15.10.2019 Ausgabe: 5/19

WEG-Recht - Beschlusskompetenz zur (eingeschränkten) Fortgeltung eines Wirtschaftsplans

(BGH, Urteil vom 14.12.2018, Az. V ZR 2/18)

DAS THEMA
Grundsätzlich hat der Verwalter einen Wirtschaftsplan jeweils für ein Kalenderjahr aufzustellen, und die Eigentümergemeinschaft hat darüber zu beschließen – so steht es in § 28 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 WEG. Der Wirtschaftsplan hat dabei die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die anteilige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung sowie ihre Beitragsleistung zur vorgesehenen Instandhaltungsrückstellung zu beinhalten.

Für den Fall, dass die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über den nächsten Wirtschaftsplan erst nach Ablauf eines Jahres stattfindet, bieten sich mehrere Regelungsmöglichkeiten in der Teilungserklärung oder durch Beschluss. Mit der Frage, welche dieser Regelungen wirksam und welche nichtig sind, beschäftigte sich der BGH in vorliegender Entscheidung.

DER FALL
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Teilungserklärung enthält in § 16 folgende Bestimmung: „Der in § 14 dieser Teilungserklärung erwähnte Wirtschaftsplan soll jeweils für ein Geschäftsjahr im Voraus vom Verwalter vor Jahresbeginn aufgestellt werden. Dieser vom Verwalter vorgelegte Wirtschaftsplan ist für alle Eigentümer verbindlich. Er kann nur durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer geändert werden.“

Am 12.8.2014 fand eine Eigentümerversammlung statt, auf der unter TOP 11 folgender Beschluss mehrheitlich gefasst wurde: „Der Verwalter stellt den Antrag, den Gesamtwirtschaftsplan 2015 zu genehmigen, der so lange Gültigkeit hat, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen wird.“ Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kläger und begehrt Feststellung, dass dieser nichtig ist, hilfsweise, dass er insoweit nichtig ist, als er so lange Gültigkeit haben soll, bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen ist.

Das AG Hamburg wies die Klage ab, die Berufung vor dem LG Hamburg blieb erfolglos. Letztlich scheiterte der Kläger auch mit seiner vom Landgericht zugelassenen Revision vor dem BGH, und zwar mit folgender Begründung: Ein Beschluss, der unabhängig von einem konkreten Wirtschaftsplan generell die Fortgeltung eines jeden Wirtschaftsplans bis zur Verabschiedung eines neuen zum Gegenstand habe, ist nichtig. Ein Beschluss aber, der über die Fortgeltung eines konkreten Wirtschaftsplans bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan gefasst würde, ist wirksam. Darin bestätigte der BGH die Rechtsprechung der Berufungsinstanz. Ein solcher wirksamer Beschluss liegt hier vor: Die Eigentümer besaßen die notwendige Beschlusskompetenz. Diese ergibt sich dem BGH zufolge bereits aus § 28 Abs. 5 WEG, wonach Wohnungseigentümer beschließen können, dass ein konkreter Wirtschaftsplan bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan fortgelten soll.

Gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 WEG hat der Verwalter jeweils für ein Jahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen, über den die Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 5 WEG beschließen. Dieser Wirtschaftsplan dient als Grundlage für die Vorschusspflicht der Wohnungseigentümer gemäß § 28 Abs. 2 WEG, etwa für Instandhaltungsrückstellungen. Wird nun über den neuen Wirtschaftsplan erst im Laufe des Folgejahres beschlossen (etwa, weil der neue Wirtschaftsplan erst mit der Abrechnung für das vergangene Jahr beschlossen werden soll oder sich die Beschlussfassung anderweitig verzögert), hätte diese Verspätung eine Liquiditätslücke zur Folge. Es besteht daher ein praktisches Bedürfnis, dass die Wohnungseigentümer die Fortgeltung des aktuellen Wirtschaftsplans beschließen können, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden. Zudem ist dem § 28 WEG kein Verbot der Regelung einer solchen Fortgeltungsklausel zu entnehmen.

Durch eine abstrakt-generelle Regelung der Fortgeltung künftiger Wirtschaftspläne hingegen würde von der in § 28 Abs. 1 WEG ausdrücklich erwähnten Geltungsdauer von einem Jahr grundsätzlich abgewichen. Eine solche Regelung kann daher nicht durch Beschluss, sondern nur durch Vereinbarung der Eigentümer getroffen werden.

Einer Befristung bedarf ein konkreter Fortgeltungsbeschluss des Weiteren nicht. Der BGH folgt diesbezüglich der Meinung des Berufungsgerichts. Objektiver Sinn und Zweck einer Fortgeltungsklausel ist die Vermeidung von Finanzierungslücken bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan, nicht aber der Verzicht auf einen solchen. Der Verwalter wird weder durch eine abstrakt-generelle Fortgeltungsvereinbarung noch durch einen konkreten Fortgeltungsbeschluss von seiner Pflicht entbunden, für das folgende Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan zu erstellen. Diesen Anspruch könnten die einzelnen Eigentümer gegen den Verwalter durchsetzen, notfalls gerichtlich gemäß § 43 Nr. 3 WEG. Letztlich ist der angefochtene Beschluss auch nicht deshalb nichtig, weil er von § 16 der Teilungserklärung abweicht und § 16 keine Öffnungsklausel enthält. Der BGH stützt seine Begründung hierfür auf die bereits ausgeführte Pflicht des Verwalters zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans für das neue Kalenderjahr, die sich sowohl aus dem Gesetz als auch aus § 16 der Teilungserklärung ergibt und durch den Beschluss des TOP 11 nicht berührt wird.

Verwalter­strategie
Um Finanzierungsengpässe und Liquiditätslücken zu vermeiden, empfiehlt es sich für Verwalter, über die Genehmigung des aktuellen konkreten Wirtschaftsplans hinaus auch die Fortgeltung seiner Gültigkeit beschließen zu lassen – bis über einen neuen Wirtschaftsplan beschlossen wird. Die Wirksamkeit eines solchen Beschlusses hat der BGH mit vorliegendem Urteil umfassend bestätigt. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass ein solcher Beschluss immer nur konkret für die Fortgeltung des aktuellen Wirtschaftsplans gefasst werden kann. Bezieht er sich hingegen auf mehrere (etwa künftige) Wirtschaftspläne, wäre er aufgrund mangelnder Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft nichtig.

Existiert jedoch eine abstrakt-generelle Vereinbarung der Wohnungseigentümer (beispielsweise in der Teilungserklärung), dass der jeweilig beschlossene Wirtschaftsplan immer bis zum Beschluss über den jeweils nächsten Wirtschaftsplan gelten soll, bedarf es eines solchen Beschlusses nicht, denn auch solch eine Vereinbarung ist wirksam.

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Warken, Dr. Susanne Schiesser & Victoria E.

DR. SUSANNE SCHIEßER
Die Fachanwältin für ­Miet- und Wohnungseigentumsrecht ist Salary Partner der Kanzlei Arnecke Sibeth Dabelstein, München.

VICTORIA E. WARKEN
Die Rechtsanwältin ist in derselben Kanzlei schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des gewerblichen Mietrechts tätig.
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