20.10.2022 Ausgabe: 7/22

Vor Ort und online

Was beim Gestattungsbeschluss zur hybriden Eigentümerversammlung zu bedenken ist

Eine der Neuerungen, die das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) mit sich gebracht hat, war die Einführung der digitalen Eigentümerversammlungen, genauer gesagt: die sich aus § 23 Abs. 1 S. 2 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) ergebende Erlaubnis, dass Wohnungseigentümer beschließen können, an Eigentümerversammlungen auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilzunehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation auszuüben.

Noch in der Phase des Gesetzgebungsprozesses war dies für viele undenkbar und erschien wenig sinnvoll. Das Fortschreiten der Digitalisierung und nicht zuletzt die Covid-19-Pandemie haben hier viel in Gang gesetzt. Allerdings ist per Gesetz nach wie vor die Präsenzveranstaltung vorgesehen – in einem ausreichend dimensionierten Versammlungsraum. Einzelne oder auch alle Eigentümer können online bzw. über elektronische Medien teilnehmen, wenn dies vorher beschlossen wurde. Für eine solche Hybridveranstaltung ist ein Gestattungsbeschluss erforderlich. Was ist dabei zu bedenken?

Im Vorfeld der Beschlussfassung
Zur Vorbereitung eines Beschlusses nach Art. 23 Abs. 1 S. 2 WEG – der wiederum den Weg frei machen soll für die Hybridveranstaltung – müssen die folgenden Fragen geklärt werden:


Welche elektronischen Kommunikationsmittel werden zugelassen?
Es müssen nicht immer Videokonferenzsysteme sein. Denkbar ist auch die Teilnahme per Telefon, Messenger- Dienst, Videotelefonie oder sogar per E-Mail.

Bei Videokonferenzsystemen stellt sich die Frage, ob eine Software erworben und vom Verwalter oder der Gemeinschaft betrieben oder ein Online-Portal eines anderen Anbieters genutzt werden soll. Bei Letzterem stellt sich die Frage, wo der Portal-Betreiber seinen Sitz hat – innerhalb oder außerhalb der EU? – und wo der Server dafür steht. Stammt das gewählte System aus einem nicht sicheren Drittstaat, etwa den USA, muss geklärt werden, ob es nicht ein vergleichbares Angebot aus der EU oder einem sicheren Drittstaat gibt. Ist dies nicht der Fall, kann das gewählte Portal mit weiteren Schutzeinstellungen genutzt werden.

Welche datenschutzrechtlichen Aspekte sind noch zu beachten?
Mit dem Betreiber der zu nutzenden Plattform muss z. B. ein Auftragsverarbeitungsvertrag geschlossen werden. Es bedarf außerdem einer Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten. Hier kommt die Einwilligung der Wohnungseigentümer in Betracht. Diese muss unmissverständlich, freiwillig, in informierter Art und Weise und widerruflich sein. Willigt ein Eigentümer nicht ein und nimmt am Präsenzteil der Versammlung teil, darf weder sein Bild noch sein Ton übertragen werden. Für die Einwilligung bzw. die datenschutzrechtliche Zulässigkeit ist zu klären, wie die Daten verschlüsselt werden, wer auf sie zugreifen kann, ob die Versammlung aufgezeichnet wird (was nicht zulässig sein dürfte) und wie Abstimmungen erfolgen sollen. 

Die Eigentümer sind über diese neue Art der Datenverarbeitung nach Art. 13 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu informieren, und der neue Prozess muss in das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten aufgenommen werden.

Welche technische Ausstattung ist erforderlich und wer zahlt deren Kosten?
Wird eine Sonderumlage erhoben, oder sind die Kosten bereits von der Verwaltergebühr umfasst? Wie werden die Kosten auf einzelne Eigentümergemeinschaften bzw. die einzelnen Eigentümer innerhalb der Gemeinschaft verteilt?

Welche Rechte sollen die Eigentümer ausüben können?
Bei Nutzung von Videokonferenzsystemen ist die Durchführung von Versammlungen genau so denkbar, als würden alle Teilnehmenden vor Ort sein: Die Antrags-, Rede-, Teilnahme- und Stimmrechte können ausgeübt werden. Dies kann aber auch beschränkt werden auf die Teilnahmerechte, während für die Ausübung der Stimmrechte digital zugeschalteter Teilnehmer Vollmachten für bei der Versammlung tatsächlich körperlich anwesende Eigentümer erteilt werden.

Soll die Form der Hybridveranstaltung für alle künftigen Versammlungen möglich sein oder nur für die jeweils nächste Versammlung?
Das Ergebnis dieser Überlegung hat Auswirkungen auf Fragen zu Technik, Datenschutz und Kosten

Der Beschluss
Sind die genannten Fragen beantwortet und der datenschutzkonformen Umsetzung der Hybridversammlung steht nichts mehr Wege, kann der entsprechende Beschluss gefasst werden. Auch dieser sollte die Antworten auf die gestellten Fragen beinhalten. Hinzu kommt gegebenenfalls die Vereinbarung einer Sondervergütung für die Verwaltung und wie diese Kosten verteilt werden sollen, zudem auch ein Hinweis, dass die technischen Voraussetzungen für ihre Online-Teilnahme von den Eigentümern selbst und auf ihre Kosten zu schaffen sind. Auch auf die Einhaltung der Nichtöffentlichkeit sollte hingewiesen werden. 

Wofür keine eigene Regelung per Beschluss erforderlich ist, ist die Frage, welche Auswirkungen technische Störungen während der Versammlung haben und wie der Versammlungsleiter damit umzugehen hat (siehe auch Letzner, Quo vadis digitale Eigentümerversammlung? ZWE 2021, 426). Diese Fragen können in Geschäftsordnungsbeschlüssen geregelt werden.

Fazit
Der Aufwand, um die erste Eigentümerversammlung als Hybridveranstaltung stattfinden zu lassen, ist sicher recht groß, aber er lohnt sich: Künftig können anzumietende Räume kleiner ausfallen als bisher, und Eigentümern, die nicht am Ort wohnen, wird die Ausübung ihrer mitgliedschaftlichen Rechte erleichtert. Diese Vorteile, die dauerhaft bestehen bleiben, wiegen den Installationsaufwand mehr als auf. Ziel ist es, Versammlungen moderner, kurzfristiger und mit kürzerer Dauer abzuhalten und Eigentümern die Teilnahme zu erleichtern.

Gündel, Katharina

Die Fachanwältin für Miet- und ­WEG-Recht ist in der Kanzlei Groß Rechtsanwälte tätig.
www.gross.team