05.12.2016 Ausgabe: 8/2016

Verschuldensabhängige Kündigung wegen schleppender Mietzinszahlung durch Jobcenter

(BGH, Urteil vom 29.6.2016, Az.: VIII ZR 173/15)

DAS THEMA

Auch Vermieter bekommen in prekären Mietverhältnissen häufig die Überlastung der Sozialbehörden zu spüren: Vom Jobcenter übernommene Mieten werden nur schleppend und erheblich verspätet überwiesen. Der BGH hatte nun zu entscheiden, unter welchen Umständen eine solche schleppende Zahlungsweise der Sozialbehörde dem Mieter zur Last gelegt und hierauf eine (erneute) Kündigung gestützt werden kann.

DER FALL

Der Entscheidung vorausgegangen war eine Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs, die durch eine Schonfristzahlung nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB geheilt wurde, weil das zuständige Jobcenter eine entsprechende Verpflichtungserklärung abgegeben hatte. Der Kündigungsprozess wurde im Juni 2013 beendet. Bereits im August 2013 blieb erneut ein geringfügiger Teilbetrag der zu zahlenden Miete aus, im Oktober 2013 zunächst etwa ein Viertel, woraufhin der Vermieter abmahnte und für die Zukunft die pünktliche Zahlung der vollständigen Miete verlangte. Die Restmiete für Oktober 2013 ging am 30.10.2013 ein. Im November 2013 aber fehlten wieder zunächst fast 75 Prozent, die erst Ende November ausgeglichen wurden. Am 10.3.2014 war die März-Miete wieder zu mehr als einem Viertel offen und wurde am 11.3. nachgezahlt. Allerdings hatte der Vermieter mit Kündigung vom 10.3.2014, zugestellt am gleichen Tag, nochmals die außerordentliche und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen des gehäuften Zahlungsverzugs trotz Abmahnung erklärt. Eine erneute Schonfristzahlung war nicht möglich, da diese in einem Zeitraum von zwei Jahren nur einmal eine Kündigung unwirksam macht. Auch war die Kündigung ja nicht wegen Zahlungsverzugs – dieser hätte zwei Monatsmieten nicht überstiegen – erklärt worden, sondern wegen des laufend unpünktlichen Zahlungsverhaltens. Fraglich war zunächst, ob dem Mieter hieran die Schuld zu geben war. Das Berufungsgericht hatte dies schon verneint, da das Verschulden einer Behörde keinesfalls dem Mieter zugerechnet werden kann. Dies genügt nach Ansicht des BGH jedoch nicht für die Entlastung des Mieters vom eigenen Verschulden. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass bei einer Kündigung wegen schuldhaften Verhaltens – hier laufend unpünktliche Mietzahlung – eine sorgfältige Prüfung und Abwägung stattfinden muss und alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen, ob dem Vermieter das Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der (ordentlichen) Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Auch ist zu prüfen, ob den Mieter nicht doch ein Verschulden an den verspäteten Zahlungen der Behörde trifft. Zwar ist ein Verschulden der Behörde dem Mieter nicht zuzurechnen, denn die Behörde nimmt hoheitliche Aufgaben wahr, um die Grundsicherung von Hilfebedürftigen zu gewährleisten, und ist damit nicht „Beauftragter“ des Mieters im Sinne des Erfüllungsgehilfen, dessen Verschulden dem Auftraggeber zuzurechnen wäre. Insoweit bestätigt der BGH die Auffassung des Berufungsgerichts. Nach BGH ist aber zu prüfen, ob die ­unpünktlichen ­Zahlungen allein auf dem Verhalten der Behörde beruhen, oder ob nicht auch der Mieter dies durch Nachlässigkeit oder Zahlungsunwilligkeit vertreten muss. Diese Umstände können die Sache aus Sicht des Vermieters schlimmer machen, da er dann auch zukünftig – selbst bei pünktlicher Zahlung der Behörde – mit Zahlungsausfällen rechnen muss. Bei Abwägung der Interessen des Vermieters ist zu berücksichtigen, ob für ihn der pünktliche Eingang der Miete besonders wichtig ist, etwa weil er hieraus seinen Lebensunterhalt oder seine Alterssicherung bestreitet, und auch die Tatsache, dass es einen erheblichen, für einen Privatvermieter möglicherweise unzumutbaren Verwaltungsaufwand bedeutet, den Eingang der Miete laufend zu kontrollieren. Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, ob diesem Zahlungsverzug vor Kurzem bereits eine Kündigung wegen Zahlungsverzugs vorausging, die nur durch die Schonfristregelung unwirksam gemacht werden konnte. Wenn wie hier vom Vermieter eine Abmahnung ausgesprochen wurde, muss der Mieter dartun, dass er die Behörde hiervon informiert und unter Hinweis auf die drohende Kündigung bei weiteren Zahlungsverzügen sein Möglichstes getan hat. Der Mieter muss daher alles Zumutbare tun, um die Behörde zu veranlassen, die Zahlungen rechtzeitig zu erbringen, insbesondere auch sog. „Direktleistungen“ an den Vermieter.

Verwalter­strategie

Laufende unpünktliche Mietzinseingänge muss sich kein Vermieter bieten lassen, auch dann nicht, wenn er weiß, dass der Mieter von den Sozialbehörden unterstützt wird – beispielsweise nach einer vorangegangenen Kündigung, die aufgrund einer Schonfristzahlung unwirksam wurde. Voraussetzung für jede Kündigung wegen unregelmäßiger Zahlung sind allerdings eine Abmahnung und ein auch danach fortgesetztes unregelmäßiges Zahlungsverhalten. Um eine solche Kündigung, die nur auf Verschulden des Mieters gestützt werden kann, unwirksam zu machen, muss der Mieter nunmehr nachweisen, dass er sein Möglichstes getan hat, um das Amt zur pünktlichen Zahlung anzuhalten. Dazu gehört insbesondere, dass er über die Abmahnung informiert hat. Eine Kündigung wegen laufend unpünktlichen Zahlungsverhaltens erfordert eine genauere Dokumentation als die Kündigung wegen Zahlungsverzugs mit über zwei Monatsmieten Rückstand. Eine solche Kündigung kann allerdings, da sie gerade nicht auf den Zahlungsverzug gestützt ist, auch nicht durch eine Schonfristzahlung unwirksam gemacht werden.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.