19.10.2016 Ausgabe: 7/2016

Unterbringung von Flüchtlingen – kein Widerspruch zur Teilungserklärung

(LG Braunschweig, Urteil vom 8.12.2015, Az.: 6 S 409/15)

DAS THEMA

Das LG Braunschweig hatte sich in seinem Urteil mit der Frage zu befassen, ob die Unterbringung von Flüchtlingen von der Teilungserklärung einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) umfasst ist. Nach den Ausführungen des Gerichts beeinträchtigt die Nutzung der Räumlichkeiten durch Flüchtlinge die klagenden Wohnungseigentümer nicht über das Maß hinaus, das bei einer Nutzung des Wohnungseigentums typischerweise zu erwarten ist.

DER FALL

Vergeblich versuchten vor dem LG Braunschweig zwei klagende Mitglieder einer WEG die Unterbringung von Flüchtlingen in der Anlage zu verhindern. Es handelt sich dabei um ein großes Gebäude, in dem sich neben 134 Apartments auch Gastronomie befindet. Die Beklagte ist Eigentümerin von 63 dieser Sondereigentumseinheiten und hat weitere 50 davon gepachtet. Sie betreibt in der Anlage ein Hotel.
In der Teilungserklärung aus dem Jahre 1976 heißt es, dass das Teileigentum zu gastronomischen Zwecken genutzt werden soll. In den Wohnungen sollen die Eigentümer nur mit Zustimmung der WEG zur Ausübung eines Gewerbes oder Berufs berechtigt sein, wobei die Einwilligung nur aus wichtigem Grund verweigert werden darf. Als wichtiger Grund ist in der Teilungserklärung insbesondere benannt, dass die Ausübung des Gewerbes oder Berufs „eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Wohnungs- bzw. Teileigentümer oder Hausbewohner befürchten lässt“ oder dass sie den Charakter des Hauses beeinträchtigt. Entsprechendes soll für eine Vermietung oder Verpachtung gelten. Die Teilungserklärung ist also sehr weit gefasst.
Im September 2015 schloss die Beklagte mit dem Land Niedersachsen einen sogenannten „Gruppenvertrag“, der das Land berechtigen sollte, bis Ende des Jahres 2015 auf maximal 104 Zimmer zuzugreifen, um bis zu 300 Flüchtlinge unterzubringen.
Gegen diesen Vertragsschluss wehrten sich die klagenden WEG-Mitglieder vor Gericht. Das LG Braunschweig wies ihren Antrag jedoch in zweiter Instanz zurück.
Das Gericht stützt seine Entscheidung maßgeblich auf die Auslegung der Teilungserklärung, die ausdrücklich Wohnnutzung für zulässig erklärt. Dabei betont es, dass nicht entscheidend sei, ob die Wohnnutzung durch den Eigentümer selbst oder durch Dritte erfolgt. Zulässig sei neben der Eigennutzung auch eine Vermietung, selbst wenn diese kurzfristig an Feriengäste erfolgen sollte. Das Gericht stützt seine Argumentation zudem auf die Tatsache, dass durch die Misch-Nutzung für Gastronomie bzw. als Hotel und zu Wohnzwecken sowieso ein gewisser Widerspruch bereits in der Teilungserklärung selbst angelegt sei.
Nicht zuletzt betont das Gericht, dass die Nutzung der Räumlichkeiten durch ­Flüchtlinge die Kläger keineswegs über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung des Wohnungseigentums üblicherweise zu erwarten ist. Es führt aus, dass die Nutzung der Apartments durch Flüchtlinge sich von einer „normalen“ Vermietung nicht unterscheidet. Für eine intensivere oder nachlässigere Nutzung bestehen laut LG Braunschweig keinerlei Anhaltspunkte.

VERWALTERSTRATEGIE

Auch aus dieser Entscheidung geht wieder einmal hervor, dass es hinsichtlich der zulässigen Nutzung des Eigentums im Wesentlichen auf den Wortlaut der Teilungserklärung ankommt, da Grenzen weit gezogen werden. Ist eine Wohnnutzung erlaubt, umfasst diese auch die Fremdvermietung des Sondereigentums, und zwar nicht ausschließlich an langfristige Mieter. Auch der Staat als Mieter kann daher in Frage kommen, sofern es hinsichtlich der tatsächlichen Nutzung bei einer in der Teilungserklärung zugelassenen Nutzung verbleibt.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.