02.05.2019 Ausgabe: 3/19

Wann obliegt die Kostentragungslast für die Instandsetzung von Gemeinschaftseigentum nicht der Gemeinschaft?

Das Wohnungseigentumsrecht lässt Wohnungseigentümern weitgehend freie Hand, wie sie ihr Verhältnis untereinander regeln wollen. Der BGH hatte vorliegend über einen Fall zu entscheiden, der die Frage aufwarf, inwieweit ein Wohnungseigentümer, dem in der Teilungserklärung die Kostentragungslast für Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen von allgemein definiertem Sondereigentum auferlegt wurde, auch für die Instandhaltung bzw. Instandsetzung von mit dem Sondereigentum verbundenem Gemeinschaftseigentum aufkommen muss.

DER FALL

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Wohnungseigentum des Klägers besteht aus einem Miteigentums­anteil, verbunden mit Sondereigentum an einer Wohnung im Dachgeschoss eines der beiden Häuser der Wohnanlage. Zu dem Sondereigentum gehören unter anderem zwei Dachterrassen. In der Teilungserklärung regelten die Parteien u. a. in § 2 Abs. 1 lit. b): „Gegenstand des Sondereigentums sind die […] innerhalb und außerhalb dieser Räume befindlichen Einrichtungen und Anlagen, soweit sie nicht dem gemeinschaftlichen Gebrauch, sondern nur einem Sondereigentum zu dienen bestimmt sind.“
Weiter heißt es in § 6 Abs. 1 lit. a) – lit. b): „Jeder Wohnungseigentümer hat sein Sondereigentum auf seine Kosten instand zu halten und instand zu setzen. Einrichtungen, Anlagen und Gebäudeteile, die nach der Beschaffenheit oder dem Zweck des Bauwerks oder gemäß dieser Teilungserklärung zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Wohnungseigentümer bestimmt sind (z. B. Balkon, Loggia) sind von ihm auf seine Kosten instand zu halten und instand zu setzen.“
Nachdem an der Dachterrasse, die an der Vorderseite der klägerischen Wohnung gelegen ist, Schäden am Gemeinschaftseigentum aufgetreten waren, beschlossen die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung im Dezember 2014 die Sanierung der Terrasse des Klägers gemäß dem vorliegenden Angebot einer Fachfirma. Durch einen weiteren Beschluss zu TOP 3 erlegten sie dem Kläger die Kostentragungslast als Sondereigentümer auf.
Mit der Begründung, die Dachterrasse diene nicht seinem ausschließlichen Gebrauch, da sie gleichzeitig das Dach der darunterliegenden Wohnung sei, hat der Kläger den Beschluss angefochten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht hingegen den Beschluss für ungültig erklärt. Die beklagten übrigen Wohnungseigentümer wenden sich hiergegen nun mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
Der BGH hob das landgerichtliche Urteil auf und wies die Berufung zurück, mit folgender Begründung dieser Entscheidung: Nach der gesetzlichen Regelung der Kostenverteilung in § 16 Abs. 2 WEG hätte sich der Kläger zwar an den Kosten der beschlossenen Sanierung der im Gemeinschaftseigentum stehenden konstruktiven Teile der Dachterrasse nur entsprechend seinem Miteigentumsanteil zu beteiligen. Aufgrund der Teilungserklärung jedoch obliegt ihm die Kostentragungslast abweichend von § 16 Abs. 2 WEG allein. Eine solche Abweichung ist nach § 10 Abs. 2 S. 2 WEG zulässig.
Eine Auslegung der Teilungserklärung lässt entgegen der klägerischen Ansicht keinen anderen Schluss zu: Bei der gebotenen objektiven Auslegung kommt es maßgeblich darauf an, wie die Teilungserklärung nach Wortlaut und Sinn für einen unbefangenen Betrachter nächstliegend zu verstehen ist. § 6 Abs. 1 lit. b) der Teilungserklärung ist nach diesen Grundsätzen dahingehend auszulegen, dass auch die einzelnen Wohnungen zugeordneten Terrassen im Dach der Anlage erfasst werden und dass sie die Instandsetzung sowohl der im Sonder- als auch der im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile solcher Terrassen betrifft.
Die Auslegung der Formulierung „ausschließlicher Gebrauch“ erfolgt dahingehend, wie es dem Sinn und der Funktion der Vorschrift, in der er verwendet wird, entspricht. Somit kommt es auch diesbezüglich auf die Auslegung von § 6 Abs. 1 lit. b) der Teilungserklärung an. Der Sinn einer solchen Regelung in der Teilungserklärung liegt beispielsweise bei Balkonen darin, dass die übrigen – von der Nutzung der Balkone ausgeschlossenen – Wohnungseigentümer von etwaigen Pflichten sowie der entsprechenden Kostentragungslasten befreit sein sollen, da es sich dabei um eine Sonderausstattung der betreffenden Wohnung handelt und die damit verbundenen Lasten bei einer Bauweise ohne Balkone nicht angefallen wären. Dasselbe gilt für Dachterrassen: Auch diese sind Sonderausstattungen der entsprechenden Wohnungen. Sie sollen dem Sondereigentümer die Möglichkeit bieten, im Freien zu sitzen, ohne das Gebäude verlassen zu müssen. Für die Frage nach dem ausschließlichen Gebrauch einer solchen Dachterrasse kommt es daher einzig darauf an, wer Zugang zu ihr hat. Dies ist hier allein der Kläger. Die Tatsache, dass es sich beim Boden der Terrasse gleichzeitig um das Dach der darunterliegenden Wohnung handelt, findet keine Beachtung, da selbst ohne Dachterrasse ein Dach der unterliegenden Wohnung existieren würde und es sich daher nicht um eine spezielle Sonderausstattung handelt.
§ 6 Abs. 1 lit. b) der Teilungserklärung ist folglich so zu verstehen, dass der Sonder­eigentümer nicht nur für die Kosten der Sanierung der in seinem Sondereigentum stehenden Teile der Terrasse aufkommen muss, sondern auch für die Kosten der Sanierung der im Gemeinschaftseigentum stehenden Teile.

Verwalter­strategie

Der BGH hat in dieser Entscheidung wiederholt verdeutlicht (zuletzt in seiner Entscheidung vom 16.11.2012, Az. V ZR 9/12 in Hinblick auf Balkone), dass eine Kostenverteilungsregelung in Teilungserklärungen, die den Sondereigentümern die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung von Dachterrassen auferlegt, mangels abweichender Anhaltspunkte umfassend zu verstehen ist. Die betroffenen Sondereigentümer haben nicht nur die im Sondereigentum stehenden Teile von Dachterrassen zu tragen, sondern alle Kosten, auch soweit sie die Instandsetzung und Instandhaltung der in gemeinschaftlichem Eigentum stehenden Teile betreffen. Hierüber gilt es die Wohnungseigentümer im Rahmen der entsprechenden Beschlussfassungen aufzuklären, da die entsprechenden Maßnahmen ein nicht zu verachtendes Kostenrisiko für den einzelnen Wohnungseigentümer bergen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.