07.01.2013 Ausgabe: 1/2013

Trittschallschutz im Wohnungseigentum

Den Klägern gehört eine Eigentumswohnung in einem 1966 errichteten Gebäude. Als die Kläger ihre Wohnung kauften, war die darüber liegende Wohnung der Beklagten teilweise mit Teppich ausgelegt, weshalb die Kläger das Haus für nicht hellhörig hielten. Der Teppich wurde nach einem Mieterwechsel durch Laminat und Fliesen ersetzt, welche – entsprechend den Regeln der Technik – auf einer Schallschutzmatte über dem u­rsprünglich vorhandenen Parkettboden verlegt wurden. Seitdem sehen sich die Kläger unzumutbaren Lärmbelästigungen ausgesetzt und verlangen von den Beklagten eine Verbesserung des Trittschallschutzes. Sachverständigengutachten ergaben, dass der Trittschallschutz mit dem neuen Bodenbelag im Vergleich zum Zustand bei Errichtung des Gebäudes wesentlich verbessert ist und den geschuldeten Standard nur in vom menschlichen Ohr nicht wahrnehmbaren Maß überschreitet.

Die Meinung des Gerichts:

Der BGH verneint einen Anspruch der Kläger auf Verbesserung der Trittschalldämmung. Für die Beurteilung des einzuhaltenden Schallschutzes stellt das Gericht auf die DIN 4109 in der Fassung von 1962 ab, da sich der einzuhaltende Schallschutz grundsätzlich nach den bei Errichtung des Gebäudes gültigen Mindeststandards richtet. Der Austausch des Bodenbelags begründete nicht die Verpflichtung zur Einhaltung der Werte der DIN 4109 in der aktuellen Fassung von 1989. Die Erwartung, dass die bei Vornahme der Arbeiten gültigen Werte eingehalten werden ist, nur bei baulichen Veränderungen des Gebäudes oder bei Eingriffen in die Gebäudesubstanz begründet. Das ist bei einer Renovierung, bei der nur der Bodenbelag im Sondereigentum ausgetauscht wird, ohne dass Estrich oder Geschossböden betroffen sind, nicht der Fall.
Auch wurde durch die über Jahre vorhandene Ausstattung der Wohnung mit Teppich kein Anspruch auf einen erhöhten Trittschallschutz begründet. Der Wohnungseigentümer ist in der Ausstattung seiner Wohnung frei, solange er den in der Wohnanlage geschuldeten Mindeststandard einhält. Er verliert diese Freiheit auch dann nicht, wenn er eine Ausstattung wählt, die einen über das geschuldete Maß hinausgehenden Schutz bietet und kann folglich nicht gezwungen werden, diesen erhöhten, nicht geschuldeten Standard aufrecht zu erhalten.

Dokumentation: BGH, Urt. v. 01.06.2012 - V ZR 195/11, Entscheidungsabdruck in NZM Heft 17 vom 17.9.2012.

Ratschlag für den Verwalter:

Bei Auseinandersetzungen über Lärmbelästigungen durch Trittschall sind folgende vom BGH in seiner Entscheidung zusammengefassten Regeln zu beachten.
Der Wohnungseigentümer ist in der Ausstattung seiner Wohnung frei, ­solange er sich an den Mindeststandard des Schallschutzes hält. Daher müssen Fußbodenbeläge als Ausstattung einer Wohnung eine genügende T­rittschalldämmung bieten, um die durch das Umhergehen in der Wohnung ­entstehenden Geräusche in einem zu duldenden Rahmen zu halten.
Für die Beurteilung des dazu mindestens erforderlichen Schallschutzes ist im Mietrecht wie im WEG-Recht regelmäßig auf die DIN 4109 abzustellen. Entscheidend sind die Werte, die sich aus der bei Errichtung des Gebäudes gültigen Fassung ergeben.
Eine Verpflichtung zur Anpassung des Schallschutzes an das Niveau der aktuellen Fassung der DIN 4109 nach Errichtung des Hauses besteht grundsätzlich nicht. Ein dahingehender Anspruch wird nur durch bauliche Veränderungen oder Eingriffe in die Gebäudesubstanz begründet, die die Erwartung begründen, dass den Anforderungen an einen Neubau genügt wird. Eine Renovierung, bei der nur der Bodenbelag im Sondereigentum ausgetauscht wird, ohne dass Estrich oder Geschossböden betroffen sind, genügt nicht.
Ein über die DIN 4109 hinausgehender Schallschutz kann nur verlangt werden, wenn eine entsprechende Regelung in der Gemeinschaftsordnung ­besteht oder wenn die Wohnanlage mit einer diesen erhöhten Schutz ­bietenden Ausstattung errichtet wurde, sodass der erhöhte Schallschutz als Eigenschaft der Anlage anzusehen ist.
Die Ausstattung einer einzelnen Wohnung, die nach Errichtung eingebaut wurde, stellt keine Eigenschaft der Wohnanlage dar. Daher kann die Aufrechterhaltung eines über den geschuldeten Mindeststandard hinausgehenden Schutzes auch dann nicht verlangt werden, wenn dieser über längere Zeit bestanden hatte.
Abweichungen vom geschuldeten Schallschutz stellen nur dann einen nicht zu duldenden Nachteil dar, wenn sie vom Menschen wahrnehmbar sind.
Da die Überschreitung des geschuldeten Standards für den Menschen nicht wahrnehmbar war, konnte auch mit dieser Begründung eine Verbesserung des ­Trittschallschutzes nicht durchgesetzt werden.

Fotos: © Yuri Arcurs / Shutterstock.com


Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.