24.10.2019 Ausgabe: 6/19

WEG-RECHT: Aktuelle Urteile - Wie verhält es sich mit dem Zahlungsanspruch für irrtümlich im Gemeinschaftseigentum ­ausgeführte Maßnahmen eines Eigentümers? Und wie weit reicht die Beschlusskompetenz der Eigentümer zur ­Änderung einer Teilungserklärung?

ZUR ERSTATTUNGSPFLICHT EIGENMÄCHTIGER INSTANDSETZUNGSMASSNAHMEN
(BGH, Urteil vom 14.6.2019, Az. V ZR 254/17)

DAS THEMA
Instandhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum werden grundsätzlich durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen und aus der Instandhaltungsrücklage bzw. per Sonderumlage nach geltendem Verteilerschlüssel finanziert. Die einzelnen Sondereigentümer sind ausschließlich für die Instandhaltung ihres jeweiligen Sondereigentums verantwortlich.
In vorliegendem Fall erneuerte der Kläger die Fenster seines Sondereigentums, ohne zu wissen, dass es sich bei Fenstern um das der gesamten Eigentümergemeinschaft obliegende Gemeinschaftseigentum handelt. Kann er nun seine Investition von den übrigen Eigentümern zurückverlangen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der BGH in vorliegender Entscheidung.

DER FALL

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Eigentümergemeinschaft. Die Wohnanlage besteht aus 212 Wohnungen. § 4 Abs. 1 der Teilungserklärung lautet auszugsweise: „Jeder Wohnungseigentümer ist zur ordnungsgemäßen Instandhaltung und Instandsetzung seiner Wohnung sowie der dem Sondereigentum zugeordneten Sondernutzungsbereiche [...], auch soweit sich diese im gemeinschaftlichen Eigentum befinden und unbeschadet eines eventuellen Mitbenutzungsrechts der anderen Wohnungseigentümer bzw. Bewohner verpflichtet. [...] Er hat hierfür die Kosten einschließlich etwaiger Betriebskosten zu tragen. Die Verpflichtung umfasst insbesondere: [...] b) die Fenster einschließlich der Rahmen, der Verglasung und der Beschläge, jedoch ausschließlich des Farbanstrichs der Außenseite der Fenster und Wohnungsabschlusstüren.“

2005 ließ der Kläger im Bereich seines Sondereigentums die einfach verglasten Holzfenster aus dem Jahr 1972 für 5.524,78 Euro durch Kunststofffenster mit Dreifachisolierglas ersetzen. Viele Wohnungseigentümer, die zuvor ihre Wohnungen ebenfalls mit modernen Kunststofffenstern ausgestattet hatten, gingen lange Zeit übereinstimmend davon aus, dass auch eine notwendige Erneuerung der Fenster Sache der jeweiligen Sondereigentümer sei.

Die vor dem Amtsgericht eingereichte Klage auf Wertersatz i. H. v. 5.500 Euro gegen die Eigentümergemeinschaft wurde abgewiesen; die Berufung blieb erfolglos. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte hingegen beantragte die Zurückweisung des Rechtsmittels. Auch die Revision blieb erfolglos. Der BGH bestätigte das Ergebnis des Berufungsgerichts, das einen Ersatzanspruch aus allgemeinen Vorschriften des BGB verneinte, und zwar mit folgender Begründung:
Die vollständige Erneuerung der Fenster im räumlichen Bereich des Sondereigentums des Klägers war gemeinschaftliche Aufgabe der Wohnungseigentümer. Die Fenster nebst Rahmen stehen gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend im Gemeinschaftseigentum (so der Senat in seinem Urteil vom 2.3.2012, Az. V ZR 274/11). Dies hat nach der gesetzlichen Kompetenzzuweisung zur Folge, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für ihren Austausch zuständig ist (vgl. § 21 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 2 WEG bzw. § 22 WEG) und die damit verbundenen Kosten zu tragen hat, § 16 Abs. 2 WEG. Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer zwar hiervon abweichen, sofern sie eine klare und eindeutige Regelung treffen. Im Zweifel bleibt es aber bei der gesetzlichen Zuständigkeit.

