08.03.2023 Ausgabe: 2/23

WEG-Recht: Anspruch einzelner Wohnungseigentümer auf Abberufung des Verwalters nach neuem Recht

(BGH, Urteil vom 25.2.2022 – Az. V ZR 65/21)

Das Thema

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte erstmals seit Inkrafttreten des neuen Wohnungseigentumsrechts zum 1. Dezember 2020 die Gelegenheit, über Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem Anspruch der Wohnungseigentümer auf Abberufung des Verwalters vor dem Hintergrund des neuen Rechts zu entscheiden.

Der Fall

Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigen tümer (GdWE) in einer Mehrhausanlage. Nach anfänglichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Beschlüssen über die von der Verwalterin jeweils erstellten Jahresabrechnungen wurde der auf einer Versammlung der gesamten GdWE vom 28. November 2019 unter TOP 6.4 gestellte Antrag, die sofortige Abberufung der Verwalterin und die Kündigung des Verwaltervertrags aus wichtigem Grund zum 21. Dezember 2019 zu beschließen, abgelehnt. Die Kläger haben den Beschluss zu TOP 6.4 mit einer gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Klage angefochten und beantragt, den abgelehnten Beschluss durch eine im Ermessen des Gerichts zu stellende Entscheidung dahingehend zu ersetzen, dass die Abberufung des Verwalters und Kündigung des Verwaltervertrags erfolge.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger vor dem Landgericht ist erfolglos geblieben. Im Zuge der dagegen gerichteten Revision der Kläger hob der BGH die angefochtene Entscheidung auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück, weil die auf Beschlussersetzung gerichtete Klage nicht mit der gegebenen Begründung abgewiesen werden könne.

Nach Ansicht des BGH hat das Berufungsgericht einen Abberufungsanspruch der Kläger rechtsfehlerhaft verneint. Die Frage nach dem Bestehen eines Anspruchs der Kläger auf Abberufung der Verwalterin ist dabei laut Entscheidung des BGH nach dem neuen, seit 1. Dezember 2020 geltenden Recht zu beurteilen, weil nach den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen im Rahmen der Beschlussersetzung das im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltende Recht Beurteilungsgrundlage für die Prüfung ist, ob ein Anspruch auf die Beschlussfassung besteht.

Nach bisherigem Recht war ein Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters aus § 21 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) a. F. nicht schon dann anzunehmen, wenn ein wichtiger Grund im Sinne von § 26 Abs. 1 S. 3 und 4 WEG a. F. hierfür bestand. Die Rechtsprechung hat den Wohnungseigentümern vielmehr einen Beurteilungsspielraum eingeräumt und einen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters erst dann bejaht, wenn dieser Beurteilungsspielraum überschritten war. Das war dann anzunehmen, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erschien, was der Tatrichter in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen hatte.

Die Änderung des WEG führt zu keiner Änderung dieser Anspruchsvoraussetzungen. Auch nach dem seit 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht besteht ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Verändert hat sich die Rechtslage zwar insofern, als der Verwalter nach neuem Recht jederzeit abberufen werden kann und der mit ihm geschlossene Vertrag spätestens sechs Monate nach der Abberufung endet; entgegenstehende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam geworden (vgl. § 26 Abs. 5, Abs. 3 WEG). Auch richtet sich der Anspruch auf Abberufung des Verwalters infolge der veränderten Verwaltungszuständigkeit nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die GdWE (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG). In der Sache sind die Anspruchsvoraussetzungen aber unverändert geblieben und ein Anspruch auf Abberufung besteht nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Hierfür genügt es nach der Rechtsprechung des BGH, wenn in der Gesamtschau der Umstände allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Dies ist auch nach neuem Recht in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe durch den Tatrichter zu prüfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit dem Kriterium der Unvertretbarkeit zum einen die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektiert, andererseits aber auch der Minderheit Schutz geboten werden soll. Schwerwiegende Verstöße könnten dabei die Unvertretbarkeit der Ablehnung der Abberufung eher nahelegen, während bei leichteren Verfehlungen möglicherweise eher berücksichtigt werden könne, inwieweit in der Zukunft eine Besserung zu erwarten ist. Ob und mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen sind, entziehe sich – so der BGH – einer allgemeinen Betrachtung; allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen unbeachtlich sind, gebe es nicht. Die Annahme, dass die Ablehnung der Abberufung eines Verwalters unvertretbar ist, kann sich erst in der Gesamtschau eines neuerlichen Vorfalls mit älteren Geschehnissen ergeben, oder umgekehrt kann ein neuer Vorfall einen alten in einem neuen Licht erscheinen lassen. Zudem kann ein länger zurückliegender Punkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit weiteren späteren Vorfällen wesentliche Bedeutung erlangen. Zwar ist auch denkbar, dass ein bestimmter Zeitablauf eine Pflichtverletzungim Rahmen der Gesamtabwägung als weniger gewichtig erscheinen lässt. Dies sei aber laut BGH nur ein mögliches Ergebnis der Abwägung und enthebe das Tatsachengericht nicht der Pflicht, zunächst alle Umstände in die Gesamtabwägung einzustellen. Somit dürfen bestimmte Aspekte nicht pauschal mit der Begründung von der Abwägung ausgeschlossen werden, dass sie zu lange zurücklägen.

Verwalterstrategie

Zwar steht dem Verwalter ein Recht zur Anfechtung des Abberufungsbeschlusses nicht mehr zu, vgl. § 44 WEG. Trotzdem gibt die Entscheidung des BGH dem Verwalter wichtige Hinweise an die Hand, mit welchen Argumenten er sich zumindest intern gegen eine im Raum stehende Abberufung wehren kann. Die Reform des WEG hat einige wichtige Änderungen im Zusammenhang mit der Frage nach der Abberufung eines Verwalters gebracht. Gemäß § 26 Abs. 3 S. 1 WEG n. F. kann der Verwalter nun jederzeit abberufen werden; die Möglichkeit der Beschränkung der Abberufung auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 26 Abs. 1 S. 3 WEG a. F.) besteht gemäß § 26 WEG n. F. nicht mehr. Trotzdem ist eine fristlose Kündigung des Verwaltervertrags weiterhin nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Bei einer Abberufung ohne wichtigen Grund ist die Vertragslaufzeit des Verwaltervertrags (und damit der Bestand des Vergütungsanspruchs) nun auf maximal sechs Monate nach der Abberufung begrenzt, § 26 Abs. 3 S. 2 WEG.

 

Piekut, Dr. Susanne Schießer & Piotr

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungs­eigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com