23.07.2020 Ausgabe: 4/20

Wann und wo? Zeit und Ort spielen in diesen Zeiten eine besondere Rolle bei der Planung von Eigentümerversammlungen.

In Zeiten der Corona-Pandemie beschäftigen sich Verwalter, Beiräte und Eigentümer mit der Frage, wann und wo können wieder Eigentümerversammlungen stattfinden? Die Frage ist nicht ganz neu, aktuell – und damit ist der Sachstand Ende April gemeint – jedoch unter neuen Gesichtspunkten zu betrachten. Versammlungsorte und die etwaige „Unzeit“ haben die Gerichte auch früher schon beschäftigt.

Bei der Wahl des Versammlungsortes haben Verwalter einen Ermessensspielraum. Als pflichtwidrig wird die Ausübung dieses Ermessens angesehen, wenn die Versammlung bewusst an einen Ort gelegt wird, den ein Mitglied der Gemeinschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann. Paradebeispiel hierfür war in der Vergangenheit ein Versammlungsort im 4. OG eines Gebäudes ohne Aufzug – unerreichbar für einen gehbehinderten Eigentümer.

Auch für die Wahl der Versammlungszeit gilt eine gewisse Entscheidungsfreiheit, wobei die Belange aller Eigentümer gegeneinander abzuwägen sind. Verkehrsüblich und zumutbar muss der Zeitpunkt sein – woraus sich für Verwalter die Unzeit ergibt, nämlich werktags ab 18:00 bis 19:00 Uhr. Auch die Schulferien sind als Zeitpunkt für Eigentümerversammlungen nur ausnahmsweise zulässig und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung nur dann entsprechend, wenn mit ausreichender Frist eingeladen wird – die gesetzlich vorgegebenen zwei Wochen werden hier als zu kurzfristig angesehen.

Was gilt bei Krankheiten?
An Rechtsprechungen zu Eigentümerversammlungen und Krankheiten fehlt es bislang. Infektionen mit dem Coronavirus sind nach § 6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtig. Dort sind auch andere Krankheiten wie Pest, Cholera oder Milzbrand ausgeführt. Da wir bisher mit solchen Fällen nicht konfrontiert waren, haben wir es mit einer außergewöhnlichen Situation zu tun.

Als Verwalter steckt man nun in dem Dilemma, zur Durchführung der Eigentümerversammlung – sofern die Rahmenbedingungen es zulassen – verpflichtet zu sein, gegenüber Mitarbeitern aber auch einer arbeitsrechtlichen Schutzpflicht nachkommen zu müssen. Hinzu kommt noch die Berücksichtigung der Kundenwünsche.

Eigentümerversammlungen, zu denen schon vor langer Zeit eingeladen wurde, wird man aktuell wohl sicherlich absagen. Zur Absage ist derjenige berechtigt, der zur Versammlung eingeladen hat – der Verwalter. Im Zuge der Absage kann man die Versammlung natürlich auch verlegen. Aber auf welchen Termin und wohin? Wann Versammlungen wieder stattfinden dürfen, ist derzeit noch ungewiss. Ein neuer Versammlungsraum müsste auch wieder ortsnah, aber vielleicht größer sein, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Das derzeit geltende Versammlungsverbot macht die Sache einfach: keine Eigentümerversammlung, keine Belegprüfungen durch die Beiräte. Die Definition von „Unzeit“ ist daher um folgende Beispiele zu ergänzen:+

  • Personenansammlungen in entsprechender Konstellation sind durch den Gesetzgeber verboten, z. B. wenn die Versammlung unter die Schutzmaßnahmen des § 28 Abs. 1 S. 2 IfSG fällt, die für Schutzmaßnahmen zuständigen Behörden eine Durchführung nicht empfehlen (§§ 28, 54 IfSG) oder sofern das Robert Koch-Institut empfiehlt, jegliche Sozialkontakte zu vermeiden.
  • Es wurde der Katastrophenfall für die Stadt, den Kreis, das Bundesland ausgerufen, wie in Bayern.
  • Es bestehen Einreiseverbote (innerhalb der BRD), wie es in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern war, die eine Teilnahme unmöglich machen.
  • Es bestehen Einreiseverbote in die BRD, die ausländischen Eigentümern die Teilnahme unmöglich machen.

Im Rahmen des Ermessensspielraums müssen Verwalter auch folgende Aspekte abwägen:

  • Liegt der Versammlungsort in einem Risikogebiet mit höheren Infektionszahlen?
  • Kommen die Versammlungsteilnehmer aus Gebieten mit höheren Infektionszahlen?
  • Welche Alters-/Risikogruppen sind in der WEG vorhanden?

