22.07.2022 Ausgabe: 5/22

Unternehmenswert in Gefahr? - Der neue § 26 Abs. 3 WEG hat Auswirkungen auf die Bewertung von Immobilienverwaltungen.

Den Wert eines Unternehmens zu bestimmen, bedeutet, eine Preistaxie­rung vorzunehmen. Unter Einbeziehung aller Erfolgspotenziale und der daraus resultierenden Einflussfaktoren ermit­telt man einen potenziellen Preis für ein Unternehmen, der es somit am besten in Zahlen darstellt.


Verfahren zur Ermittlung von Unternehmenswerten
In der Praxis gibt es dafür verschiedene Verfahren. Einen rechtlich abgesicherten Wert erhält man aber nur durch Anwen­dung des Standards IDW S1 des Insti­tuts der Wirtschaftsprüfer. Demnach resultiert der Wert eines Unternehmens ausschließlich aus seiner Ertragskraft, finanzielle Überschüsse zu erzielen. Geeignet dafür ist nach IDW S1 das Ertragswert- oder Discounted-Cash-flow-Verfahren, ein zukunftsorientier­tes Bewertungsverfahren. Es gilt der Grundsatz: Bewerten heißt vergleichen. Die prognostizierten Erträge bzw. Zah­lungsflüsse in einer Planungsrechnung werden mit einer in Bezug auf das Risiko ähnlichen Alternativanlage – beispielsweise Aktien – verglichen und auf den Barwert abgezinst. Addiert man diese Werte, erhält man den Unternehmenswert.
Das in der Praxis gängigste Bewertungsverfahren ist jedoch das Umsatzverfahren: Ausgehend vom Umsatz wird unter Anwendung eines individuellen Multiplikators ein Wert ermittelt, der als Verhandlungsbasis dient. Bemessungsgrundlage ist der in Zukunft nachhaltig zu erzielende Jahresumsatz, der also mit bereits erteilten Aufträgen erreicht werden kann.


Das ändert das Sonderkündigungsrecht
Seit Inkrafttreten des Wohnungsei-gentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 muss bei Anwendung der Verfahren zur Unternehmensbewertung ein entscheidender Aspekt berücksichtigt werden: Das neue Sonderkündigungsrecht, das sich aus § 26 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ergibt: WEG-Verwalter können demnach nunmehr jederzeit ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes abberufen werden. Im Falle der Abberufung laufen der Verwaltervertrag und damit die Vergütungsansprüche bis zu sechs Monate weiter. Liegt jedoch ein wichtiger Grund vor, kann der Verwaltervertrag außerordentlich fristlos gekündigt werden. Er endet dann mit Zugang der Kündigung beim Verwalter und nicht erst nach Ablauf von sechs Monaten.

Dieses neue Sonderkündigungsrecht hat wesentlichen Einfluss auf die Ermittlung des Unternehmenswertes. Der Grund: Es mindert die Planungssicherheit für den künftig nachhaltig zu erzielenden Jahresumsatz. Das heißt, eine auf Basis heutiger Ist-Daten aufgestellte Planungsrechnung über mehrere Jahre ist weniger belastbar. Genauso können bei der Ermittlung des Multiplikators die dazu herangezogenen Vergleichsunternehmen nach kurzer Zeit nicht mehr adäquat sein. Das bedeutet nicht, dass eine Immobilienverwaltung seit dem 1. Dezember 2020 nichts mehr wert ist, sondern dass das neue Sonderkündigungsrecht des WEG-Verwalters nicht äquivalent im Unterneh-menswert dargestellt werden kann. Es gilt also, diese Unsicherheit durch gewisse Anpassungen zu minimieren.


Was ist zu tun?
Käufer eines Unternehmens wünschen einerseits eine Absicherung hinsichtlich des Kündigungsrisikos. Für Verkäufer gilt andererseits eine Verwaltung mit geordnetem Geschäftsbetrieb und zufriedenen Kunden nach wie vor als solide Basis. Für die Kaufpreisfindung ist daher zu empfehlen, entsprechende Klauseln in den Kaufvertrag aufzunehmen, die es ermöglichen, den Kaufpreis im Falle einer vorzeitigen Kündigung des Verwalters rückwirkend anzupassen. Das minimiert das Risiko für potenzielle Käufer eines Unternehmens, kann aber auch dem bisherigen Inhaber Vorteile bringen: Gewinnt er bis zur Übergabe seines Unternehmens Aufträge hinzu, wird dies mit einer entsprechenden Kaufpreiserhöhung honoriert.
 

Weckenmann, Matthias

Der Diplom-Betriebswirt (DH) ist Steuerberater in der prvw Reutlinger Steuerberatungsgesell­schaft mbH. www.prvw-reutlinger.de