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22.04.2022 Ausgabe: 3/2022
(BGH, Urteil vom 20.11.2020 – Az. V ZR 196/19)
DAS THEMA
Die Regelungen über die Inhaltskontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen in den §§ 307 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) stellen oftmals ein scharfes Schwert und ein effektives Abwehrinstrumentarium in der Hand eines mit vorformulierten Regelungen konfrontierten Teilnehmers am Rechtsverkehr dar. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich nun mit der lange umstrittenen und höchstrichterlich bisher nicht geklärten Frage zu befassen, ob die Regelungen der §§ 307 ff. BGB entsprechend auf die Gemeinschaftsordnung einer Eigentümergemeinschaft anwendbar sind.
DER FALL
Die Parteien des Rechtsstreits bilden eine große Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Gemeinschaftsordnung, die von dem teilenden Eigentümer vorgegeben wurde und Bestandteil der Teilungserklärung ist, enthält in Ziffer 13.3 die folgende Regelung: „Für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung genügt die Absendung an die Anschrift, die dem Verwalter von dem Wohnungseigentümer zuletzt mitgeteilt worden ist.“
In einer einberufenen Versammlung wurde ein Beschluss über die Wiederbestellungdes bisherigen Verwalters gefasst. Mit der Behauptung, die Einladung zur Eigentümerversammlung habe mehrere Wohnungseigentümer nicht oder nicht rechtzeitig erreicht, haben die Kläger Anfechtungsklage erhoben. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und den gefassten Beschluss für ungültig erklärt. Die Berufung des Verwalters als Streithelfer hat das Landgericht zurückgewiesen. Die Revision vor dem Bundesgerichtshof hatte jedoch Erfolg und führte zur Abweisung der Klage.
Das Berufungsgericht geht von einem Einberufungsmangel aus, weil die Einladung bei mehreren Wohnungseigentümern verspätet bzw. gar nicht angekommen sei. Die Klausel in Ziffer 13.3 führt zu keinem abweichenden Ergebnis, weil sie nur die Zugangsfiktion bei einem Adresswechsel regele. Dem tritt der BGH entgegen und legt die Klausel in der Weise aus, dass sie insgesamt die Frage regelt, ob die Eigentümerversammlung ordnungsmäßig einberufen worden ist; die Klausel beziehe sich nicht nur auf diejenigen Wohnungseigentümer, die einen Wohnsitzwechsel nicht angezeigt haben.
Das Gesetz sieht vor, dass die Einberufung der Eigentümerversammlung in Textform erfolgt, wobei für die Wahrung der – nach der Reform des Wohnungseigentumsge-setzes (WEG) – drei Wochen betragenden Frist gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB nicht die Absendung, sondern der Zugang bei den jeweiligen Wohnungseigentümern maßgeblich ist. Von dieser Rechtslage abweichende Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung sind weit verbreitet und nach einhelliger Auffassung im Grundsatz zulässig. Der BGH reiht die Klausel in Ziffer 13.3 in die Reihe solcher Vereinbarungen ein und legt sie dahingehend aus, dass sie für die Ordnungsmäßigkeit der Einberufung nicht den Zugang, sondern lediglich die rechtzeitige Absendung der Ladung an die Wohnungseigentümer voraussetzt, was sich zudem auf alle Wohnungseigentümer und nicht nur auf diejenigen, die einen Wohnsitzwechsel nicht mitgeteilt haben, bezieht.
Der BGH erachtet die Klausel als wirksam, wobei er zunächst den rechtlichen Maßstab für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel definiert. Gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer von den Vorschriften dieses Gesetzes abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Schranken für den Inhalt der Gemeinschaftsordnung ergeben sich aus den Grenzen der Privatautonomie nach den §§ 134, 138 BGB. Darüber hinaus unterliegen jedenfalls Bestimmungen in der Gemeinschaftsordnung, die von dem teilenden Eigentümer einseitig vorgegeben wurden, einer Inhaltskontrolle. Insoweit ist höchstrichterlich nicht abschließend entschieden, ob sich diese an den für allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Vorschriften der §§ 307 ff. BGB oder unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls am Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auszurichten hat. Nach Ansicht des BGH sind die §§ 307 ff. BGB auf die Vereinbarungen in der Gemeinschaftsordnung nicht anwendbar, sodass die Inhaltskontrolle an dem – weniger konkreten und somit auch schwächeren – Maßstab von Treu und Glauben (§ 242 BGB) durchzuführen ist. Der BGH argumentiert wesentlich mit dem Rechtscharakter einer einseitig vorgegebenen Gemeinschaftsordnung, bei der es sich nicht um Inhalte des Erwerbsvertrages und somit nicht um Bedingungen handelt, die bei Abschluss eines Vertrags im Sinne von § 305 Abs. 1 S. 1 BGB durch den teilenden Eigentümer als Verwender gestellt werden. Die als Bestandteil der Teilungserklärung in das Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung steht vielmehr nach ständiger Rechtsprechung ab dem Zeitpunkt, ab dem sie von dem teilenden Eigentümer nicht mehr einseitig geändert werden kann, einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer gleich, in die diese kraft Gesetzes mit dem Eigentumserwerb eintreten. Die Regelungen der §§ 307 ff. BGB sind nach Auffassung des BGH auch nicht analog anwendbar, weil der teilende Eigentümer nach Aufteilung und Abverkauf aus der Gemeinschaft ausscheidet und somit nicht – jedenfalls nicht dauerhaft, sondern allenfalls in der Aufteilungsphase – von dem von ihm vorgegebenen Regelwerk profitiert. Die in das Grundbuch eingetragene Gemeinschaftsordnung bezieht sich somit nicht – wie es für allgemeine Geschäftsbedingungen kennzeichnend wäre – auf das Verhältnis zwischen Kunden (hier: einzelner Wohnungseigentümer) und Verwender (hier: teilender Eigentümer), sondern soll vielmehr das künftige Zusammenleben der Wohnungseigentümer untereinander dauerhaft regeln. Zum anderen können die Wohnungseigentümer die ursprünglich einseitig vorgegebene Gemeinschaftsordnung jederzeit einstimmig ändern. Zudem stellt das WEG insofern einen wirksamen Individualschutz bereit, als einzelne Wohnungseigentümer unter den Voraussetzungen von § 10 Abs. 2 WEG eine Änderung unbilliger Vereinbarungen verlangen können, und zwar selbst dann, wenn diese von Anfang an in der Gemeinschaftsordnung enthalten waren. Zum Schutz der Wohnungseigentümer in der Aufteilungsphase ergeben sich rechtliche Grenzen der einseitigen Gestaltungsmacht insbesondere aus § 242 BGB (Treu und Glauben). Aber abgesehen von der Inhaltskontrolle in der Aufteilungsphase ist es wegen des weiten Gestaltungsspielraums der Wohnungseigentümer einerseits und des möglichen Anpassungsanspruchs andererseits (§ 10 Abs. 2 WEG) allenfalls in absoluten Ausnahmefällen denkbar, Regelungen der Gemeinschaftsordnung, die sich in den bestehenden gesetzlichen Grenzen insbesondere der §§ 134, 138 BGB halten, wegen eines Verstoßes gegen § 242 BGB als unwirksam anzusehen.
Nach diesen Maßstäben ist die Klausel in Ziffer 13.3 der Gemeinschaftsordnung wirksam. Sie greift weder in schwerwiegender Weise in das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht als unverzichtbares Mitgliedschaftsrecht ein und verstößt damit nicht gegen ein gesetzliches Verbot im Sinne von § 134 BGB. Dem stehen das Interesse und das gewichtige praktische Bedürfnis der Gesamtheit der Wohnungseigentümer entgegen. Der Verwalter darf darauf vertrauen, dass ein rechtzeitiger Versand ausreichend ist, damit die Ladungen bei den Empfängern ankommen. Der Zugang der Einladung lässt sich hingegen nicht nachweisen bzw. wäre nur mit erheblichem Verwal-tungs- und Kostenaufwand zu erreichen, was aber dem Gesamtinteresse der Wohnungseigentümer widerspricht. Für die Beurteilung der Klausel anhand der Maßstäbe des § 242 BGB ist nach Auffassung des BGH wiederum – solange sich die Klausel in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB hält – im Regelfall kein Raum.
VERWALTERSTRATEGIE
Die Entscheidung ist verwalterfreundlich und schwächt die Angriffsmöglichkeiten einzelner Wohnungseigentümer gegen die Vorgaben der Gemeinschaftsordnung. Abzuwarten bleibt, wie sich die Rechtspraxis anhand der Entscheidung weiterentwickelt, weil eine an den rechtlichen Maßstäben des § 242 BGB ausgerichtete Inhaltskontrolle der Gerichte ggf. zu denselben Ergebnissen wie die Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. führen könnte. Dem steht allerdings der vom BGH vorgeschobene Riegel entgegen, wonach Regelungen der Gemeinschaftsordnung, die sich in den bestehenden gesetzlichen Grenzen insbesondere der §§ 134, 138 BGB halten, allenfalls in absoluten Ausnahmefällen wegen eines Verstoßes gegen § 242 BGB als unwirksam angesehen werden können.
DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.
PIOTR PIEKUT
Der Rechtsanwalt ist am Berliner Standort derselben Kanzlei u. a. im Miet- und Grundstücksrecht tätig. www.asd-law.com