Wohnen alle Eigentümer im räumlichen Umfeld der gemeinschaftlichen Immobilie, besteht für die Gegend keine nennenswerte Ansteckungsgefahr mehr,  und haben öffentliche Einrichtungen und Schulen den Regelbetrieb wieder aufgenommen, dürfte auch weniger gegen die Durchführung einer Eigentümerversammlung sprechen.

Die Frage nach Termin und Treffpunkt stellt sich dann immer noch. Zudem aber auch die, ob überhaupt alle in diesem Jahr vorgesehenen Eigentümerversammlungen noch 2020 stattfinden können – und mit welchen Hygienemaßnahmen? Wann welche Gaststätten und Versammlungsorte wie wieder öffnen werden, ist derzeit nicht absehbar. Orientierung bieten zumindest die derzeit im öffentlichen Raum geltenden Hygienevorschriften: Mundschutz, Abstand und Desinfektion. Dies räumlich zu gewährleisten, wird sich als organisatorische Herausforderung erweisen. Der Besprechungsraum im Verwalterbüro dürfte wohl meist zu klein sein, um den folgenden Anforderungen gerecht zu werden:

  • Gewährleistung des Mindestabstands von 1,5 m
  • Information aller Anwesenden über Schutz- und Hygienemaßnahmen und deren Einhaltung (Aushang, Flyer, Piktogramme etc.)
  • Ggf. Installation transparenter Abtrennungen zwischen den Teilnehmern
  • Umsetzung der Maskenpflicht für Kunden: eigener Mund-Nasen-Schutz (Schal, Tuch, Community- bzw. Alltagsmaske) oder Bereitstellung durch den Verwalter
  • Regelmäßige Belüftung/Reinigung der Versammlungsräume
  • Regelmäßige Reinigung aller häufig berührten Flächen (Türklinken, -griffe, Handläufe, Tastaturen, Touchscreens, Armaturen etc.) in kurzen Abständen

Es ist wohl davon auszugehen, dass viele Eigentümergemeinschaften dieses Jahr ohne die jährliche Versammlung auskommen müssen und Präsenzveranstaltungen nur dann stattfinden, wenn wichtige Entscheidungen zu treffen sind.

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma?
Abzuwarten, ob die anstehende WEG-Reform das Problem lösen wird, ist wenig hilfreich. Der Gesetzentwurf zum Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEG-E) sieht in § 23 Abs. 1 S. 2 eine Änderung dahingehend vor, dass Wohnungseigentümer beschließen können, „an der Versammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben [zu] können“. Dies aber erfordert erst einmal einen Beschluss, und der ist derzeit ohne Versammlung nicht zu fassen. Es wäre wünschenswert, dass der Gesetzgeber die aktuelle Situation zum Anlass nimmt, um durch Nachbesserung im Entwurf die Vo­raussetzungen für eine richtige Online-Eigentümerversammlung zu schaffen. Technisch lässt sich dies heute gut realisieren, und die Corona-Pandemie wird die Digitalisierung im Verwalterbüro und in der Gesellschaft deutlich vorangetrieben haben.

Umlaufbeschlüsse und Vollmachten
Hilft die Beschlussfassung im schriftlichen Umlaufverfahren? In § 23 Abs. 3 WEG ist geregelt, dass der schriftliche Umlaufbeschluss die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erfordert. Er hat daher kaum Praxisrelevanz, denn außer in sehr kleinen Eigentümergemeinschaften werden nur äußerst selten alle Eigentümer einer Beschlussvorlage zustimmen. Ein Mehrheitsbeschluss ist nicht möglich! Auch die anstehende WEG-Reform löst dieses Problem leider nicht.
Führt der Weg über Vollmachten? Je nachdem, wie sich die Pandemie weiterentwickelt, werden in absehbarer Zeit vielleicht Ansammlungen mit einer begrenzten Zahl von Personen wieder möglich. Dann könnten wenige vor Ort wohnende Eigentümer an der Versammlung teilnehmen und von den fernbleibenden ggf. mit Weisung bevollmächtigt werden.

Und was, wenn alle Eigentümer bevollmachten? Die reine Vollmachtsversammlung könnte sich als Lösung anbieten: Zur Eigentümerversammlung lädt der Verwalter mit dem Hinweis ein, dass eine persönliche Teilnahme der Eigentümer wegen des aktuell geltenden Versammlungsverbots nicht möglich ist und sie daher alle eine Vollmacht, ggf. mit Weisungen, erteilen sollen.

