05.07.2013 Ausgabe: 4/2013

Viele haben den Kanal voll

Seit im Juli 2010 das novellierte Wasserhaushaltsgesetz in Kraft getreten ist, sind die Gemüter von Wohnungs- und Immobilieneigentümern erhitzt. Beim Thema Kanaldichtigkeitsprüfung haben viele den Kanal voll. Jetzt reagiert die Politik auf die Proteste.

Bis zum 31. Dezember 2015 sollten alle privaten Zuleitungen zu den Abwassernetzen der Kommunen in Deutschland auf ihre Dichtheit hin überprüft werden. Doch inzwischen ist dieser Termin zumindest mancherorts obsolet – und die Front der Befürworter bröckelt. Ist das bereits die Trendwende?

Nach Meinung von Experten sind in Deutschland sieben von zehn Hausanschlüssen an das Abwassernetz undicht. Das nordrhein-westfälische Lünen hat bei 4000 geprüften Leitungen sogar eine Schadensquote von mehr als 80 Prozent ermittelt. Über die Auswirkungen für die Umwelt wurde bei einer Anhörung im Landtag Nordrhein-Westfalen Anfang 2013 heftig gestritten. Aufgrund massiver Proteste von Immobilieneigentümern und Verbänden hat der nordrhein-westfälische Landtag am 27. Februar 2013 sein Landeswassergesetz (LWG) geändert und damit die Prüffrist für Kanaldichtigkeitsprüfungen gekippt.

Die Verpflichtung von Eigentümern, ihren Anschlusskanal an das Abwassernetz auf seine Dichtigkeit hin überprüfen zu lassen, findet sich im Bundes-, Landes- und Kommunalrecht. Bis Anfang 2012 nannte die DIN 1986 Teil 30, die die allgemein anerkannten Regeln der Technik definiert, als spätesten Termin für die Dichtigkeitsprüfung den 31. Dezember 2015. Hierauf bezog sich das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) des Bundes. Inzwischen wurde dieser Termin gestrichen. Dem Bundesrecht nach obliegt die Verantwortung für die Überprüfung der Abwasserleitungen nun den Eigentümern. Ursprünglich war das WHG ein Rahmengesetz des Bundes, das von den Wassergesetzen der Länder ausgefüllt wurde. Seit der Föderalismusreform regelt der Bund das Wasserhaushaltsrecht abschließend. Die Länder dürfen jedoch eigene Regelungen treffen. Außerdem enthält das WHG Öffnungsklauseln für die Länder.

Die Länder rudern zurück

Das Bundesland hatte in dem Gesetz ursprünglich festgelegt, dass alle privaten Abwasserkanäle bis zum 31. Dezember 2015 überprüft werden müssen. Mit dem Inkrafttreten des geänderten Landeswassergesetzes wird der bisherige § 61a LWG NRW samt Prüffrist ersatzlos gestrichen. Die oberste Wasserbehörde soll nun eine Rechtsverordnung erlassen, mit der die Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen künftig neu geregelt wird. Derzeit befindet sich die Verordnung in der Abstimmung. In Wasserschutzgebieten gilt der Termin Ende 2015 für Leitungen, die vor 1965 erstellt wurden, allerdings weiter. Neuere Kanäle müssen dort bis Ende 2020 geprüft sein. Das Gesetz räumt jedoch Städten und Gemeinden auch die Kompetenz ein, Dichtheitsprüfungen zu verlangen.

In Hamburg gelten derzeit noch keine Prüffristen, allerdings sind sie bereits geplant. Die zuständige Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt arbeitet zurzeit an einem Fristenplan. Hessen hingegen hat die Prüffristen vorerst ausgesetzt, und die Regelung wird überprüft. Im Rahmen des sogenannten Dialogverfahrens Standardabbau soll überprüft werden, ob Nutzen und Aufwand der Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ursprünglich sollte in Hessen die Erstprüfung bis Ende 2024 stattfinden. In schleswig-holsteinischen Wasserschutzgebieten müssen die Abwasserkanäle ebenfalls bis zum 31. Dezember 2015 geprüft sein. Für alle anderen Gebiete endet die Frist Ende 2022. Alle anderen Bundesländer haben keine starre Prüffrist installiert, Ausnahmen gelten teilweise in Wasserschutzgebieten.

