08.12.2023 Ausgabe: 8/23

Wärmewende @ Home

Gebäude mit Gasetagenheizungen:
Das sind mögliche Alternativen für den Umstieg.

Bis 2045 müssen alle Gebäude in Deutschland auf eine Beheizung ohne Nutzung fossiler Brennstoffe umgestellt sein. Bei Mehrfamilien­häusern mit Etagenheizungen stellt sich der Umstieg naturgemäß komplizierter dar als bei Gebäuden mit zentraler Versorgung. Welche Optionen gibt es? Wir stellen ein paar Möglichkeiten vor.

„Um eine qualifizierte Entscheidung über die passende Beheizungsart treffen zu können, muss zuerst die Heizlast des Gebäudes ermittelt und der energeti­sche Zustand des Gebäudes betrachtet werden,“ sagt Thomas Rolf Hermes, Geschäftsführer von FRANK Ecozwei, ein Full Service-Anbieter für Neubauprojekte, energetische Sanierungen sowie Städte- und Quartiers-entwicklung. Wenn ein Haus aufgrund seines schlechten energetischen Zustands eine sehr hohe Heizlast auf­weist, empfiehlt sich immer auch die energetische Ertüchtigung im Zusammenhang mit dem Heizungs­tausch. Eine hohe Heizlast haben Gebäude, die mehr als 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/qm a) verbrauchen. „Um das Heizen in Zukunft bezahlbar zu halten, müssen wir auf die Effizienz schauen,“ so Hermes. Ein empfehlenswertes Ziel für Gebäude sei ein Verbrauch von unter 100 kWh/qm a.

Wohnungsindividuelle Lösungen beibehalten

Soll ein Gebäude weiter dezentral versorgt werden, gibt es für Mehrparteienhäuser abseits der Gastherme derzeit noch kein breites Angebot. „Prinzipiell möglich sind wohnungsindividuelle Luft/Luft-Wärmepumpen,“ so Hermes. Hier wird in jedem Zimmer ein Gerät benötigt, das die Luft verwirbelt. Zusätzlich ist an der Fassade ein Außengerät notwendig, um die Wärme aus der Außenluft aufzunehmen. Kommt die Warmwasserbereitung hinzu, braucht man noch Platz für den Speicher, der je nach Auslegung das Ausmaß eines Tower-Kühlschrankes hat. Während die Gastherme in Wohnungen oft im Bad an der Wand hängt oder in eine kleine Kammer passt, fordert eine Luft/Luft-Wärmepumpe in der Wohneinheit deutlich mehr Platz ein. Darüber hinaus ist mit einer deutlicher vernehmbaren Geräuschkulisse als bei der Gasetagen­heizung zu rechnen. Da das Außengerät an der Fassade angebracht werden müsste, ergeben sich auch Hürden für die Genehmigung: Es stellt eine bauliche Veränderung dar, sodass in der Eigentümerversammlung darüber entschie­den werden muss. „In der Praxis kommt die dezentrale Luft/Luft-Wärmepumpe als wohnungsindividuelle Lösung selten zum Einsatz,“ so Hermes.

Umstellung auf zentrale Versorgung

In den meisten Fällen ist eine Umstellung des Ge­bäudes auf zentrale Versorgung empfehlenswert. Um die Infrastruktur dafür zu schaffen, werden in den Schornsteinschächten jeder Wohnung Steigleitungen installiert. „Die Wohnungen werden zur Baustelle, was Bewohner belastet und mit höheren Kosten einhergeht. Trotzdem ist es in den meisten Fällen die beste Lösung,“ so Stefan Buhl, geschäftsführender Gesellschafter der Krasemann Immobiliengruppe. Das Unternehmen hat solche Projekte bereits mehrfach begleitet. Eine zentrale Wärmeversorgung im Gebäude sei immer wirtschaftlicher und kosteneffizienter in der Wartung als dezentrale Anlagen. Entscheidet sich eine Wohnungseigentümer-gemeinschaft für den Umbau zur zentralen Versorgung, gibt es folgende Szenarien:

Szenario 1: Anschluss an Fernwärme

Fernwärme soll in den kommenden Jahren stark aus­gebaut werden. Derzeit heizen lediglich 14 Prozent der deutschen Haushalte mit ihr. Sie ist vor allem für Mehrfamilienhäuser im urbanen Raum die interessanteste Option, wenn für das Gebiet ein Anschluss besteht oder geplant ist und wenn Gebäude eine hohe Heizlast auf­weisen. Die Errichtung eines Fernwärmenetzes ist teuer und auch für Verbraucher nur dann wirtschaftlich, wenn es viele Abnehmer gibt. Die versorgten Haushalte sollten nicht weiter als 20 Kilometer vom Kraftwerk entfernt sein, da sonst zu viel Wärme in den Transportleitungen verloren geht.

Neben der Infrastruktur für eine zentrale Wärmeversorgung muss für die Anbindung im Gebäude eine Übergabestation errichtet werden. Sie regelt die Durchflussmenge des Wassers und misst, wieviel Wärme verbraucht wird. Das im Heizkreislauf abgekühlte Wasser fließt zum Kraftwerk zurück. In Mehrparteienhäusern, in denen vorher dezentral geheizt wurde, muss dafür Platz geschaffen werden, etwa im Keller (falls vorhanden) oder auf dem Dachboden. Der Platzbedarf für die Station kann exemplarisch für Gebäude mit einer Abnahme von 1.100 Kilowatt (kW) wie folgt angegeben werden: drei Meter Raumbreite, ein Meter Raumtiefe.

Der Umstieg auf Fernwärme ist meist günstiger als die Anschaffung einer zentralen Wärmepumpe. Eigentümer eines Gebäudes mit zwölf Wohneinheiten können hier mit Gesamtkosten von ungefähr 15.000 Euro rechnen – ohne die Kosten für den Umbau auf zentrale Versorgung. Der Anschluss an ein Fernwärmenetz wird gefördert, vereinzelt auch zusätzlich durch die Kommunen. Manche Fern-wärmeanbieter übernehmen die Kosten für den Anschluss ganz oder in Teilen. Wer Fernwärme bezieht, macht sich jedoch auch von einem Anbieter abhängig, ohne wechseln zu können. Auch nicht zu vernachlässigen sind die Folge­kosten für die Wärmelieferung und die CO2-Bepreisung. Da viele Nahwärmenetze noch mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, werden Letztere bis 2040 deutlich steigen.

Szenario 2: Umstieg auf Wärmepumpe

Prinzipiell kann ein Mehrfamilienhaus auf die Ver­sorgung mit einer Wärmepumpe umgestellt werden. Es gilt jedoch, bei der Planung einiges zu beachten. Der Platzbedarf für die Wärmepumpenversorgung eines Mehrfamilienhauses ist deutlich größer als bei Fernwärme. Die Wärmepumpe sollte mit einem Pufferspeicher versehen werden, der dem Gebäude ent­sprechend dimensioniert ist. Das erhöht den Platzbedarf zusätzlich. Der Pufferspeicher fungiert als eine Art Wärmedepot für das Heizwasser. Je mehr Wohnungen beheizt werden müssen, desto größer ist der Speicher. Er spielt auch eine Rolle, wenn für das Gebäude der sogenannte Wärmepumpentarif (günstigerer Strom für die Wärmepumpe, der einen eigenen Zähler erfordert) in Anspruch genommen werden soll. Bei diesem Tarif schaltet der Netz­betreiber das Gerät aus der Ferne – meist zweimal täglich für eineinhalb Stunden – ab, was einige Hersteller als den Geräten nicht zuträglich be­schreiben. Ist der Pufferspeicher zu klein, würde das Haus auskühlen.

Eine Herausforderung: In Gebäuden mit Gasetagen­heizungen ist zumeist kein Raum für eine Heizungsanlage vorgesehen. Dieser muss dann erst geschaffen werden. „Manchmal eignet sich der Dachboden für das Innengerät und den Pufferspeicher,“ erklärt Stefan Buhl von der Krasemann Immobiliengruppe. Die Platzfrage stellt sich auch beim Außengerät. Wenn das Gebäude nicht über ausreichende Außenflächen verfügt, kann das zum Problem werden. Für eine Erdwärmepumpe würde darüber hinaus eine genehmigungspflichtige tiefe Erdbohrung nötig.

