11.03.2024 Ausgabe: 1&2/24

Virtuelle Eigentümerversammlung

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Warum ist sie wichtig und wie ist der Stand?

Die virtuelle Eigentümerversammlung als dritte und gleichwertige Versammlungsmöglichkeit ist notwendig für Eigentümer sowie Immobilienverwaltungen, um die vielen neuen gesetzlichen Vorgaben umsetzen zu können. In den politischen Kreisen Berlins herrscht nach wie vor Uneinigkeit zu diesem Thema.

Die Bundesregierung hat im Mai 2023 den ersten Entwurf für das Gesetz zur Zulassung der virtuellen Versammlung veröffentlicht. Im November 2023 hat der Bundesrat dafür gestimmt, den Gesetzentwurf zu ändern und forderte die Einstimmigkeit für die Zulassung virtueller Eigentümerversammlungen. Dem widersprach die Bundesregierung in ihrer letzten Kabinettsrunde kurz vor Weihnachten. Ohne weitere Aussprache bestätigte sie, vorerst keine Änderungen am Entwurf als sinnvoll zu erachten. Auch der VDIV Deutschland sieht die Einstimmigkeit für den Beschluss als unnötig hohe Hürde an, die in der Praxis dazu führen würde, dass die virtuelle Form nicht beschlossen werden kann. Zum Redaktionsschluss war der Gesetzentwurf nach erster Lesung im Deutschen Bundestag am 18. Januar und einer bei Redaktionsschluss für den 19. Februar anberaumten Anhörung noch nicht fnal beschlossen. Nichtsdestotrotz braucht es die virtuelle Eigentümerversammlung dringend. Die Argumente für diese Versammlungsform im Überblick: 

Hybride Versammlung ist kompliziert, teuer und aufwendig 

Die bisherigen Versammlungsarten, Präsenz- oder  Hybridveranstaltungen, haben sicherlich ihre spezifichen Vor- und Nachteile. Die bereits bestehende Möglichkeit der hybriden Versammlung wird von Kritikern oftmals als Argument dafür angeführt, dass es keiner weiteren Versammlungsform bedürfe. In der Praxis hat sich die hybride Variante allerdings als sehr aufwendig und teuer erwiesen. Es muss nicht nur ein Raum für die Teilnahme in Präsenz plus mehr Personal dafür bereitgestellt werden (Versammlungsleitung plus jemand, der die Online-Teilnehmer begleitet), sondern auch die Übertragungstechnik. Das macht diese Versammlungsform noch aufwendiger und teurer. Sie hat nicht den gewünschten Mehrwert bzw. Erleichterung in der Praxis geschaffen. Laut der Umfrage im Rahmen des VDIV-Branchenbarometers 2023 führen mehr als 70 Prozent der Immobilienverwaltungen keine einzige hybride Versammlung durch. Die Begründung: zu kostenintensiv und zu aufwendig.

Der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen betont Vorteile wie die Einsparung von An- und Abreisekosten, Raumkosten und den reduzierten Verwalteraufwand gegenüber hybriden Veranstaltungen. Der Entwurf sieht vor, virtuelle Versammlungen mit einer Mehrheit von 75 Prozent der abgegebenen Stimmen zuzulassen, wobei die Laufzeit des Beschlusses auf höchstens drei Jahre begrenzt ist. Es ist also keine Entscheidung für immer. Die Eigentümer sollen dabei sämtliche Rechte ausüben können, Beschlüsse unterliegen weiterhin den allgemeinen Regelungen der Anfechtung. Weit mehr als dreiviertel der von uns befragten Immobilienverwaltungen befürworten die virtuelle Versammlung (VDIV-Branchenbarometer 2023).

Virtuelle Versammlung ist das Gegenteil von Ausschluss

Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) repräsentieren immerhin 25 Prozent des gesamten Wohnungsmarktes. Wie man jedoch immer wieder feststellen kann, auch anhand dieses Beispiels, werden ihre Bedürfnisse von der Politik nicht wahrgenommen. Die gesetzliche Regelung zur Durchführung der rein virtuellen Eigentümerversammlung wäre an dieser Stelle ein Schritt in Richtung Zukunft. Der vorliegende Gesetzentwurf würde es Eigentümergemeinschaften ermöglichen, ihre Versammlungsform zwischen virtuell, hybrid oder in Präsenz frei zu wählen. Die virtuelle Versammlungsform ist dabei an ein sehr hohes Quorum gebunden. Es geht nicht darum, eine virtuelle Versammlung zum allein zulässigen Standard zu machen, sondern darum Eigentümern die Möglichkeit zu eröffnen, über die Zulässigkeit einer virtuellen Versammlung zu entscheiden. 

Der durch die Corona-Pandemie ausgelöste Digitalisierungsschub erfasst nahezu alle Arbeits- und Lebensbereiche. Alle Alters- und Gesellschaftsschichten sind mit digitalen Kommunikationsmitteln vertraut, teure Technik für die Teilnahme an einer virtuellen Versammlung ist nicht nötig. Auch die kleine Gruppe derjenigen, die bislang Schwierigkeiten mit dem Internet hat, wurde und wird nicht in ihrem Versammlungsrecht beschnitten. Sie haben weiterhin die Möglichkeit, Vollmachten auszustellen oder gemeinsam mit anderen Eigentümern an der Versammlung teilzunehmen.

