19.10.2016 Ausgabe: 7/2016

Vertretung, Vollmacht und Zurückweisung bei Mieterhöhungsverlangen

(AG Dortmund, Urteil vom 22.12.2015, Az.: 427 C 7526/15)

DAS THEMA

Grundsätzlich kann sich jeder bei der Abgabe von Willenserklärungen vertreten lassen. Die Erklärung ist auch wirksam, wenn der Vertreter nur behauptet, Vertretungsmacht zu haben (z. B. durch Unterzeichnung mit dem Zusatz „i. V.“), diese aber im Moment der Erklärung nicht nachweist. Das Gesetz sieht allerdings eine Ausnahme für Erklärungen vor, die mit ihrer Abgabe sofort einschneidende Folgen haben (einseitige Willenserklärung). Hierzu gehört insbesondere die Kündigung, die mit ihrem Ausspruch ein Mietverhältnis zum erklärten Zeitpunkt (ggf. sogar fristlos) beendet. Bei diesen Erklärungen kann nicht auf einen späteren Nachweis der Vollmacht gewartet werden. Wenn diese Erklärungen nicht unter Vorlage einer ausreichenden schriftlichen Originalvollmacht abgegeben werden, kann der Erklärungsempfänger die Erklärung zurückweisen, sie wird dann unwirksam. Diese Zurückweisung muss allerdings unverzüglich erfolgen, bei Privatleuten, die eventuell eine Rechtsberatung benötigen, üblicherweise innerhalb einer Frist von einer Woche bis maximal zehn Tage, bei Unternehmen i. d. R. in kürzerer Frist.
Das AG Dortmund hatte nun einen Fall zu entscheiden, bei dem es nicht um eine Kündigungserklärung, sondern um Zustimmung zu einer Mieterhöhung durch den Mieter ging. Auch hier gilt der Nachweis der Vollmacht und das Recht zur Zurückweisung.

DER FALL

Der Vermieter hatte gegenüber der Mieterin eine Mietspiegel-Mieterhöhung erklärt und eine vorgefertigte Zustimmungserklärung beigegeben, die der Sohn der Mieterin als deren Vertreter unterschrieb. Allerdings hatte der Sohn keine ordnungsgemäße Vollmacht beigelegt. Der Vermieter wies daher die durch den Sohn erklärte Zustimmung zurück und klagte die Mieterhöhung ein. Auch im Prozess erklärte die Mieterin nicht ausdrücklich nochmals die Zustimmung zur Mieterhöhungserklärung, sondern berief sich lediglich darauf, dass ihr Sohn Vertretungsmacht gehabt habe und der Vermieter die Zustimmungserklärung nicht hätte zurückweisen dürfen. In letzter Konsequenz ging der Rechtsstreit nur noch um die Verfahrenskosten, da die Mieterin auch keine materiellen Einwände gegen die Mieterhöhung erhoben hatte.
Das Gericht gab dem Vermieter Recht. Es ging zunächst davon aus, dass sowohl das Zustimmungsverlangen des Vermieters als auch die Zustimmungserklärung des Mieters jeweils einseitig empfangsbedürftige Willenserklärungen sind. Auf diese wäre das Zurückweisungsrecht des § 174 BGB direkt und unmittelbar anzuwenden. Das Gericht wendet die Vorschrift allerdings nur analog an und begründet dies sehr plausibel mit den Besonderheiten sowohl der Mieterhöhungserklärung als auch der Zustimmungserklärung. Für das Erhöhungsverlangen des Vermieters ist dies schon seit den frühen 80er-Jahren gängige Rechtsprechung (OLG Hamm, Rechtsentscheid vom 28.5.1982). Das AG Dortmund zieht nun Parallelen auch für die Zustimmungserklärung des Mieters. Beide Seiten müssen sich schnell, einfach und sicher Klarheit darüber verschaffen können, dass durch die Zustimmung die erhöhte Miete nunmehr Vertragsinhalt geworden ist, vom Vermieter verlangt und gegebenenfalls auch eingeklagt werden kann.
Eine andere Literaturmeinung sieht im Zustimmungsverlangen des Vermieters und in der Zustimmungserklärung des Mieters gerade keine einseitigen Willenserklärungen, sondern einen ganz normalen Vertragsschluss bzw. eine Vertragsänderung, mit dem einzigen Unterschied, dass der Vermieter (bei wirksamem Erhöhungsverlangen) einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf die Zustimmungserklärung des Mieters hat. Lediglich in diesem Fall ist eine analoge Anwendung des Zurückweisungsrechts in § 174 BGB angebracht, wie hier vom Amtsgericht gut begründet.
Welcher Rechtsmeinung man auch folgt, nach diesem Urteil ist sowohl das Erhöhungsverlangen des Vermieters als auch die Zustimmungserklärung des Mieters bei Stellvertretung mit einer Originalvollmacht zu versehen, sie können anderenfalls zurückgewiesen werden.

VERWALTERSTRATEGIE

Bei jedem Mieterhöhungsverlangen ist zu prüfen, ob der Erklärung selbst eine Original-Vollmachtsurkunde beigefügt werden muss, oder ob die Vollmacht des Verwalters dem Mieter bereits anderweitig im Original übermittelt wurde, z. B. bei Abschluss des Mietvertrags, in dem der Verwalter zum Vertreter bestimmt worden ist. Das Gleiche gilt jetzt auch umgekehrt für die Abgabe der Zustimmungserklärung durch den Mieter. In der Regel ist in Mietverträgen eine Klausel vorgesehen, nach der sich Ehegatten gegenseitig vertreten. Vertritt allerdings wie hier ein (volljähriges) Kind, ist eine gesonderte Vollmacht von Nöten, wenn sich der Vermieter nicht nur auf  die mehrfache rechtzeitige Zahlung der erhöhten Miete verlassen will.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.