Voraussetzungen für eine Wärmepumpe

Eine Wärmepumpe arbeitet meist dann effizient, wenn das Gebäude gut gedämmt ist und geringe Vorlauftem­peraturen für die Beheizung des Gebäudes ausreichen. Je höher die Vorlauftemperatur, desto ineffizienter arbeitet das Gerät. „Bei 35 °C Vorlauf fühlt sich die Wärmepumpe am wohlsten. Bei Temperaturen über 55 °C ist der Betrieb meist nicht mehr wirtschaftlich,“ so Thomas Rolf Hermes. Die Geräte sind mit einem Heiz­stab ausgestattet, der einspringt, wenn der Heizbedarf nicht mehr von der Anlage gedeckt werden kann, was bei Minusgraden oft der Fall ist. Je öfter der Heizstab zum Einsatz kommt, desto unwirtschaftlicher ist die Anlage im Betrieb.

Ist eine Fußbodenheizung nötig?

Wärmepumpen können auch mit herkömmlichen Plat-tenstrahlheizkörpern betrieben werden. Es ist ein weit verbreiteter Mythos, dass sie nur mit Fußboden- bzw. Flächenheizung, wozu auch Wand- und Decken­heizungen zählen, betrieben werden können. Richtig ist, dass eine Flächenheizung optimal ist, weil sie nur geringe Vorlauftemperaturen (35 °C) braucht. Wenn das Gebäude gut gedämmt ist, können aber auch herkömmliche Plattenstrahlheizkörper ausreichen, wenn sie auch etwas weniger effizient sind. Darüber hinaus gibt es sogenannte Niedertemperaturheizkörper, die ebenfalls mit geringen Vorlauftemperaturen aus­kommen, da sie die Luft im Raum mittels sogenannter Aktivatoren verwirbeln. Die Wärmeabgabe wird hier durch Konvektion erhöht.

Zu beachten ist auch, dass sich das Heizverhalten mit dem Einsatz einer Wärmepumpe ändern muss: „Die Wärme­bereitstellung ist bei Gasheizung sofort gegeben, mit Wärmepumpe dauert das, “ so Hermes. Die Heizung nachts auszuschalten, um sie am Morgen wieder hochzudrehen, sorgt für kalte Räume und höhere Betriebskosten. Für den optimalen Betrieb muss eine Wärmepumpe dauerhaft laufen, nicht im Stop-and-go-Betrieb. Das erhöht die Effizienz und senkt den Verschleiß.

Eigentümer eines Gebäudes mit zwölf Wohneinheiten müssen bei Installation einer Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Gesamtkosten ab ca. 40.000 Euro rechnen, bei Erd-wärmepumpen mit deutlich mehr, die Kosten für den Umbau auf zentrale Versorgung nicht eingerechnet.

Szenario 3: die Gashybridheizung

Eine Gashybridheizung kombiniert die Wärmepumpe z. B. mit einer Gasbrennwertheizung. Die Idee dahinter: Die Gasheizung ergänzt an besonders kalten Tagen die Wärmepumpe oder springt ein, wenn die Wärmepumpe wegen benötigter hoher Vorlauftemperaturen nicht mehr effizient arbeiten kann. Da hiermit gleich zwei Heizungs­anlagen betrieben werden, steigt nicht nur der Platzbedarf im Gebäude, auch die Wartungskosten fallen höher aus.

Infrage kommt die Installation einer solchen Heizung in Gebäuden, die nur schlecht bis mäßig isoliert sind und eine Heizlast ab 150 kWh/qm a aufweisen. Der Umbau auf ein Flächenheizsystem ist hierfür nicht notwendig. Es ist allerdings die Option mit den meisten Unwägbarkeiten. „Kurz- und mittelfristig kann eine Hybridanlage sicher helfen. Aber der Anteil fossiler Energien muss spätestens 2045 gänzlich durch regenerative Energien ersetzt werden. Ob es bis dahin grünen Wasserstoff in ausreichender Menge und bezahlbar gibt, wird sich zeigen,“ sagt Thomas Rolf Hermes. Wasserstoff spielt nach derzeitigem Stand der Wissenschaft in absehbarer Zukunft keine Rolle für die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes.