Entscheidung auf die Kommunen verlagert

Auch wenn Bund und Länder bei der Dichtheitsprüfung zurückrudern, ist die Kuh noch nicht vom Eis. Viele Kommunen haben Regeln zur Dichtheitsprüfung in ihren Gemeindesatzungen festgeschrieben. Dadurch ist ein regelungstechnischer Flickenteppich entstanden, der sich über ganz Deutschland erstreckt. Doch auch hier bröckelt die Front der starren Prüffristen. Jüngstes Beispiel für diese Entwicklung ist München. Nachdem auch in der bayerischen Landeshauptstadt die Emotionen hochgekocht sind, hat der Stadtentwässerungsausschuss am 16. April beschlossen, die Frist für die Erstprüfung von privaten Grundstücksentwässerungsanlagen ersatzlos zu streichen. Jetzt muss die Vollversammlung des Stadtrats endgültig über die Prüffrist entscheiden.

Bisher sah die Münchner Regelung vor, dass jeder Hauskanalanschluss bis zum 31. Dezember 2015 auf Dichtheit überprüft werden muss. Nach Aussage des beantragenden CSU-Kreisverbands ist die Verunsicherung unter den Hausbesitzern in den letzten Jahren bei jeder Versammlung zu spüren gewesen. Denn insbesondere die in München praktizierte Anliegerregie, bei der der einzelne Eigentümer die Verantwortung für den gesamten Kanal bis zum Hauptkanal trägt, also auch für Kanalteile außerhalb seines Grundstücks, beinhalte im Fall einer negativen Dichtheitsprüfung ein enormes Kostenrisiko. Wie ein Damoklesschwert wirke dabei, dass eine zum 31. Dezember 2015 nicht nachgewiesene Prüfung sogar eine Ordnungswidrigkeit darstelle.

Andere Städte, andere Sitten

Die Regelungen der einzelnen Kommunen sind sehr unterschiedlich. Während Bonn keinen Prüftermin nennt, schreibt die Stadt Dresden Inspektionen im Zehn-Jahres-Turnus vor. Wieder anders liegt der Fall im Süden der Republik. In der Fuggerstadt Augsburg müssen Immobilieneigentümer bis zum 31. Dezember 2019 die erste Dichtheitsprüfung nachweisen. Spätestens nach 25 Jahren muss erneut geprüft und nachgewiesen werden. Wer dort die Fristen missachtet, dem droht ein Bußgeld. Ganz anders läuft es im hessischen Frankfurt. In der Mainmetropole prüft die Stadt selbst die Dichtheit. Die Kosten dafür werden über die Abwassergebühren auf die Allgemeinheit umgelegt.

Die Kosten, die die Dichtheitsprüfung verursacht, hängen stark vom Verlauf der Abwasserleitung ab. Je kürzer die Abwasserleitung und je weniger Abzweigungen, desto geringer sind die Kosten. Dichtigkeitsprüfungen, bei denen man die Abwasserleitung über einen Revisionsschacht erreicht, sind günstiger als solche, bei denen dies nicht möglich ist.

Bei einer relativ kurzen Abwasserleitung, die weniger als 10 Meter lang ist, bei der keine Abzweigungen vorhanden sind und die über einen Kontrollschacht zu erreichen ist, kann eine Überprüfung der Dichtigkeit bereits für circa 400 Euro durchgeführt werden.

Sollte es sich um eine längere Leitung von bis zu 15 Metern mit vielen Abzweigungen handeln, die über keinen Kontrollschacht verfügen, können sich die Kosten schnell vervielfachen und bis zu 2000 Euro oder in seltenen Fällen sogar noch etwas mehr betragen. Um die genauen Kosten zu bestimmen, muss ein Kostenvoranschlag eingeholt werden. Jedoch sollte durch diese Werte ein Rahmen abgesteckt sein, in dem sich die Kosten bewegen.

Sollte der Leitungsverlauf nicht bekannt sein, so muss dieser zuerst geortet werden, was erhebliche Mehrkosten verursacht. Sollte es notwendig sein, Leitungen aufzugraben steigen die Ausgaben ebenfalls beträchtlich.

Hinzu kommen Kosten für Beratung, Planung und Bauaufsicht, die normalerweise ein Ingenieur durchführen muss.

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