19.07.2018 Ausgabe: 5/2018

Vergütungspraxis

Wir sind die Macher! Also zeigen wir es endlich. Heben Sie Ihre Vergütungssätze um mindestens 40 Prozent an!

Gerade einmal um 29 Cent erhöhte sich der Regelsatz in der WEG-Verwaltung im vergangenen Jahr. Der neue Durchschnittswert beträgt danach 20,21 Euro pro Einheit und Monat, wie das 6. DDIV-Branchenbarometer 2018 zeigt.

20,21 Euro. Dafür sollen Verwalter über 60 Gesetze und Verordnungen umsetzen, die oft einer Veränderung unterliegen? Zudem sollten sie möglichst rund um die Uhr erreichbar sein, bis in die späten Abendstunden Versammlungen abhalten und – der wohl wichtigste Punkt – mit qualitativ hochwertiger Arbeit das Vermögen und die private Altersvorsorge von Millionen Bundesbürgern treuhänderisch managen.

Vergütungserhöhungen gleichen die Inflation nicht aus.

Der vielbeschworene Leitsatz, dass Qualität ihren Preis habe, scheint in der Immobilienverwaltung häufig (noch) nicht zu gelten. Es ist daher höchste Zeit, dass wir als Branche geschlossen ein Zeichen setzen und unsere Vergütung endlich an die Realität anpassen. Denn davon sind wir weit entfernt, wie die Statistik belegt. Bei Bestandsobjekten erhöhte sich die Vergütung gerade einmal um 1,5 Prozent im vergangenen Jahr, und das bei einer Inflationsrate von 1,8 Prozent. So arbeitet sich unsere Branche arm!

Wer zahlt für was?

Immobilienverwalter sehen sich regelmäßig neuen Herausforderungen und Aufgaben gegenüber. Gesetzliche Änderungen, Megatrends wie die Digitalisierung, Fachkräftemangel, verändertes Kundenverhalten, neue Eigentümer- und Mieterstrukturen sind nur einige davon. Das kostet oft Geld. Doch wo kommt es her und wer profitiert dabei?

Wir sind uns sicher einig, dass auch der Eigentümer daran partizipiert: Er bekommt im Kundenportal digital aufbereitete Informationen, Unterlagen werden auf diese Art neu archiviert, es gibt automatische Abstimmungssysteme, die Konten- und Belegführung wird automatisiert und vieles mehr. Auch der Unternehmer hat auf den ersten Blick Vorteile: Die vorgenommene Prozessoptimierung ermöglicht ihm punktuell einen anderen Einsatz seines Personals oder er kaschiert seinen Personalmangel. Beides ist trügerisch. Am Ende des Tages nimmt die Vielzahl der Herausforderungen zu, was wiederum erhöhtem Aufwand gleichkommt.

Doch wer bezahlt das alles? Und warum nehmen wir uns dessen an, vor allem für wen? Ob in der Autowerkstatt bei der regelmäßigen Inspektion, beim Bäcker, im Fitnessstudio – in anderen Branchen und Berufen wird es als selbstverständlich hingenommen, dass Preise angehoben werden. Gestiegene Energiekosten, höhere Personalausgaben durch Mindestlohn und zahlreiche andere Kostentreiber oder neue Entwicklungen werden auf die Kunden umgelegt – nicht so bei uns. Wie kann es sein, dass übliche marktwirtschaftliche Mechanismen anscheinend ausgehebelt werden?

Vor wenigen Wochen ging bei mir zu Hause die Aufhängung eines Rollladens kaputt. Drei Wochen später kam ein Handwerker, ausgesucht natürlich über den entsprechenden Fachverband. Nach knapp 30 Minuten war der Schaden behoben. Kosten: 10 Euro für das Ersatzteil, 60 Euro Anfahrt und 85 Euro Arbeitslohn für eine volle Gesellenstunde. Der durchschnittliche Stundensatz eines Geschäftsführers in unseren Unternehmen liegt bei 72 Euro. Ein weiteres Beispiel: Eine wirklich gute Verwalterin erzählte mir kürzlich, dass sie am Freitagnachmittag von einem Eigentümer angerufen wurde, der im Urlaub war. Bewohner hätten ihn kontaktiert, weil aus seiner vermieteten Wohnung Leichengeruch käme. Ob die Verwalterin denn nicht schnell einmal nachsehen und die Polizei verständigen könne. 30 km Anfahrt, Tür aufgeschlossen – alles in bester Ordnung: keine Leiche, kein Unrat. Und auf meine Frage, ob sie denn diesen Aufwand vergütet bekäme, sagte sie: „Nein. Das macht man doch so, damit die Polizei nicht die Tür aufbricht. Das sind doch viel zu hohe Kosten für den Eigentümer.“

Freitagnachmittag, Fahr- und Wartezeiten, Spritkosten, Telefonate – bloß um dem Eigentümer hohe Kosten zu ersparen? Wir sind beim Kern des Problems angelangt! Mitdenken, Kosten sparen, kundenorientiert agieren – alles hehre Ansätze, aber dafür soll der Kunde, der Eigentümer, bezahlen. Wir brauchen endlich angemessene Honorare. Wenn die Branche nicht langsam begreift, dass hier ein Umdenken stattfinden muss, können wir schon bald weder die gesetzlichen Anforderungen erfüllen noch die Wünsche unserer Kunden befriedigen. Auch auf Fachpersonal werden wir so weiterhin verzichten müssen: Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, zudem hat aus der jüngeren Generation kaum jemand Lust, die Abende mit anstrengenden Eigentümern zu verbringen, die zumeist alles besser wissen. Denken Sie also für 2019 mal darüber nach, Ihre Eigentümerversammlungen in die Regelarbeitszeit zu verlegen, auch wenn das anfangs nicht immer gelingen wird. Ihr Eigentümer sollte dafür Verständnis haben. Sein repariertes Auto holt er ja auch spätestens um 17:00 Uhr aus der Werkstatt – und dessen Anschaffung hat weniger gekostet als die Eigentumswohnung. Trauen Sie sich!