Die vorliegende Teilungserklärung enthält jedoch keine solche abweichende Vereinbarung. Der BGH bestätigt vielmehr, dass in diesem Fall der gesamte Austausch der Fenster gemeinschaftliche Aufgabe der Wohnungseigentümer gewesen wäre. Die Frage, ob der Kläger nun eine Erstattung der für den Fensteraustausch bezahlten Summe verlangen kann, verneint der BGH. Ein solcher Anspruch richtet sich nach den allgemeinen Ansprüchen des BGB, namentlich dem Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB) und aus Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 BGB). Diese Vorschriften können aber als Anspruchsgrundlage für den Zahlungsanspruch nicht herangezogen werden: Beide Ansprüche scheitern an der Tatsache, dass § 21 Abs. 4 WEG den Ansprüchen als speziellere Norm vorgeht und deren Anwendung ausschließt. Nach § 21 Abs. 4 WEG nämlich kann jeder Wohnungseigentümer eine Verwaltung verlangen, die den Vereinbarungen und Beschlüssen, zumindest aber dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht, mit anderen Worten: ordnungsgemäße Verwaltung. Zu dieser gehört gemäß § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG insbesondere die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Insoweit haben die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum; sie müssen das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Deshalb sind sie berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen und nicht zwingend erforderliche Maßnahmen ggf. zurückzustellen. Diese Grundsätze finden in den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag und des Bereicherungsrechts keinen Niederschlag.

Auch die fehlende Kenntnis, dass Fenster im Gemeinschaftseigentum stehen, und die damit einhergehende Kostentragungspflicht kann laut BGH nicht zu einem Kostenerstattungsanspruch führen. Dies ist allerdings in der Instanzenrechtsprechung und dem Schrifttum umstritten, und zwar mit dem Argument, dass dem Kläger sehr wohl ein Anspruch auf Kostenersatz entstanden wäre, wenn er die Fenster aufgrund eines nichtigen Beschlusses auf eigene Kosten ausgetauscht hätte. Dann hätte es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprochen, ihm die Kosten wegen berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) aus der Instandhaltungsrücklage per Beschluss zu erstatten.
Der Senat sieht dies jedoch anders: Ein Ausgleich nach den allgemeinen Vorschriften des BGB liefe den schutzwürdigen Interessen der anderen Wohnungseigentümer zuwider. Zwar müssen diese stets damit rechnen, dass es durch Mängel am Gemeinschaftseigentum zu unvorhersehbaren Ausgaben kommt, für die sie einzustehen haben. Sie müssen ihre private Finanzplanung aber nicht darauf einrichten, dass sie im Nachhinein für abgeschlossene Maßnahmen aus der Vergangenheit, auf die sie keinen Einfluss nehmen konnten, herangezogen werden. Zudem wird es tatsächlich häufig schwierig, irrtümliches Handeln von eigenmächtigem Vorgehen abzugrenzen. In der Regel wird kaum feststellbar sein, ob ein Wohnungseigentümer irrtümlich davon ausgegangen war, ein eigenes Geschäft zu führen.

VERWALTERSTRATEGIE
In Fällen, in denen ein Sondereigentümer Instandhaltungs- bzw. Instandsetzungsmaßnahmen am Gemeinschaftseigentum auf eigene Kosten durchgeführt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt, sollte der Verwalter gerade in Hinblick auf die bisher streitige Rechtslage auf dieses höchstrichterliche Urteil verweisen. Eine Erstattung aus dem Gemeinschaftsvermögen entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung. Dabei spielt es keine Rolle, ob der investierende Sondereigentümer wissentlich oder ­unwissentlich gehandelt hatte.

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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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