Hier zeigt sich allerdings die gleiche Problematik wie beim Umlaufverfahren oder bei Versammlungen mit vielen Vollmachten: Da weder Meinungsaustausch noch Meinungsbildung stattfinden, kontroverse Standpunkte nicht diskutiert und Beschlussvorlagen nicht geändert werden können, wird sich die Frage stellen, ob dies nicht die Rechte der Eigentümer beschneidet. Und was aber, wenn doch ein Eigentümer persönlich erscheint und teilnehmen will? In diesem Fall wird die Meinung vertreten, dass die Versammlung abgesetzt bzw. nicht eröffnet werden darf.

Hier ist Pragmatik gefragt: Wie haben wir solche Probleme bisher gelöst? Wenn eine Eigentümerversammlung nicht beschlussfähig, eine Zweitversammlung für die Anwesenden aber keine Option ist, dann spielen wir sie mit ihnen durch und erörtern die Tagesordnung. Hiernach erteilen die anwesenden Eigentümer eine Vollmacht, ggf. mit Weisungen, und die Zweitversammlung wird mit den Vollmachten und eventuell anwesenden Eigentümern durchgeführt. Dieses Vorgehen eignet sich auch in der aktuellen Situation.

Mit der Einladung zur reinen Vollmachtsversammlung erhalten Eigentümer ausreichend Informationsmaterial zur Tagesordnung, vielleicht sogar schon den Entwurf des Protokolls. Sie können sich auf die anstehenden Themen vorbereiten, und eine solche Versammlung kann auch während der Geschäftszeiten des Verwalters stattfinden, weil andere Personen ja nicht teilnehmen dürfen. Ein paar Tage vor der Eigentümerversammlung findet eine Online-Vorversammlung statt, zu der der Verwalter ein Einladungsschreiben verschickt. In der Vorversammlung werden die Tagesordnungspunkte besprochen und erläutert. Wichtig ist, dass Eigentümer die Möglichkeit erhalten, sich einzubringen und mitzugestalten, denn die Eigentümerversammlung ist das Willensbildungsorgan der Eigentümer. Die damit verbundenen Rechte dürfen Eigentümern nicht genommen werden. Zur Wahrung der Eigentümerinteressen sollte die Vorversammlung etwa fünf Tage vor der Vollmachtsversammlung stattfinden. So bleibt genügend Zeit, um die Vollmachten mit oder ohne Weisungen an die Verwaltung zu übermitteln. Der Verwalter führt dann eine Vollmachtsversammlung durch.


Die Wahl des passenden Mediums
Es gibt heute zahlreiche Möglichkeiten, eine solche Online-Vorversammlung abzuhalten. Hier ein paar Beispiele: Skype ist weit verbreitet. Obwohl Anbieter Microsoft mit „Teams“ selbst eine kostenpflichtige Konkurrenz-Software für Geschäftskunden anbietet, erhält Skype laufend neue Funktionen. In Windows 10 ist die App vorin-stalliert, auch auf anderen Plattformen und im Browser läuft Skype reibungslos. Videokonferenzen lassen sich ohne Download und Registrierung starten, was Skype auch großelterntauglich macht. Wer mit der leicht angestaubten Optik leben kann, macht mit diesem gut gealterten Klassiker nichts falsch. Maximale Gruppengröße in der Gratisversion: 50 Personen.

Das Unternehmen Zoom Video Communications konzentriert sich darauf, die bestmögliche Software für Videokonferenzen zu entwickeln. Auf den ersten Blick scheint das zu funktionieren: Bis zu 100 Teilnehmer können digitale Whiteboards nutzen, Bildschirme freigeben oder mit virtuellen Hintergründen das unaufgeräumte Zimmer verstecken. Offiziell sind Gruppenanrufe über die kostenlose Version auf 40 Minuten limitiert, zurzeit ist die Begrenzung aber ausgesetzt. Wie auch bei Facetime war hier von Sicherheitslücken und Zweifeln am Datenschutz die Rede. Aus einer von der auf Datenschutz bedachten Mozilla-Stiftung jüngst vorgelegten Sicherheitsanalyse geht aber hervor, dass mittlerweile nachgebessert wurde. Maximale Gruppengröße in der Gratisversion: 100 Personen.

Mit Microsoft Teams oder Circuit gibt es weitere geeignete Programme. Man muss sie ausprobieren, um das richtige fürs eigene Unternehmen zu finden. Viel Erfolg!

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Haase, Steffen

Chefredakteur VDIVaktuell
Geschäftsführer der Immobilienverwaltung Haase & Partner GmbH; Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der Immobilienverwalter Bayern e.V.; Vizepräsident des Dachverbandes Deutscher Immobilienverwalter e.V.; Er ist Herausgeber verschiedener Bücher und Fachpublikationen.