Hoch die Preise und sichtbar ­werden!

Fakt ist: Die Branche muss die Vergütungs­thematik zwingend hinterfragen. Einige betteln dabei nach einer an die Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) ­angelehnten Vergütungsstruktur und preisen dies als Allheilmittel. Ein wirklich alter Hut: romantisierend, obendrein unrealistisch und systemfremd. Solange es keinen Ausbildungsberuf gibt, die Tätigkeit nicht geschützt und damit kein Berufsstand im wahrsten Sinne des Wortes etabliert ist, zudem auch kein Kammersystem in Sichtweite rückt, bleibt nur das freie Ausverhandeln des Preises. Realistisch ist es aber, über eine Mitgliedschaft in unseren Landesverbänden neue Vergütungsstandards durchzusetzen. Da mit der Aufnahme in die DDIV-Gemeinschaft bestimmte Qualitätsstandards gelten, wird die Mitgliedschaft zum Gütesiegel – für das Eigentümer wiederum bereit sein sollten, höhere Preise zu zahlen. Sie tun es ja auch tagtäglich im Supermarkt, im Elektronikfachgeschäft und selbst beim Immobilienkauf – warum also nicht auch, wenn es darum geht, die wohl wichtigste und größte Investition vieler Verbraucher zukunfts­sicher zu verwalten?

Zudem müssen wir aufhören, „im Dunkeln“ zu arbeiten. Viele unserer Leistungen werden nicht wahrgenommen – gesehen wird lediglich die Spitze des sprichwörtlichen Eisbergs. Denn vielen Eigentümern ist schlicht nicht bewusst, wie umfangreich und aufwändig das Tätigkeitsspektrum des Verwalters ist. Würden diese Strukturen aber offengelegt, dürften viele Eigentümer auch bereit sein, höhere Vergütungssätze zu akzeptieren.

Diener oder Manager?

Hinterfragen sollten wir uns auch selbst. Warum üben wir diese Tätigkeit aus? Was ist der Reiz, was unser Ansporn? Dienen wir ausschließlich der Eigentümergemeinschaft und nur der Umsetzung gesetzlicher Anforderungen? Wollen wir nicht unsere Bestände aktiv managen und unser mausgraues Image aufwerten? Ist es nicht an der Zeit, dass wir uns entrümpeln und nur noch auskömmliche Aufträge annehmen oder Kostenbringer gewinnorientiert umwandeln? Trennen Sie sich von unrentablen Gemeinschaften, trauen Sie sich – der Verlustschmerz ist schneller verflogen als Sie denken!

Sollten wir uns nicht mehr als bisher der Optimierung unseres Geschäftsfeldes annehmen? Was können wir Eigentümern und Mietern eigentlich alles legal in Rechnung stellen? Wieso zahlen wir für die Umsetzung der Datenschutzgrundverordnung allein? Warum bieten wir diese Prozesse (die ja schon bei uns implementiert sein sollten) nicht bspw. auch dem Makler, einem Hausmeisterservice oder dem Sondereigentümer an? Wir sind die Macher, also zeigen wir es endlich!

Welche Chancen bietet uns die Zukunft mit ihren neuen Megatrends? Ich bin mir sicher, wir können daran partizipieren. Warum jammern wir, wenn der Gesetzgeber Rahmenbedingungen ändert? Machen wir doch endlich ein Geschäftsmodell daraus! Erhöhter und neuer Aufwand kostet in der Umsetzung, das sollten wir dem Eigentümer konsequent in Rechnung stellen. Soll er doch jammern und beim Gesetzgeber klagen, solange er uns bezahlt.

Qualifizierte Verwalter bieten eine wichtige Leistung für Wohnungseigentümer. Damit sich diese Leistung aber auch für Verwalter lohnt, führt letztendlich kein Weg an einer Erhöhung der Verwaltervergütung vorbei. Heben Sie Ihre Preise um mindestens 40 Prozent an.  Denn Qualität hat ihren Preis – und den muss der Eigentümer bezahlen. 

Eigentümer, die dazu nicht bereit sind, werden sich einen billigen Verwalter suchen und vermutlich eines Tages wieder an Ihre Tür klopfen. Alle anderen erhalten die qualitativ hochwertige Leistung, die sie – zu Recht – erwarten. So wandelt sich bei entschlossenem Handeln der Branche nicht nur die Vergütungspraxis, sondern auch die Art und Weise, wie Verwalter wahrgenommen werden: nicht mehr nur als schlicht ausführende Hausverwalter, sondern als treuhänderischer Immobilienmanager, als die viele schließlich schon seit Jahren agieren. Und als solche müssen sie auch bezahlt werden.

Alles Spinnerei?

Denken Sie jetzt, was für eine Spinnerei? Dann entgegne ich wie folgt: Wissen Sie eigentlich, dass die Zweite Berechnungsverordnung für öffentlich geförderte Eigentumswohnungen einen Regelsatz von 28,36 Euro je Einheit und Monat vorsieht? Das sind 40 Prozent mehr als der privatwirtschaftliche Vergütungsdurchschnitt unserer Unternehmen. Wollen Sie sich weiter unter Wert verkaufen? Nur wer ein Ziel hat, kennt den Weg. Ich habe eins und Sie hoffentlich auch.

Foto: © Denis Vrublevski / Shutterstock.com


Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland