17.05.2021 Ausgabe: vdivDIGITAL 2021

Verwaltungsunterlagen digital archivieren - Zur Rechtslage und den erforderlichen Beschlussfassungen

Die Investition in digitale Serviceangebote ist für Immobilienverwaltungsunternehmen jeder Größe nicht nur lohnenswert, sondern im digitalen Zeitalter unbedingt notwendig, um auch künftig erfolgreich am Markt bestehen zu können. Durch das Angebot, Unterlagen digital zu archivieren und sie über entsprechende Online-Portale zur Verfügung zu stellen, können Immobilienverwaltungen interne Prozesse in vielerlei Hinsicht optimieren und so die Kundenzufriedenheit stetig verbessern. So wird es mehr und mehr zum Standard, dass Wohnungseigentümer aktuelle Informationen zu ihrer Immobilie automatisch in einem geschlossenen Informationsportal erhalten – mit dem Vorteil, dass alle relevanten Unterlagen jederzeit digital abgerufen werden können und beispielsweise der aktuelle Stand der Bearbeitung von Versicherungsschäden oder von beauftragten Sanierungsmaßnahmen einsehbar ist. Um die Potenziale der digitalen Zukunft voll auszuschöpfen, ist es sinnvoll, die gängigen Verwaltungsunterlagen zu digitalisieren, damit Dokumente wie Grundrisse, Ansichten, Schnitte des Hauses, Lageplan, Wohnflächen, Gebäudeenergieausweis, Teilungserklärung, Jahresabrechnungen, Wirtschaftspläne, Beschlusssammlung, Protokolle der Eigentümerversammlungen, Hausordnung etc. digital abgerufen werden können.

Rechtslage bei der ­Verwahrung von Dokumenten
Sämtliche Verwaltungsunterlagen einer Wohnungseigentumsanlage gehören der rechtsfähigen Gemeinschaft als deren Gemeinschaftsvermögen. Der bestellte Verwalter nimmt diese Dokumente als Vertreter der rechtsfähigen Gemeinschaft entgegen und bewahrt sie auf. Jeder Wohnungseigentümer hat das Recht, Einsicht in die Verwaltungsunterlagen zu verlangen. Über welches Medium sie zugänglich zu machen sind, hängt davon ab, ob die Archivierung der Unterlagen digital oder analog erfolgt. Diese Rechtslage ergibt sich aus § 9 a Abs. 3, § 18 Abs. 4 sowie § 9 b Abs. 1 S. 1 des novellierten Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), das seit 1. Dezember 2020 in Kraft ist. Die zur Anwendung kommenden gesetzlichen Regelungen lauten im Einzelnen wie folgt:

§ 9 a WEG: Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
(3) Für das Vermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Gemeinschaftsvermögen) gelten § 18, § 19 Abs. 1 und § 27 entsprechend.

§ 18 WEG: Verwaltung und Benutzung
(4) Jeder Wohnungseigentümer kann von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Einsicht in die Verwaltungsunterlagen verlangen.

§ 9 b WEG: Vertretung
(1) 1 Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten, beim Abschluss eines Grundstückskauf- oder Darlehensvertrags aber nur aufgrund eines Beschlusses der Wohnungseigentümer.

Erfordernis der Beschlussfassung
Es ist wichtig, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in der Versammlung die entsprechenden wirksamen Beschlüsse zum Digitalisieren der Verwaltungsunterlagen fasst, da auch nach neuem Recht in § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG ohne entsprechende Beschlussfassung die gesetzliche Grundlage dafür fehlt.

Im Rahmen ihrer Beschlusskompetenz treffen die Eigentümer die Entscheidung, welche Unterlagen neben einer digitalen Kopie auch im Original aufzubewahren sind, bei welchen Papieren eine digitale Kopie ausreicht und ab wann ein Papierdokument ersatzlos vernichtet werden kann. Dabei kommt es auf die Art des jeweiligen Dokumentes an, unabhängig davon, ob es sich um Bestandsunterlagen oder neue Schriftstücke handelt.

Unterscheidung der Dokumentenarten
Das Original eines Dokuments in Papierform ist neben einer digitalen Kopie dann aufzubewahren, wenn dem Original ein erhöhter Beweiswert im Sinne der §§ 415, 416 Zivilprozessordnung (ZPO) zukommt. Dies trifft auf Schriftstücke zu, die eine vom Gesetz vorgeschriebene Form wahren, u. a. Teilungserklärungen, Pläne, gerichtlich erwirkte Titel, Bürgschaften, Vollmachtsurkunden, beglaubigte Versammlungsprotokolle sowie laufende formbedürftige Verträge.

Alle übrigen Unterlagen können digitalisiert werden, ohne dass das Dokument in Papierform aufbewahrt werden muss, etwa formfreie Verträge, Rechnungen, Korrespondenz, einfache Versammlungsprotokolle, Beschlusssammlung, Eigentümerlisten, Wirtschaftspläne sowie Jahresabrechnungen etc. Bei der Aufbewahrung dieser Unterlagen in digitalisierter Form sind selbstverständlich gesetzliche Fristen einzuhalten, u. a. die für steuerliche Buchführungspflichten in § 147 Abgabenordnung (AO) und § 257 Handelsgesetzbuch (HGB) vorgegebenen maximal zehn Jahre.

Empfohlene Beschlussvorlagen
Der VDIV Deutschland hat im Februar 2021 die Handlungsempfehlung „Neue Beschlüsse nach der WEG-Reform 2020“ herausgegeben, die relevante Beschlussvorlagen nach neuer Gesetzgebung zu den jeweiligen Themengebieten mit ausführlichen Erläuterungen beinhaltet – auch zur digitalen Archivierung von Verwaltungsunterlagen.

Bei den Formulierungen solcher Beschlussfassungen ist es empfehlenswert, Bezug zu nehmen auf die vom Finanzministerium erlassenen Verwaltungsvorschriften „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ (GoBD). Die Bezugnahme soll sicherstellen, dass die Art und Weise der Digitalisierung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Zu unterscheiden sind erforderliche Beschlussfassungen zur Digitalisierung von neu eingehenden Dokumenten und solchen zur Digitalisierung von Bestandsunterlagen:

I. Beschluss zur Digitalisierung von neuen Dokumenten
„Die Wohnungseigentümer ermächtigen den Verwalter, neu eingehende Verwaltungsunterlagen [entsprechend den Vorgaben der GoBD] zu digitalisieren und das Papierdokument zu vernichten. Das gilt insbesondere für Rechnungen, Korrespondenz und formfrei zu schließende Verträge wie Bauverträge. Wird durch die Originale eine zur Wirksamkeit erforderliche Form wie notarielle Beurkundung oder Schriftform gewahrt (z. B. Vollmachten, Bürgschaften), sind diese Originaldokumente zu verwahren.“

II. Beschluss zur Digitalisierung von Bestandsunterlagen
„Die Wohnungseigentümer ermächtigen den Verwalter, die Verwaltungsunterlagen [entsprechend den Vorgaben der GoBD] zu digitalisieren und anschließend die vorhandenen Papierdokumente zu vernichten. Allerdings sind solche Originale aufzubewahren, durch die heute noch Rechtswirkungen erzeugt werden und durch die eine zur Wirksamkeit erforderliche Form wie notarielle Beurkundung oder Schriftform gewahrt wird (Teilungserklärung, Pläne, Titel, Bürgschaften, Vollmachtsurkunden, aktuelle beglaubigte Versammlungsprotokolle, laufende formbedürftige Verträge, SEPA-Mandate).“

Kostenregelungen zur ­(nachträglichen) ­Digitalisierung und Pflichten bei Amtsübergabe
Grundsätzlich sind die Vereinbarungen zur Kostenübernahme für die Aufbewahrung und die Form der Archivierung der Verwaltungsunterlagen Gegenstand des Verwaltervertrags. Die Kostenregelung für eine von der Gemeinschaft beschlossene nachträgliche Digitalisierung bereits vorhandener Papierdokumente sollte sich als Bestandteil in die Systematik des Verwaltervertrags einfügen. Gleiches gilt für Fälle, in denen die Gemeinschaft eine Aufbewahrung in Papierform wünscht, obwohl eine digitale Kopie ausreichen würde. So wird Klarheit geschaffen, dass der Aufwand der Digitalisierung entweder Teil der Grundleistung ist oder als Teil der besonderen Leistung von der Eigentümergemeinschaft übernommen wird.

Schließlich ist bei einer Amtsübergabe an einen Folgeverwalter noch zu berücksichtigen, dass die Herausgabepflicht sämtlicher Unterlagen grundsätzlich in der Form zu erfüllen ist, wie die Unterlagen beim ausscheidenden Verwalter vorhanden sind. Sowohl Papierunterlagen als auch digitale Kopien sind als solche auch herauszugeben.

Handlungsempfehlung des VDIV Deutschland
Die Sammlung „Neue Beschlüsse nach der WEG-Reform 2020“ kann zum Verkaufspreis von 79 Euro (zzgl. gesetzlicher Umsatzsteuer) erworben werden. Den Mitgliedern der VDIV-Landesverbände steht die Publikation im Intranet des VDIV Deutschland kostenfrei zum Download zur Verfügung.

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Kaßler, Martin

Geschäftsführer des VDIV Deutschland