01.12.2015 Ausgabe: 8/2015

WEG-Gemeinschaft als Adressat einer verwaltungsrechtlichen Ordnungsverfügung

Was war passiert? In einer Wohnungseigentümergemeinschaft mit 65 Eigentumswohnungen wurde eine Kontamination mit Legionellen festgestellt. Das zuständige Ordnungsamt verpflichtete die Wohnungseigentümergemeinschaft (und nicht die 65 einzelnen Wohnungseigentümer!), einen Nachweis über die angebliche Einrichtung einer Probeentnahmestelle zu erbringen sowie eine Probeentnahme und Untersuchung an 24 Entnahmestellen in der WEG zu beauftragen. Weiter drohte das Ordnungsamt mit der Festsetzung von Zwangsgeld. Die WEG klagte hiergegen und stellte im Eilverfahren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage. Somit hatte das Verwaltungsgericht und sodann das Oberverwaltungsgericht in der Berufungsinstanz dieses Eilverfahrens zu prüfen, ob diese Verfügung rechtmäßig war. Die WEG argumentierte insbesondere, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht der richtige Adressat der Ordnungsverfügung und des angedrohten Zwangsgeldes sei, sondern dass sich diese gegen jeden einzelnen Wohnungseigentümer richten müsse.

Die Meinung des Gerichts: Das Oberverwaltungsgericht hat im Rahmen der summarischen Prüfung entschieden, dass die Verfügung rechtmäßig ist und die Wohnungseigentümergemeinschaft richtiger Adressat der Ordnungsverfügung und der Zwangsmaßnahmen war. Adressat von Verfügungen nach der Trinkwasserverordnung ist entweder der „Unternehmer“ oder der „sonstige Inhaber“ der Wasserversorgungsanlage. Diese Bezeichnung zeigt, dass es sowohl auf das Eigentum an der Anlage als auch auf die tatsächliche Sachherrschaft über die Anlage ankommt. Das Verwaltungsgericht prüft nun, in wessen Eigentum (Sonder- oder Gemeinschaftseigentum) die Wasserversorgungsanlage steht. Es hält fest, dass die Rohrleitungen, Armaturen und Apparate zwischen dem Übergang von Trinkwasser aus dem städtischen Leitungsnetz in das Netz der WEG und der Entnahmestelle in den einzelnen Wohnungen ganz überwiegend im gemeinschaftlichen Eigentum stehen. Die Abgrenzung zwischen Gemeinschaftseigentum und Sondereigentum ist die erste innerhalb des Sondereigentums liegende, zur Handhabung durch den Sondereigentümer vorgesehene, Absperrmöglichkeit. Der Großteil der Leitungen steht damit im Gemeinschaftseigentum. Damit ist nach Ansicht des OVG Münster jedenfalls auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als rechtsfähige Gemeinschaft nach § 10 Abs. 6 WEG „sonstiger Inhaber“ der Wasserversorgungsanlage. Gleichzeitig sind auch alle Miteigentümer aus ihrer Stellung als WEG-Mitglieder und Miteigentümer am Gemeinschaftseigentum „sonstiger Inhaber“ der Wasserversorgungsanlage. Damit haben die zuständigen Behörden die Wahl zwischen der Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem einzelnen Miteigentümer, die sie ermessensgerecht und nach den für die Gefahrenabwehr im konkreten Fall geltenden Maßstäben auszuüben haben.

Für die Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft als Ganzes spricht, dass ansonsten alle – hier bis zu 65, in größeren Gemeinschaften noch viel mehr – Eigentümer mit ihren gegebenenfalls abweichenden Wohnadressen aufzuführen wären und die Bescheide den einzelnen Eigentümern zugestellt werden müssten. Auch ist es rechtlich möglich, den Zugang zu den Wohnungen für die Probeentnahmen sicherzustellen, da die Wohnungseigentümer nach § 14 (4) WEG dazu verpflichtet sind, das Betreten ihrer Wohnungen zu gestatten und sich dieses Recht bei einer anderweitigen Nutzung ihrer Wohnung (zum Beispiel einer Vermietung) vertraglich entsprechend vorbehalten müssen. Über eine Kette aus Inanspruchnahme der einzelnen Wohnungseigentümer und sodann einzelner Mieter kann die Wohnungseigentümergemeinschaft das Betretungsrecht und die Probenentnahme tatsächlich durchsetzen. Die Entscheidung, nur die Wohnungseigentümergemeinschaft und nicht jeden einzelnen Wohnungseigentümer in Anspruch zu nehmen, ist daher ermessensgerecht.

Dokumentation: OVG Münster, Beschluss vom 25.5.2015, Az.: 13 B 152/15

Ratschlag für den Verwalter: Eine Ordnungsverfügung gegenüber der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft wird in aller Regel an den Verwalter, gegebenenfalls an den bestellten Zustellungsvertreter, gesandt. Da dies in aller Regel ermessensgerecht ist und keinerlei Anlass bietet, den Bescheid anzugreifen, muss der Verwalter schnellstmöglich entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die Ordnungsverfügung bei den einzelnen Wohnungseigentümern bzw. Nutzern durchzusetzen. Die Wohnungseigentümer müssen daher so rasch wie möglich informiert werden und entsprechend auf ihre Pflichten hingewiesen werden. Auch sollte darauf hingewiesen werden, dass die Wohnungseigentümer, die ihre Wohnung nicht selbst nutzen, ihre Mieter oder sonstige Nutzer entsprechend anhalten, das Betreten zu gestatten. Gegebenenfalls benötigt die Durchsetzung dieses Betretungsrechts zwischen einem einzelnen Wohnungseigentümer/Vermieter und dessen Mieter erhebliche Zeit. In diesem Fall muss der Verwalter als Vertreter der Wohnungseigentümergemeinschaft gegebenenfalls gegenüber der Behörde entsprechend tätig werden und angemessene Fristsetzungen erreichen.

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Schiesser, Dr. Susanne

DR. SUSANNE SCHIESSER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner in der Kanzlei „ Sibeth Partnerschaft Rechtsanwälte Steuerberater“.