20.04.2020 Ausgabe: 2/20

Was muss, was nicht? Wie man mit Anträgen zur ­Tagesordnung von Eigentümer­versammlungen umzugehen hat.

Jeder Verwalter kennt das: Die Tagesordnung zur anstehenden Wohnungseigentümerversammlung steht. Der Job ist erledigt. Und genau in diesem Moment meldet Outlook diese E-Mail mit dem Betreff „Dringend, eilt!“, von dem für solche Attacken berühmt-berüchtigten Eigentümer: Anbei meine Anträge zur kommenden Versammlung mit der Aufforderung, die Tagesordnung zu ergänzen, heißt es darin, und im Anhang finden sich 27 Tagesordnungspunkte mit detaillierten Anmerkungen zu Erforderlichkeit, Dringlichkeit, Unabdingbarkeit.

Der Vorsatz für 2020, Eigentümerversammlungen grundsätzlich nicht länger als 30 Minuten dauern zu lassen, muss damit wohl früher als erwartet fallen gelassen werden. Was nun? Ablehnen, aufnehmen, anrufen oder sich auf eine voraussichtlich end- und fruchtlose Korrespondenz per E-Mail einlassen? Eine Möglichkeit. Die andere wäre, zu klären, welche Pflichten der Verwalter bei der Aufstellung der Tagesordnung hat. Der Blick ins Wohnungseigentumsgesetz (WEG) enttäuscht den geneigten Leser: § 23 Abs. 2 WEG regelt zur Gültigkeit eines Beschlusses nur, dass der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet werden muss. Es darf also nichts beschlossen werden, was nicht im Einberufungsschreiben angekündigt wurde. Eigentümer sollen vor überraschenden Beschlüssen geschützt werden. Nur in den seltenen Fällen der Anwesenheit aller Wohnungseigentümer kann mit dem Einverständnis aller über Angelegenheiten beschlossen werden, die nicht Gegenstand des Einberufungsschreibens waren. Zudem ist die Frist zu beachten. Sie soll, sofern kein Fall besonderer Dringlichkeit vorliegt, mindestens zwei Wochen betragen, heißt es in § 24 Abs. 4 WEG. Kein Wort über die Aufnahme von Tagesordnungspunkten.

Die Entscheidungsmacht des Verwalters
Grundsätzlich ist der zur Einberufung Ermächtigte befugt, die Tagesordnung aufzustellen. Dabei sind Inhalte relevant, die erforderlich und notwendig sind, mithin den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung genügen. Jahresabrechnung, Wirtschaftsplan, Entlastung sowie Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung gelten als Regelbeispiele.

Das Quorum, wenn viele es wollen
Der Verwalter ist gemäß § 24 Abs. 2 WEG zur Einberufung verpflichtet, wenn dies schriftlich unter Angabe des Zwecks und der Gründe von mehr als einem Viertel der Wohnungseigentümer beantragt wird. Aus der „Angabe des Zwecks“ folgt die Pflicht des Verwalters, die Tagesordnung entsprechend der Anträge aufzustellen.

Der Verwaltungsbeiratsvorsitzende, ­ausnahmsweise
Der Verwaltungsbeiratsvorsitzende kann in analoger Anwendung von § 24 III WEG die Tagesordnung dann gestalten, wenn der Verwalter sich pflichtwidrig weigert, einen Tagesordnungspunkt aufzunehmen. Die Weigerung des Verwalters ist pflichtwidrig, wenn eine ordnungsgemäße Verwaltung die Aufnahme erfordert (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.8.2008 – 20 W 426/05). Dies kann der Fall sein, wenn sich der Verwalter weigert, den Tagesordnungspunkt „Abberufung des Verwalters aus wichtigem Grund nebst außerordentliche Kündigung des Verwaltervertrages“ aufzunehmen.