Szenario 4: die Pelletheizung

Prinzipiell lassen sich Mehrfamilienhäuser auch auf Pellet-heizung umstellen. Dafür werden ungenutzte Resthölzer aus der Holzindustrie verbrannt. Es gibt Pelletöfen für Räume und wasserführende Pelletöfen, die einen Heiz­kreislauf bedienen. Diese Heizungsart ist für den Bedarf hoher Vorlauftemperaturen geeignet, etwa im unsanierten Altbau. Auch hierfür braucht man allerdings Platz: Bei einer zentralen Pelletheizung muss der Ofen entsprechend groß dimensioniert sein. Pelletheizungen sind förderfähig. Nach dem neuen GEG gelten sie als Option zur Erfüllung der Anforderung, zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien zu heizen. Für ein Zwölfparteienhaus ist hier mit Gesamt­kosten ab ca. 28.900 Euro zu rechnen.

Da Pelletheizungen derzeit als sehr wartungsintensiv gelten, sind sie in Mehrfamilienhäusern jedoch eher selten. „Pelletheizungen haben sich in der Wohnungswirtschaft nicht durchgesetzt, da sie zu anfällig und teuer im Unter­halt sind. Für private Einfamilienhausbesitzer können sie eine Alternative sein, für Mehrfamilienhäuser würde ich sie nicht empfehlen,“ so Thomas Rolf Hermes.

Typologie der Wärmepumpen

Wärmepumpen erschließen und nutzen die in der Umwelt unbegrenzt vorhandenen und frei zugänglichen Wärmequellen. Diese Wärmeenergie überträgt die Wärmepumpe auf ein Transportmedium, das sie über Heizkörper oder Flächenheizungen an den Wohnraum abgibt. Es gibt verschiedene Arten von Wärmepumpen. Bei der Entscheidung für ein Gerät spielt immer der energetische Zustand des Gebäudes eine Rolle.

  • Luft/Luft-Wärmepumpe

Energiequelle ist die Temperatur der Luft, die warm in zu beheizende Räume gepustet wird, anstatt die Energie auf Heizwasser zu übertragen. Luft/Luft-Wärmepumpen eignen sich – häufig in Verbindung mit Wärmerückgewinnung – für Passivhäuser. Sie kommen eher in Ländern mit höherer Durchschnittstemperatur und geringem Heizbedarf zum Einsatz. Im Altbau sind sie aktu­ell nur sehr selten, da sie eine umfassende Sanie­rung mit hohem Aufwand erfordern würden. Der Heizbedarf müsste massiv gesenkt werden.

  • Luft/Wasser-Wärmepumpe

Genutzt wird die Energie aus der Umgebungs­luft, die auf das Heizwasser übertragen wird. Diese Wärmepumpenart kommt in Bestandsge­bäuden eher zum Einsatz. Sie muss der Heizlast des Gebäudes entsprechend richtig geplant und dimensioniert sein. Das Verhältnis von eingesetz­ter elektrischer zu gewonnener Heizenergie wird mit der Jahresarbeitszahl (JAZ) beziffert. Je höher die JAZ, desto effizienter das Gerät. Geräte ab JAZ 3,5 gelten als förderfähig.

  • Wasser/Sole-Wärmepumpe

Zu unterscheiden ist hier zwischen Wasser/Was-ser-Wärmepumpen, die das Grundwasser als Energiequelle nutzen, und Sole/Wasser-Wärme-pumpen, die Erdwärme, Abwasser, Eisspeicher, Solarthermie oder Kollektoren als Energiequel­len nutzen. Für diese Technologien sind in der Regel Genehmigungen notwendig. Wasser/Sole-Wärmepumpen sind die effizientesten, aber in der Anschaffung am teuersten. Laut einer Stu­die des Fraunhofer-Instituts (2018/2019) errei­chen Erdwärmepumpen in 15 bis 150 Jahre alten Bestandsgebäuden im Schnitt JAZ 4,1, Luft/Was-ser-Wärmepumpen im Vergleich JAZ 3,1.

Christina, Bicking

Referentin Presse- und
Öffentlichkeitsarbeit
VDIV Deutschland