In ihrer Mobilität eingeschränkte Personen, Alleinerziehende oder Besitzer vermieteter Wohnungen, die weit vom Ort der Immobilie entfernt leben, könnten sich dagegen virtuell zuschalten, diskutieren und Beschlüsse fassen. Das war vorher nicht möglich. An dieser Stelle kam es in der Vergangenheit tatsächlich häufi dazu, dass Personengruppen durch den Präsenzzwang ausgeschlossen waren. Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie zeigen, dass deutlich mehr Eigentümer an virtuellen Versammlungen teilnehmen, wodurch eine breitere Mehrheit die WEG-Beschlüsse mitträgt. Zum ersten Mal sind nun in den Versammlungen auch Bevölkerungsschichten in nennenswerter Zahl vertreten, die zuvor fehlten. Wenn nun weitere Eigentümer an einer Versammlung teilnehmen und dadurch mitbestimmen, trifft dies nicht immer auf Zustimmung aller Eigentümer. Das erklärt den Gegenwind.

Im Gegensatz zu den bisherigen langwierigen Beschlussverfahren, die an jährliche Präsenzversammlungen gebunden waren, ermöglicht die virtuelle Option kurzfristige Reaktionen auf zeitlich befristete Förder- und Zuschussprogramme für energetische Maßnahmen. Hätte es diese Möglichkeit bereits gegeben, hätten Eigentümergemeinschaf-ten auch an der Bezuschussung des Einbaus von E-Ladestationen partizipieren können. So gingen die Gemeinschaften leer aus, und Ladestationen sind nach wie vor kaum vorhanden, trotz des Potenzials von rund vier Millionen Stellplätzen. 

Kaum Fachkräfte für aufwendige Präsenz-Versammlungen 

Ein weiterer wichtiger Grund, Eigentümergemeinschaften darüber entscheiden zu lassen in welcher Form sie zusammenkommen, ist der zunehmende Fachkräftemangel in Immobilienverwaltungen und die sich verändernde Arbeitswelt. Mitarbeitende sind immer weniger bereit, in den Abendstunden oder am Wochenende für Präsenzversammlungen zur Verfügung zu stehen. Die Verknappung am Arbeitsmarkt führt auch dazu, dass Unternehmen sich vermehrt von kleineren Gemeinschaften trennen, da schlichtweg das Personal fehlt. Daher sollte verhindert werden, dass Gesetze und Verordnungen zukünftig ignoriert und nicht umgesetzt werden, weil moderne Abstimmungs Tools blockiert werden. Eine jährliche Versammlung wird in vielen Bestandsgebäuden angesichts der komplexen energetischen Herausforderungen nicht mehr ausreichen. Die gesetzlich verordnete Wärmewende erhöht schlichtweg den Abstimmungsbedarf. Gleichzeitig wurde in den meisten Gebäuden in den vergangenen Jahren zu wenig saniert. Es bedarf also moderner, effizienter und unkomplizierter Wege, diese Herausforderungen anzugehen. Dabei ist der WEG-Beschluss immer das, was am Anfang steht.

Auch der Gesetzgeber steht vor einer schwer lösbaren Aufgabe: Die kurzen Fristen lassen sich bei vielen Gebäuden nicht einhalten. Es fehlt an Fachkräften in Immobilienverwaltungen und Handwerksbetrieben. Ohne Aufklärung, Angebotseinholung und Beschluss keine Sanierung; ohne Handwerker keine Um-setzung. Die Gesetzgebung geht in der Folge oftmals ins Leere. Ein Beispiel hierfür ist der hydraulische Abgleich in Wohngebäuden. Die Umsetzungsfrist für Gebäude mit mindestens zehn Wohneinheiten war so kurz bemessen, dass knapp 80 Prozent der Immobilienver-waltungen dies nicht umsetzen konnten, nicht zuletzt deshalb, weil die einmal pro Jahr stattfindenden igentümerversammlungen im vierten Quartal und damit nach der Frist für den Abgleich stattfinden. Viele eizungsbetriebe hatten aufgrund der Auftragslast nicht mal die Kapazitäten, ein Angebot abzugeben. Die Suche nach einem Heizungsbauer mit einer Lücke im Terminkalender gestaltet sich mitunter wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Wenn doch ein Angebot abgegeben wird, kann die Gemeinschaft nicht Monate warten, bis sie darüber beschließt. 

Ein zusätzliches rein digitales Abstimmungstool würde vielen Gemeinschaften helfen, wenn die Wärmewende gelingen soll. Der VDIV Deutschland befürwortet, was bereits im Vereins- und Genossenschaftsrecht sowie bei Aktionärs- und Gerichtsversammlungen möglich ist: die Wahlmöglichkeit und die Option, als Gemeinschaft frei darüber zu entscheiden, welche Versammlungsform gewünscht wird.

Zyber, Ohle

Referent der Geschäftsführung, VDIV Deutschland