternehmens. Um die üblichen Probleme zu umge­hen, wendet sich sein Team möglichst frühzeitig an die Be-wohner/Mieter/Eigentümer einer neuen Liegenschaft, stellt sich ihnen vor und fragt Daten ab. „Damit fordern wir diesen Personenkreis zur Kontaktaufnahme auf und schaffen eine positive Grundstimmung, erfahren oft auch schon im Vor­feld, wie die Stimmung im Haus so ist,“ schließt Niesen.

Den Beirat frühzeitig einbinden

Agieren ist besser als reagieren, findet Dr. Maximilian Offizier und rekonstruiert manchen Datensatz selbst. Als Albtraum jeder professionellen Verwaltung empfindet er es, wenn Mitte März jemand anruft, sich als Eigentümer zu erkennen gibt und fragt, ob dies nun die neue Verwaltung sei. „Das kann passieren, wenn der Wechsel der Verwaltung nicht stringent geplant und vorbereitet wird,“ so Offizier. Der Ver­walterwechsel beginnt in seinem Unternehmen daher nicht mit Vertragsbeginn, sondern deutlich früher, und auch mit einer Checkliste.

Zur Unterzeichnungdes Verwaltervertrags erläutert er dem Beirat den Prozess des Verwalterwechsels und die Checklis­te. „Dazu gehört es auch, Eskalationsstufen aufzuzeigen, falls die Unterlagen der Vorverwaltung nicht übergeben werden,“ erklärt Offizier, der bei diesem Termin auch relevante Ob­jektdaten abfragt und in einen Steckbrief einträgt. „Was der Beirat nicht direkt angeben kann, muss nachgereicht wer­den.“ Wird der Beirat dabei auch gleich über den Termin der ersten Eigentümerversammlung informiert, wendet sich die Dr. Offizier Immobilien GmbH schon vor dem eigentlichen Wechsel der Verwaltung mit einem Willkommensschreiben an die Miteigentümer der neuen Liegenschaft, in dem sich das Unternehmen und die zuständige Objektbetreuung vor­stellt, auf die Online-Plattform für Kunden hinweist, den ersten Versammlungstermin ankündigt und so „dem Ver­waltungswechsel den Schrecken nimmt“. Voraussetzung für den Versand eines solchen Schreibens: Die Stammdaten müssen von der Vorverwaltung in strukturierter Form ab­gefragt werden, nicht nur Kontaktdaten, auch Wirtschafts­pläne und Salden der Eigentümer. „Werden diese Daten nicht geliefert, binden wir frühzeitig den Beirat ein,“ so der Unternehmer, der den Abgleich übergebener Daten mit der Teilungserklärung für unumgänglich hält.

Recherche auf eigene Faust

Versorger und Dienstleister einer neuen Liegenschaft im Be­stand, die über den Wechsel der Verwaltung informiert wer­den müssen, recherchiert Offizier auch schon mal anhand der Einnahmen-Überschuss-Abrechnung. Um die Zah­lungsfähigkeit der Eigentümergemeinschaft sicherzustellen, eröffnet er stets neue Konten bei seiner Hausbank, sofern sie nicht bereits dort geführt werden und der reibungslose Übergang der Vollmachten zum Stichtag gewährleistet ist.

Offizier geht es darum, mit seinem Vorgehen Zeit zu gewin­nen: „So können wir die ersten Monate nutzen, um gegen ein gesondertes Honorar die Abrechnung aus der Zeit vor dem Verwalterwechsel zu erstellen und die Versammlung vorzubereiten.“

Kreuzpaintner, Stephanie

Vorstand der DOMUS Software AG, Ottobrunn
www.domus-software.de

Offizier, Dr. Maximilian

Geschäftsführer und Inhaber der Dr. Offizier Immobilien GmbH in zweiter Generation
www.offizier-immobilien.de

Niesen, Sebastian

Geschäftsführender Inhaber der Niesen Hausverwaltungen e. K., Düsseldorf

Buhl, Stefan

Geschäftsführender Gesellschafter der KRASEMANN Immobilien Holding GmbH