Die Wohnungseigentümer, fast immer
Jeder Wohnungseigentümer hat auch ohne Vereinbarung unabhängig von § 24 II WEG unter dem Gesichtspunkt ordnungsgemäßer Verwaltung nach § 21 IV WEG das Recht, einen bestimmten Punkt auf die Tagesordnung setzen zu lassen (LG München I, Beschluss vom 30.8.2011 – 36 T 6199/11). Der Anspruch besteht aber nur, wenn die Behandlung dieser Punkte ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht (OLG Frankfurt am Main, s. o.). Ob dies zutrifft, ist eine Frage des Einzelfalls, die der Verwalter zu prüfen hat. Der Antrag auf Abberufung ist stets zulässig, da sich Gründe, die eine vorzeitige Beendigung des Bestellungsverhältnisses rechtfertigen, aus einem Zerwürfnis mit einem oder mehreren Eigentümern ergeben können. Der Antrag ist auch dann zulässig, wenn er innerhalb der gesetzlichen Einberufungsfrist gestellt wird, weil sich die Gründe für eine Abberufung erst kurz vor der Einberufung ergeben haben. Daneben sind verjährungshemmende Maßnahmen wie die Einleitung eines Beweisverfahrens oder die Einlegung von Rechtsmitteln stets Belange der ordnungsmäßigen Verwaltung.

Auf das Timing kommt es an
Häufig werden Wohnungseigentümer vom Einberufungsschreiben des Verwalters erst wachgerüttelt und stellen nach Zustellung des Schreibens nun eigene Anträge. Was nun? Betreffen die Anträge Belange, die als „ Fall der besonderen Dringlichkeit“ einzustufen sind, so muss der Verwalter die Tagesordnung ergänzen – stets verbunden mit dem Hinweis, dass der Antrag des Eigentümers erst nach dem Versand der Einladung eingereicht wurde und die Sache im Übrigen dringend ist. Ein Fall der besonderen Dringlichkeit liegt vor, wenn die Einhaltung der Zweiwochenfrist zu Nachteilen oder Rechtsverlusten führen würde. Im Übrigen ist der Verwalter berechtigt, verspätete Anträge zurückzuweisen, da ein solches Vorgehen zur Anfechtbarkeit von Beschlüssen führen kann (LG München I, Urteil vom 16.5.2011 – 1 S 5166/11). Zu unterscheiden, wann ein Beschluss ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, ist in der Praxis oft schwer. So rechtfertigt beispielsweise allein der Umstand, dass die Eigentümerversammlung den Antrag eines Miteigentümers in einer früheren Versammlung bereits abgelehnt hat, nicht aus, ihn nicht erneut zur Beschlussfassung auf die Tagesordnung zu setzen. Es liegt im Ermessen der Versammlung, eine bereits getroffene Antragssituation neu zu bescheiden.

Das Imperium schlägt zurück
Was kann der Verwalter nun tun, damit die 27 Tagesordnungspunkte seinen Traum von der 30-minütigen Versammlung nicht zerstören? Am besten, er delegiert die Lösung des Problems. Es empfiehlt sich, Geschäftsordnungsbeschlüsse zur Redezeitbegrenzung so zu fassen, dass bei Überschreitung der vereinbarten Redezeit nach Ankündigung das Wort entzogen werden kann. Gewarnt sei vor Regelungen, die die Redezeit generell und ohne Ausnahme begrenzen. Sie entsprechen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung (LG Frankfurt am Main, ZWE 2014, 408). Um den unmittelbaren Konflikt mit „Störern“ nicht noch zu schüren, ist es besser, einen solchen Geschäftsordnungsantrag von einem Miteigentümer  stellen „zu lassen“. Dann kann es tatsächlich heißen: Eröffnung der Versammlung um 18:00 Uhr, Ende der Versammlung um 18:30 Uhr – oder womöglich sogar während der üblichen Bürozeiten. Aber das ist eine neue Vision und vielleicht ein Thema für die guten Vorsätze im kommenden Jahr.

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Volpp, Stephan

Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Justiziar des VDIV Baden-Württemberg. Volpp ist Dozent bei der Akademie der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Baden-Württemberg und Mitglied des Prüfungsausschuss ­Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht bei der Rechtsanwaltskammer Stuttgart.