05.09.2016 Ausgabe: 6/2016

„Unser Ziel ist eine ­Sanierungsquote von 2,5 bis 3 Prozent.“

Wohnkomfort steigern, Energie sparen und die Umwelt schonen: Die Energiewende in Deutschland ist noch nicht in allen Haushalten angekommen. Hessen ergreift nun die Initiative.

Trotz vielfältiger Förderprogramme zur Steigerung der Sanierungsquote und umfangreicher Kampagnen bleiben Wohneigentümer bei der Umsetzung solcher Maßnahmen zurückhaltend. Insbesondere das Sanierungspotenzial von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) bleibt oftmals unberücksichtigt. So liegt die Sanierungsquote nach Schätzungen bundesweit bei nur etwa 0,6 Prozent. Um vor allem auch Eigentümergemeinschaften verstärkt für umfassende Sanierungsmaßnahmen zu gewinnen, rief das Bundesland Hessen vor zwei Jahren ein Bürgschaftsprogramm zur Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen in WEG ins Leben. ­Förderberechtigt sind teilrechtsfähige WEG, die durch ihren Immobilienverwalter vertreten werden. Die Darlehen aus den bekannten KfW-Programmen „Energieeffizient Sanieren“ sowie „Barrierefreies Bauen und Umwandeln“ werden durch die hessische WIBank an WEG ausgereicht. Das Besondere daran: Das Land Hessen verbürgt die Darlehen, sodass auf eine dingliche Sicherung verzichtet wird.

An der praxistauglichen und nachvollziehbaren Ausarbeitung der Fördereckwerte sowie insbesondere der Antragsbedingungen des Programms hat der Verband der Immobilienverwalter Hessen (VdIVH) großen Anteil. In intensiven Gesprächsrunden hat der Landesverband unter Führung seines Vorstandsvorsitzenden Werner Merkel Gespräche mit dem zuständigen Ministerium und der WIBank geführt, um die Antragsbedingungen verständlich und für Verwalter so einfach wie möglich zu gestalten. Denn nicht zuletzt sind es vor allem die Verwalter, die Sanierungsprozesse in WEG anstoßen und kompetent begleiten können und müssen. Dies zeigen auch die Ergebnisse des 4. DDIV-Branchenbarometers: Knapp 67 Prozent der befragten Verwaltungsunternehmen gaben an, im Jahr 2015 Modernisierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz initiiert zu haben, 47 Prozent haben im selben Zeitraum Sanierungsarbeiten in WEG begleitet.

Im Interview mit dem hessischen Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung, Tarek Al-Wazir ­(Bündnis 90/Die Grünen), sprach der DDIV über das Bürgschaftsprogramm des Landes Hessen, die energetische Sanierung in WEG im Bundesland Hessen und die Rolle von Immobilienverwaltern.

Herr Minister, Ziel der Energiewende ist ein klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050. Um dies zu erreichen, müssten jährlich zwei Prozent der bestehenden Gebäude saniert werden. Die Sanierungsquote von WEG liegt im Bundesdurchschnitt derzeit bei jährlich rund 0,6 Prozent. Wie sind Ihre Erfahrungen speziell in Hessen?
Die Hessische Landesregierung verfolgt das Ziel, den Energiebedarf unseres Bundeslandes bei Strom und Wärme bis 2050 möglichst vollständig aus erneuerbaren Quellen zu decken. Dies ist nur zu erreichen mit einem deutlichen Energiesparbeitrag des Gebäudesektors, und dafür müssen wir die Sanierungsquote deutlich erhöhen. Unser Ziel sind 2,5 bis 3 Prozent im Jahr. Dafür haben wir bereits einige Programme aufgelegt, mit denen wir die Bundesprogramme ergänzen. Es ist jedoch offenkundig, dass es gerade bei WEG-Gebäuden zusätzlicher Anstrengungen bedarf.

Woran scheitern energetische Sanierungen und altersgerechte Umbauten in WEG aus Ihrer Sicht am häufigsten?
Für beides gibt es zinsgünstige Kredite der KfW, die über die Hausbanken ausgereicht werden. Prinzipiell stehen sie auch WEG zur Verfügung. Dabei stellt sich aber das Problem, dass die Hausbanken normalerweise nur Einzelanträge der jeweiligen Eigentümer bearbeiten können und die Darlehen im Grundbuch absichern müssen. Die ganze Bearbeitung wird also sehr kleinteilig. Letztlich führt das dazu, dass die KfW-Darlehen in der Praxis Eigentümergemeinschaften kaum angeboten werden. Mit dieser Situation kann die Hessische Landesregierung natürlich nicht zufrieden sein.

Warum hat sich die hessische Landesregierung für ein WEG-Bürgschaftsprogramm entschieden und genau dieses Förderinstrumentarium gewählt?
Um die Schwierigkeiten, die ich gerade geschildert habe, zu umgehen, bieten wir hessischen WEG die KfW-Kredite in einem vereinfachten Verfahren als Verbandskredit an. Das läuft über die landeseigene Wirtschafts- und Infrastrukturbank, die WIBank. Dabei unterlegen wir die KfW-Kredite mit einer Landesbürgschaft. Bei der Ausarbeitung der Fördereckwerte haben wir den Verband der Immobilienverwalter Hessen einbezogen, für dessen Mitarbeit wir sehr dankbar sind. Unser Programm ist damit ausgesprochen praxisorientiert geworden. Ich kann nur dazu aufrufen, es zu nutzen.

 Wie muss dieses Programm beantragt werden und wie lange dauert die Bearbeitung bis zur Zusage?
Das Programm ist direkt bei der WIBank zu beantragen. Die Informationen dazu sind auf www.wibank.de abrufbar. Wenn alle erforderlichen Unterlagen und Beschlüsse der WEG vorliegen, rechnen wir einschließlich der erforderlichen Beteiligung des Hessischen Finanzministeriums mit einer Bearbeitungsdauer von etwa vier bis sechs Wochen.

Gibt es nach knapp zwei Jahren bereits erste Erfolge?
Der Informations- und Diskussionsbedarf in Eigentümergemeinschaften ist naturgemäß besonders hoch. Deshalb benötigt ein neues Produkt für diese Zielgruppe generell längere Anlaufzeiten. Inzwischen verzeichnen wir allerdings eine stetige Nachfrage.

Damit die energetische Sanierung in WEG gelingen kann, bedarf es fachlich versierter Immobilienverwalter, die diese Prozesse managen. An die Ausübung der Verwaltertätigkeit werden aber bis heute keine Mindestanforderungen gestellt. Seit einem Jahr liegt ein Referentenentwurf zu beruflichen Zulassungsvoraussetzungen für Immobilienverwalter „auf Eis“. Wie stehen Sie zu der Einführung von Mindestqualifikationen für Immobilienverwalter, um die Altersvorsorge zu sichern und die Energiewende voranzubringen?
Ich verfolge diese Diskussion auf Bundesebene mit Interesse, aber es gibt ja auch einen Grund, warum das Für und Wider sorgsam abgewogen werden sollte. Immerhin geht es hier um die grundgesetzlich verankerte Garantie der Berufsfreiheit, und dort, das gebe ich offen zu, bin ich eher zurückhaltend.

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Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland