18.05.2020 Ausgabe: vdivDIGITAL 2020

Vom Problem zum Profit - Wie man die Digitalisierung unter wirtschaftlichen Aspekten strategisch angeht.

Natürlich fragt man sich manchmal, wieso man sich das mit der Digitalisierung eigentlich antut. Es war doch alles gut bisher. Der Kunde ist König, hieß es. Und nun? Soll er plötzlich nicht mehr nur König sein, sondern gar Kaiser!? Eine vierundzwanzigstündige Erreichbarkeit an sieben Tagen die Woche wird nun vorausgesetzt! Wer soll denn das Personal dafür stellen?

Digitalisierung betrifft uns alle.
Das 7. VDIV-Branchenbarometer1 inkl. der Digitalisierungsumfrage 20192 zeigt, dass es unter den professionellen Immobilienverwaltern etwa vier Typen3 gibt, die hier in der Tabelle dargestellt sind.

Was haben diese vier digitalen Typen gemeinsam? Geschäftsführer stellen häufig – leider die falschen – Fragen, bevor sie mit der Digitalisierung starten. Bedienen wir uns dazu der Kopfstandmethode und fragen nicht, wozu wir digitalisieren, sondern was unsere Kunden davon haben. Fokussieren wir uns auf die Kerngeschäfte: Dem 7. VDIV-Branchenbarometer zufolge sind dies bei den Befragten mit rund 96 Prozent5 die WEG-Verwaltung, gefolgt von der Mietverwaltung mit 81 Prozent(6).

Wir fragen uns: Wen beauftragen unsere Kunden für ihre WEG- und Miet-Verwaltung? A, die analog organisierte WEG- und Miet-Verwaltung mit den Papierbergen, die man montags ab 8:00 Uhr erreicht, oder B, die digital gut aufgestellte, die rund um die Uhr auch online erreichbar ist und stets über alle Vorgänge bestens auf dem Laufenden hält? Entscheiden Sie sich als Kunde für ‚A‘ oder für ‚B‘? Die meisten Befragten wählen die digitale WEG-Verwaltung. Das bedeutet, dass wir letztlich als professioneller Immobilienverwalter kaum mehr eine Wahl haben: Digitalisierung betrifft uns alle.


Wer soll das bezahlen und wovon?
Kommen wir zu den alles entscheidenden Fragen: Was kostet die Digitalisierung? Und wer zahlt das? Unser WEG-Kunde beispielsweise zahlt durchschnittlich rund 21 bis 23 Euro netto im Monat(7). Das ist knapp kalkuliert. Und da sollen die Kosten der Digitalisierung mit drin sein?!

Laut Studie werden durchschnittlich rund acht Prozent des Jahresumsatzes für IT und Digitalisierung(8) verwendet. Dies variiert je nach Größe des befragten Unternehmens: Je kleiner ein Unternehmen ist, umso eher sind es knapp zehn Prozent vom Jahresumsatz(9). Hier stellt sich auch die Frage, was genau in den Unternehmen unter IT und Digitalisierung verstanden wird. Schulungs- und Marketing-Kosten rund um die Digitalisierung, die einen nicht zu vernachlässigenden Anteil ausmachen, werden meist nicht in diese Kosten eingerechnet.

Betrachtet man den Anteil des IT-Budgets am Vergütungssatz von rund zehn Euro pro verwalteter Einheit, dann kommt man auf knapp einen Euro monatlich pro verwalteter Einheit, der in IT und Digitalisierung fließt(10). Laut Studie ist jedoch besonders auffällig, dass etwas über elf Prozent in der Gruppe der digital Kompetenten diesen Satz mit 25 Euro je verwalteter Einheit und Jahr, also knapp zwei Euro monatlich je verwalteter Einheit,(11) angeben.

73 Prozent der Experten(12) sind der Meinung, dass die Digitalisierung einen kostenreduzierenden Einfluss hat und 80 Prozent der Experten und Kompetenten(13) sind überzeugt, dass die Digitalisierung sich positiv auf die Kundenzufriedenheit auswirkt. Knapp 85 Prozent der Neulinge(14) bezeichnen die Auswirkungen als neutral und erkennen noch keine Vorteile der Digitalisierung für Ihre Immobilienverwaltung.

Ein ehemals digitaler Neuling ging einen ganz pragmatischen Weg und führte trotz anfänglicher Zweifel eine WEG-Versammlung digital per Web-Konferenz durch. Die Teilnehmer hatten vorher eingewilligt und waren froh, dass sie teils bis zu 1 600 km Hin- und Rückweg nicht auf sich nehmen mussten. Es zeigt sich: Mut, kombiniert mit sehr guter Planung und Organisation, ist einmal mehr das A und O. Inzwischen hat dieser Immobilienverwalter bereits Mandate für weitere Objekte per Mundpropaganda hinzugewonnen. So nahm seine Reise ins Digiland plötzlich Fahrt auf: Jeder Mitarbeiter betreut nun mehr Einheiten als zuvor, arbeitet zunehmend mobil und fühlt sich dabei sogar selbstbestimmter und wohler als zuvor.

Fahrplan zur Digitalisierung
Um eine eigene Strategie für den Aufbruch ins Digiland zu entwickeln, empfiehlt es sich, sich möglichst ab sofort täglich etwa 15 Minuten Zeit zu nehmen, um sich mit relevanten Fragen und ­Themen zu befassen. Dazu ein inspirierender Wochenplan:


1 N=370 bundesweite Immobilienverwaltungen mit insgesamt 738 Unternehmen, onlinebasierte anonyme Erhebung von Mitte Januar 2019 bis Anfang April 2019. 2 N=414 bundesweite Immobilienverwaltungen, davon 380 vollständig beantwortet, onlinebasiert, selbsteingeschätzt, Ende 2018. 3 Vgl. 7. VDIV-Branchenbarometer und Digitalisierungsumfrage (2019), S. 67. 4 Vgl. 7. VDIV-Branchenbarometer und Digitalisierungsumfrage (2019), S. 12. 5 Vgl. ebenda. 6 Vgl. ebenda, S. 37 (Regelsatz WEG-Bestandsvergütung regional (netto) durchschnittlich EUR 21,02 basierend auf: EUR 25,38 bei weniger als 10 Wohneinheiten (WE), EUR 21,75 bei 11-20 WE, EUR 20,06 bei 30-49 WE, EUR 19,30 bei 50-99 WE, EUR 18,61 bei über 100 WE); S. 38 (Regelsatz bei Neubewerbungen durchschnittlich EUR 23,30 basierend auf: EUR 29,54 bei weniger als 10 WE, EUR 24,17 bei 11-20 WE, EUR 22,11 bei 30-49 WE, EUR 20,87 bei 50-99 WE, EUR 19,81 bei über 100 WE). 7 Vgl. ebenda, S. 69 (hier: 7,72 % ist der durchschnittliche Anteil IT-Budget am Jahresumsatz). 8 Vgl. ebenda, S. 69 (hier: 9,9 % ist der Anteil IT-Budget am Jahresumsatz bei weniger als 150 verwalteten Einheiten). 9 Vgl. ebenda, S. 69 (hier: IT-Budget als Anteil am Vergütungssatz je Einheit und Jahr). 10 Vgl. ebenda, S. 69. 11 Vgl. ebenda, S. 74. 12 Vgl. ebenda, S. 73. 13 Vgl. ebenda, S. 73.

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Jekel, Prof. Dr. Nicole

Die Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Controlling an der Beuth Hochschule für Technik Berlin ist u. a. Jury-Vorsitzende für den Controlling Newcomer Award des Internationalen Controllervereins (ICV).